Sympoxion europäischer liilzllvauer
Die „Idee von St. Margarclhcn", zum
ersten Male vor drei Jahren realisiert,
hat bereits legale „ÄblCgCFH gefunden.
So wurde am 15. Septtmbt" im Stein-
bruch von Kirchheim bei Würzburg die
Ergebnis-Ausstellung eines inlcrnnliona-
len Bildhaucmrheizsseminars eröffnet.
Diese Veranstaltung ist von dem Ösler!
reicher Karl Pranll und neun weiteren
Künstlern aus Deutschland, Israel, _]u-
goslawien, USA und japan heschickt.
Alle 'l"eilnehmei' waren bereits bei den
St. Margarcthcncr Symposien der ver-
gangenen jahre vertreten.
BUCHBESPRECHUNGEN
Erich Itloumann, Die nrcbelypiscbe Welt
Henry Moores. Rascher VerlagfZürich
und Stuttgart 1961. Neun Textabschnitte
und 106 Abbildungen.
Diese Publikation hat angesichts der von
der Österreichischen Kulturvereinigung
veranstalteten Henry-Moorc-Ausstellung
besondere Bedeutung iür Wien. Neu-
mann ist Schüler von C. G. jung und
bedient sich in seinen Formulierungen
der Terminologie des Meisters. Als Kul-
turhistoriker ist er mit einer größeren
Anzahl von Arbeiten hervorgetretcn.
von denen wir „Die Große Mutter -
Der Archetyp des großen Weiblichen",
Rhein Verlag Zürich, 1956. in bester
Erinnerung haben. Im Werke Henry
Moores hat Neumann tatsächlich ein
ideales thematisehes Substrat für seine
Untersuchungen gefunden, die auch hier
wiederum die Gestaltung des Urbildes
der Großen Mutter im Gewande und
den Formen unserer Zeit ubhandeln.
Unter Heranziehung zahlreicher Aussa-
gen des Künstlers selbst und nach sehr
tieigehenden stilistischen Analysen
kommt Ncumann zum Sehluß, daß
Moere's Lebenswerk stets um die Dar-
stellung des Ur-Weiblichen kreist, sei
es in seinem Aspekt als der Großen
Mutter, die nicht nur Gebärerin, son-
dern auch Beschützerin ist - in Mooreis
besonderem Fall „Herrin der Luftschutz-
keller", aber ebenso als Todesgöttin,
gebildet aus gleichsam geschmolzenen
Maschinenbestandteilen oder als „Böse
Mutter", als „Hexe" zu furchtbare:
Wirksamkeit erstehen kann. Das Männ-
liche steht bei Moore stets am Rande,
einmal inknrnicrt in der Form des jüng-
lingshaltcn, dann wieder, etwa in dem
schreckerregenden „Krieger mit Schild"
als „ergreilcndes Bild eines üben-persön-
liehen Kastrationskomplexes". In seinen
„Familiengruppen" kommt Moore zu
einer wahrhaft wunderbaren Humanisie-
rung dcs Transpersonellen: „Das Hu-
mane ist das Gegenwärtige, das die
Mitte aller Mächtekonstellationen . . .
bildet."
