MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 51)

DIE STIMME EINES 
UNZEITGEMÄSSEN 
haupt nicht gilt, aber die Verhal- 
tensweise der Surrealisten aller 
Grade ist doch die eines letztlich 
eiskalten psychischen Unbeteiligt- 
seins: Man analysiert zwar, man 
BEMERKUNGEN ZUR KUNST VON ALFRED HRDLICKA 
ERNST KOLLER 
Zu den zahlreichen Tabus und „hei- 
ßen Eisen" unseres an Konventiona- 
lismus so reichen Zeitalters gesellt 
sich das ungeschriebene Gesetz, den 
Mensd-ten ja nicht kompromißlos und 
ungeschminkt darzustellen; das 
Niedrige, der Schweißgerueh, das Ba- 
nale,Ungute,Durchschnitts-Schmut- 
zige der „Leutc-"f gilt heute nicht 
als geeignetes thematisehes Sub- 
strat für die bildenden Künste: Ent- 
weder abstrahiert man oder ist 
gänzlich „informell", man setzt um, 
bis alles zer-setzt ist, aber man 
wagt es nicht mehr, den Dingen, ge- 
schweige denn dem Menschen ins 
Gesicht zu schauen. „Naturalismus? 
ist auf allen Linien verpönt, auch 
auf der seelischen. - 
Eine andere Möglichkeit der Nega- 
tion des „natürlichen Menschenbil- 
des" ist die besonders in Wien und 
auch in Belgien gepflegte 'l'ransp0- 
nierung ins Surreale. llier ist der 
Ausgangspunkt zwar der Gesamt- 
komplex des 'l'riebhaften, man be- 
kennt sich also gerade zu dem, was 
in den mehr oder minder abstrakt- 
informellen Stilrichtungen über- 
legt bloß und demonstriert, ja man 
weidet sich sogar mit - wenn auch 
objektivierter und eingefrorener - 
Freude an den offenbarten Mon- 
slrositaten, aber letztlich schiebt 
man doch den ganzen Komplex von 
sich, schafft Distanzen, ja man fühlt 
sich sogar über das, was man expli- 
ziert, erhaben. Die lodernde Hyste- 
rie des frühen Kokoschka, die Sin- 
nenqualen Schieles, die sozialkriti- 
schen Zynismen von Dix und Grosz 
- wären sie heute denkbar und 
möglich? Oder hätten etwa Künst- 
ler wie Zille oder die Kollwitz Platz 
innerhalb unserer geistigen Gren- 
zen? 
Das Entscheidende hinter diesen 
Beobachtungen dürfte wohl sein, 
daß auch die Künstler unserer Zeit 
sich vor den Dingen, „wie sie sind", 
einfach fürchten und herumdrüeken 
Das ist wohl der Grund für den 
wahrhaft schrecklichen Konformis- 
mus unserer Tage, der auch im 
Rahmen der bildenden Künste keine 
großen Persönlichkeiten mehr dul- 
det und jegliche Thematik so stark 
ins Unverbindlich-Spekulative, ln- 
tellektuell-Esoterische rückt, bis 
zwangsläufig der Absturz in die völ- 
lige Form- und Gestaltlosigkeit er- 
folgt (Arnulf Rainer, Mikl etc.). 
 
Während sich in diesem Sinn jahr 
für Jahr Fluten „linientreuer" Schaf- 
fensprodukte aus den Ateliers und 
Galerien über die abgestumpfte 
Menschheit ergießen und wohl noch 
bis in eine noch ferne Zukunft er- 
gießen werden, finden wir es an der 
Zeit, auf einen jener ganz wenigen 
Künstler hinzuweisen, die sieh we- 
der um Modeströmungen scheren, 
noch dem „Leben" als solchem aus- 
weichen, sondern in ihren Medien 
unbekümmert das gestalten, was sie 
sehen und empfinden. Es handelt 
sich um den 1928 in Wien gebore- 
nen Maler und Bildhauer Alfred 
llrdlicka, der zunächst den Beruf 
eines Dentisten ergreifen wollte, 
1945 aber seine Pläne über den 
llaufen warf, an die Akademie der 
laildenden Künste in Wien übersie- 
delte (1946) und dort im Jahre 1953 
bei Gütersloh und Dobrowsky das 
Diplom für Malerei erwarb und 
1957 bei Wotrubti seine Studien als 
Bildhauer erfolgreich absehloß. Hrd- 
lieka gehört nicht zu jenen, die in 
den mehr oder mindcr offiziellen 
läetrieb eingeschaltet sind, von 
DIE STIMME EINES 
UNZEITGEMÄSSEN 
haupt nicht gilt, aber die Verhal- 
tensweise der Surrealisten aller 
Gradi- ist doch die cincs letztlich 
eiskalten psychischen Unbclciligt- 
scins: Man analysiert zwar, man 
BEMERKUNGEN ZUR KUNST VON ALFRED HRDLICKA
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.