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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 51)

fühl ist nicht zu verkennen: der 
Manierismus ist überwachsen. 
Den vollen Durchbruch zum hohen 
Barock mit den nun ausgereiften 
Akanthusblättern zeigt Bild 6. Sie 
sind nun zwar keineswegs natura- 
listisch, aber durch wenige, doch 
kräftige Kerben, die selbst schon 
Rokokoformen ahnen lassen, ge- 
kennzeichnet. Wir sind mit diesem 
Beispiel, um die Entwicklung von 
dem Keim zur nun klassischen Höhe 
zu zeigen, zeitlich etwas vorgeprellt 
und holen im Bild 7 einen Typ nach, 
der durch die Verwendung des Ball- 
hammers bei der Technik des Ein- 
ballens charakteristisch ist. Auch 
hier sind wir im Barock, jedoch 
ohne die Anzeichen des zukünfti- 
gen Rokokos, wie sie bei Bild 6 an 
den beiden mittleren Spiralen in 
Ansätzen zu sehen waren. Das 
Thema von Bild 3 wie in Bild 4 ist 
wieder aufgegriffen. Die Spieße 
bleiben nun gleichsam als Tangente 
vorgelegt. Das Mittelfeld, in dem 
die Einballung besonders schön zu 
sehen ist, weist mit seinem C-Bügel 
schon auf eine Leitform des späten 
Barocks. 
Die Beschläge auf den Bildern 8 und 
9 sind nun auch im Format mit 
einer Länge von über 55 cm auf der 
llühe der barocken Stilentwicklung. 
Das Beispiel auf Bild 8 weist noch 
immer prachtvollen Spiralenfluß 
auf, sogar mit vorgetäuschter Durch- 
stoßung (wie wir diese in der Dorn- 
arbeit der Spiralgitter des 17. jahr- 
hunderts zu voller Meisterschaft 
entwickelt haben). Dazu charakter- 
volle Oberflächenzeichnung, ausge- 
wogen und die Spiralen überaus fein 
ausgeschmiedet. Zugleich doch wie- 
der paarige Köpfe, aus deren Maul 
wie schon seit der Romanik das 
Geranke entwächst. Die Blätter sind 
vorzüglich in ihrem organischen 
Anschwellen und Auslaufen gestal- 
tct, in der Ornamentik haben wir 
einen etwas verschleppten Knorpel- 
werkstil, stark in der anaturalisti- 
sehen heimischen Haltung, die sich 
scheut, wirkliche Blätter nachzubil- 
den, sondern der viel mehr daran 
liegt, das Fließende einzufangen und 
ins Ornamentale zu bändigen. Alles 
ist wie zwischen zwei Schienen ein- 
gespannt, eine Harmonie von voll- 
endeter Oberflächengestaltung, Mu- 
sikalität des Linienflusses und doch 
strenger Geführtheit, wahrlich ein 
trelflicher Repräsentant des werden- 
den barocken Reichsstiles um 1680, 
noch vor dem Wuchern des Akan- 
thus um und nach 1700. Es ist ver- 
ständlich, daß die Zuneigung zu 
dieser stilistischen Situation nicht 
etwa als ein Unvermögen, die Akan- 
thusblätter nicht ausschmieden zu 
können, aufgefaßt werden darf! Bei 
dieser Lebendigkeit der Oberflä- 
chengestaltung wäre der heimische 
Meister zu jeder Gestaltung fähig. 
Es ist vielmehr Bekenntnis zu einer 
ihm gemäßen Form. Der unhe- 
kannte Meister gibt den ihm lieb- 
gewordenen Stil, den er vollendet 
beherrscht, nicht gerne auf, er liegt 
ihm und so bleibt er bei dieser 
Formsprache. Oberösterreich hat für 
diese Einstellung das Riesengitter 
von Spital am Phyrn aus dem ersten 
Drittel des 18. Jahrhunderts aufzu- 
weisen, es erlaubt, solche Schlüsse 
auf die Grundhaltung einer Land- 
schaft (denn es sprechen ja die 
Auftraggeber, Äbte wie Gewerke- 
herren, ebenso mit) zu ziehenß S0 
gehen Stift Kremsmünster und St. 
Florian völlig verschiedene Wege, 
wobei St. Florian sich Wien gefällig 
erweist. Ähnliches läßt sich für das 
Chorgitter des Salzburger Meisters 
Hans Thomas (dat. 1685), sagen, 
der noch dem Spätmanierismus ver- 
haftet ist, oder über die mächtigen 
Abschlußgitter in Mariazell, die 
Blasius Lackner wohl zur selben 
Zeit geschaffen haben wird. 