Ernxt Diez, Alebar - Gattsucbt-r und
Kaiser. Rudolf M. Rohrer Verlag, Wien
1961. Mit 31 Bildtafeln.
Als Ernst Diez im Alter von 83 Jahren
am 8. juli dieses Jahres die Augen lür
immer schloß, war das nunmehr er-
schienene Werk über den Mogulkaiser
Akbar bereits im Druck. Die Tatsache,
daß es Akbar überhaupt gegeben hat,
wird auch im Bewußtsein gebildeterer
Kreise nicht sonderlich tief verankert
sein und so hätten wir dem Werke zu-
nächst einen etwas zündenderen Titel
gewünscht, um ihm eine möglichst weit
gestreute Verbreitung zu sichern, denn
die Persönlichkeit, um die die Darstel-
lung kreist, ist vom historischen wie
vom menschlichen Standpunkt so faszi-
nierend und interessant, wie man es sich
nur wünschen kann. Akhar, der von
1556 bis 1605 regierte, war schließlich
und endlich nicht nur irgendein orienta-
lischer Despot, sondern Vertreter eines
überraschend vertraut anmutenden „auf-
geklärten Absolutismus", der von der
Erkenntnis der Gleichberechtigung aller
Überzeugungen und Religionen ausging
und in der Schöpfung einer neuen, syn-
kretistischen „Reiehsreligion" gipfelte,
in der der Herrscher, der sich zuvor die
Eigenschaft der Unlehlbarkeit hatte zu-
gestehen lassen, die Rolle eines Stell-
vertreters und „Schatten Gottes" auf
Erden spielte. Akbar gehört also ohne
Zweifel in die Reihe, die mit Echnaton
anhebt und mil Louis XIV., respektive
seinen Nztchiolgern und Imitatoren en-
det. Diez hat sein Werk auf breiteste
historische, kultur- und kunstgeschicht-
liche Basis gestellt. Wir werden zu-
nächst mit der Eroberung Indiens durch
den Islam vertraut gemacht, dann wer-
den uns Akbars unmittelbare Vorlahren
vorgestellt und schließlich kommen wir
mit Akbar selbst, mit seiner Jugend,
seiner äußeren Erscheinung, seiner Tä-
tigkeit als „Mchrer des Reiches" in Be-
rührung. Wir erfahren von seinen reli-
giösen Visionen, seiner Verbindung mit
den portugiesischen jesuitenmissionen
aus Goa, seiner Abkehr vom Islam, sei-
nem Aufschwung zum geistigen Führer
der Nation und Religionsgründer, aber
auch von seinem Alltagslcben, der Ver-
waltung und Finanzierung seines Rei-
ches, dem Harem, dem jagdlehen, den
Holstallungen, der Bibliothek und den
wichtigsten Freunden und Mitarbeitern.
Es folgen Abhandlungen über die Bau-
und Gartenkunst, die Malerei am kai-
serlichen Hof, das Grabmal Aklmrs,
seine Nachfolger. Das Werk schließt mit
lexikalisch gestalteten Kapiteln über die
wichtigsten Städte des Reiches und über
nllindische Literatur; Erklärungen von
Fachausdrücken, chronologische 'l'abel-
len und Literaturhinweise runden das
Bild.
Diez war in den späteren Jahrzehnten
seines Lebens kein Forscher im engeren
Sinn des Wortes; er sah vielmehr seine
Aufgabe darin, durch Zugängliehma-
chung entlegcner Quellenwerke unter
Einbeziehung älterer, zumeist ausländi-
scher Fachlileratur auch breitere Kreise
an Probleme hcrnnzulühren, die sonst
nur dem Fachmann vorbehalten waren.
Sicherlich stellt sein „Akbar" keine For-
scherleistung mit irgendwelchen neuen
Ergebnissen dar, sicherlich werden man-
che von ihm benützte wissenschaftliche
Werke heute bereits als überholt gelten
- eines ist ihm auf jeden Fall gelun-
gen, nämlich das Lebendigmachen, das
Beschwören einer längst versunkenen,
an der Peripherie unseres Kulturbewußt-
seins liegenden Zeit.
Oskar Dalvit, Amdener Tagebuch. Be-
trachtungen über Kunst und Natur. Ra-
scher Verlag Zürich und Stuttgart, 1961.
Dieses Tagebuch ist das Werk eines
Malers, der hoch über dem Schweizer
Walensec in einer Bauernhütte haust -
und erstaunlicherweise abstrakt malt, in
einem Stil, der sich mit der Kunst der
Pariser Informellen auseinandersetzt,
aber seine Wurzeln im Spätwerk von
Paul Klee haben dürfte. Die zahlreichen
ausgezeichneten Bildbeigaben der Publi-
kation ermöglichen es, sich ein ausrei-
chendes Bild von Dalvit auch als Maler
zu machen. Er zählt, wie so viele zeit-
genössische Schweizer Künstler, nicht
zu den Avantgardisten, zu den Koloni-
satoren künstlerischen Neulandes, er ist
viel eher ein Vollender, einer, der eine
olt recht stürmisch hingestreute Saat
zum Ausreilen bringt und ihren Früch-
ten den Aspekt des Provokanten nimmt.
Was sein Tagebuch für uns so wichtig
macht, ist die aus ihm resultierende Er-
kenntnis, daß die informelle Kunst
durchaus nicht das Produkt eines hek-
tischen Großstadt-Intellektualismus zu
sein braucht, Sondern daß manche ihrer
Werke nichts anderes sind als echtes
Naturerleben in kondensiertester Form.
Dnlvit nimmt gleich Segantini leiden-
schaltlich und hingebungsvoll Anteil am
Werden, Sein und Vergehen aller Dinge
und was er malt, ist ebenso Verdichtung
des Gesehenen wie Niederschlag der
seelischen Reaktion.
Dr. Köllcr
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