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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 51)

klang der Groteske zur Spirale, die 
sich langsam und mühsam aus dem 
Aststab z entwickelt hat. Sehr schön 
ist die Abspaltungstechnik oben in 
den Spießen, unten im klaren ele- 
ganten Gcgenschwung ohne Spiral- 
bildung zu verfolgen. Wir sehen 
deutlich, wie noch „aus einem 
Stück" gearbeitet wurde. Nur der 
jetzt fehlende Mittelteil ließ sich 
nicht abspalten und mußtc deshalb 
eingesetzt werden. Da das Eisen 
überall die gleiche Stärke bewahrt, 
wird klar, daß das Eisen nicht ge- 
streckt wurde. Die Binnenzeichnung 
hat wesentlich an Kraft zugenom- 
men. 
Der Typ in Bild 3 war sehr verbrei- 
tet. Das bei Bild 2 verlorene Stück 
ist deutlich angesetzt, der Beschlag 
ist massiver, das Kompositionszen- 
trum durch Ausbauchung stark be- 
tont, ein Einfall, der noch lange 
Nachfolge finden sollte. Das Neue 
des Typcs ist unschwer auch von 
den Binnenzeichnungsmustern her 
zu erkennen. Deutlich sieht man 
die Verwendung verschiedener Mei- 
ßel, wobei die Halbbögen mit Punk- 
ten zu abstrakten Ornamenten ver- 
bundcn bis zur Gestaltung von Ge- 
sichtern, weiblichen Halbakten usw. 
verwendet werden konnten! Sie ge- 
hören mit zu dem Belegmaterial der 
geheimen odet lauten Perversion des 
Manierismus, wenngleich es nie- 
mendem einfallen mag, bei unseren 
Landschmieden von „verdrängten 
Komplexen" zu sprechen. Immer- 
hin sieht man, wie weit und in wei- 
che Detailverästelung sich ein Stil 
verfolgen läßLWer darauf aus wäre, 
könnte selbst mit diesem einfachen 
Material ein Sammelsurium der 
seltsamsten Zwitterwesen in den 
Wechselformen der Grotcsken zu- 
sammentrngen} 
Auch in Bild 4 sehen wir diesen Stil, 
allerdings mit einer seltenen Punze 
ähnlich einer Vergißmeinnichtblüte 
-, aber keineswegs naturalistisch 
als Blume gemeint - verbunden. 
Die Stilentwicklung hat einen deut- 
lichen Ruck gemacht; wir haben je- 
nen Typ vor uns, der im Barock ge- 
radezu führend werden sollte. (Siehe 
Bild 8 und 9). Trotzdem haben wir 
auch hier an vier Stellen, wo die 
Spiralen abgehen, einander sehr 
ähnliche „LöwenschädeP. Das Ring- 
feld ist nun in die Kompositions- 
mitte gerückt (wir kennen es schon 
von Beschlägen zu Ende des 16. jahr- 
hunderts). Bei Spiralen wie „Ha- 
kenschnörkeln" fällt die starke Ver- 
wendung der Einhautechnik auf. D. 
h., wir sind am Beginn des Knorpel- 
werkstiles, der in der Kunstspraehe 
des Eisens wohl im Linearen seine 
herrliche Phantasie sprechen lassen 
kann, hingegen zumindest in un- 
seren Kleinbeschlfigen nicht pla- 
stisch bewegt werden kann und sich 
so fast allein im Spiel der Linien 
ausdrücken muß. Auch muß uns 
das zähe Leben der Spiralen (die 
äußerste linke leider beschädigt) 
auffallen. Dieses unvergleichlich vi- 
tale Muster gab in seiner Weichflüs- 
sigkeit unserer (verschleppten) Re- 
naissanceornamentik seine Ver- 
wandtschaft zur Schrift. Zum ersten 
Mal in unserer Reihe ist nun der 
Rhythmus der Spirale durch den 
„l-Iakenschnörkel" unterbrochen. 
Wir haben einen barocken Beschlag 
vor uns, eine Illustration für die Art 
und Weise, wie der Holzstil des 
Knorpelwcrks gegen 1680 in der Ei- 
senkunst zum Ausdruck kommt. 
Das Stück in Bild S wird nun lang- 
sam wieder pflanzlich. Die Abgabe-- 
lung der Nebenspiralen wird betont, 
ist organisch und mit kräftigen Ker- 
ben lebhaft gezeichnet. Die „Le- 
bensmitte" (Bild 3) läßt die Spiral- 
ranken im Kontrast besonders rank 
erscheinen. Noch immer wirken die 
Spiralen wie hingeschrieben, aber 
der Schritt in das neue Lebensge- 
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