Das Eisen auf Bild 9 ist schon voll- 
entwickelter Hochbaroek. Die paa- 
rigen Köpfe haben nun schon fast 
Blattmnskencharakter, ein reifer 
hoehbarocker Hakensehnörkel, den 
wir in seiner Vorstufe auf Bild 4 
sahen, verbindet sich zu einer Feld- 
komposition, bei der es schon zu 
Palmettendurchstoßungen an den 
äußersten Rändern der Beschläge 
kommt. Die beiden Spiralen des 
Mittelfeldes - die um 1740 bestim- 
mende Motive werden - sind jetzt 
in diesem Beschlag noch in die 
Fläche gebunden. In den beiden 
letzten Stücken greift nun zum er- 
stenmal die Auszier auch auf den 
Bandteil, der den Zapfen der Angel 
direkt aufsitzt. 
Die Arbeit auf Bild 10 hat dies wie- 
der aufgegeben. Dafür wird nun das 
hier noch reiche Laubwerk raum- 
greifend und vollplastisch behandelt 
und herausgetrieben. Wie die bei- 
den vorigen ist auch sie in die Rah- 
men kompositionell eingespannt. 
Das Meißeln tritt, so wie das Ein- 
ballen nun stark zurück. Die Blät- 
ter werden fleisehig. Das Mittelfeld 
nimmt ein Maskeron ein, wobei die 
eben aufkommende Palmette als 
Bart einbezogen wird. Werfen wir 
einen Blick auf die beiden Vorgän- 
ger zurück, so wird uns der Wandel 
deutlich und wir verstehen, warum 
nicht überall ohne weiters wirkli- 
ches Können zugunsten dieses lif- 
fektes aufgegeben wird. Nun geht 
man auf optische Fernwirkung aus, 
nun spielt freilich das Licht ganz 
anders auf den Blättern, aber unsere 
bodenständige biedere Handwerks- 
kunst ist das nicht mehr! Wie sol- 
len wir das Band nun wirklich da- 
tieren? „Laubwerk" allein muß, nun 
wo schon das „Bandlwerk" Mode 
ist. konservativ bezeichnet werden, 
die Maske wäre wiederum sehr mo- 
dern, wir kämen auf die Zeit um 
1730. Warum jedoch greift der Mei- 
ster nach dem Maskeron und beach- 
tet das Bandlwerk nicht? Weil sich 
ihm in der Maske etwas Bekanntes 
anbietet, das die volksnahe Kunst 
nie aufgegeben hat: das bannende 
Gorgogesicht an der Türe (volks- 
kundlich zahlreich belegbar s). Aus 
seiner inneren Wichtigkeit, nicht 
aus Modelaune, erobert es sich hier 
die Bild- und Kompositionsmittel 
Es bleibt noch ein Wort zur Ober- 
flächenbehandlung nach dem farbi- 
gen Tonwert zu sagen. So kennen 
wir Braunfärbung durch Abbrennen 
(Brünnierung) oder „Anlaufenlas- 
sen", das eine reizvolle Variation 
von Blau- und Metalltünen erlaubt 
und gerne bei Kästenbeschlägen 
verwendet wird. Auch kann das 
Eisen verzinnt werden und erhält 
dadurch einen vornehmen Ton. Na- 
türlich kann es auch farbig gehöht 
werden, wie besonders gern im 
16. ]h., da man gerne bei Wappen 
und Blumen farbig nachhilit. 1m 18. 
und 19. jh. wird endlich auch Mes- 
sing in die Auszier miteinbezogen. 
Fassen wir aus unseren zehn Bei- 
spielen die Quintessenz, so wird 
klar, daß wir mit dem Ornament- 
schatz allein nicht für eine Datie- 
rung auskommen können, daß wir 
die jeweils bevorzugte Technik 
ebenso miteinbeziehen müssen, wie 
die jeweilige Behandlung der Ober- 
fläche was Farbwirkung anbelangt 
und schließlich auch alte Vorstel- 
lungen, wie etwa hier der Dämonen- 
abwehr an der Türe. Vielleicht mag 
jedoch die Tatsache am meisten 
überraschen, daß selbst in diesem 
„sekundären Handwerk" sich doch 
die geistigen Strömungen, wenn z. 
T. auch verspätet, widerspiegeln. 
' H. Wichmann, Deutsche Ornamentfi- 
bei. Leipzig 1942. 
1 O. Kastner, Eisenkunst im Lande ob 
der Enns. Linz 1954, S. 55. 
3 O. Kastncr, Eisenkunst im Lande ob 
der Enns. Linz 1954, S. 99f100, IO9II10, 
Hakenschnörkel S. 97. 
' O. Kastner, Eisenkunst im Lande ob 
der Enns. Linz 1954, S. 100, Abb. 44. 
5 O. Kastner, Eisenkunst im Lande ob 
der Enns. Linz 1954, Abb. 36 und 38, 
dazu auch die Arbeit über Peter Rollin 
im ]ahrbuch der Stadt Linz (im Erschei- 
nen), Dazu lO Bilder des O.-O. Landes- 
Museums (M. Eiersebner). 
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