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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 52)

besitz stammen" mit der Londoner und der anderen Ber- 
liner Kommode in Verbindung, weil sie „im Aufbau und 
Beschlag mit ihnen übereinstimmen", und ordnet sie der 
gleichen Berliner Werkstatt zu. Dieser Feststellung kann 
nun die noch präzisere Auskunft hinzugefügt werden, 
daß es eben die Werkstatt  G. Fiedlers war, aus der 
alle diese Möbel wohl ziemlich gleichzeitig hervorgegan- 
gen sind. 
Das Ergebnis dieser Untersuchung kann nun dahinge- 
hend zusammengefaßt werden, daß mit Hilfe der beiden 
Loosdorfer Kommoden nicht nur das Werk j. G. Fied- 
lers eine beachtliche Erweiterung erfuhr, sondern auch 
der Meister selbst zu einem der bedeutendsten Ebenistcn 
des Berliner Frühklassizismus nufgerüekt ist, der die 
große Tradition der friderizittnisehen Möbelkunst des 
Rokoko würdig fortzusetzen wußte. Während David 
Hacker, der Exponent der Neuwieder Werkstatt in Ber- 
lin, in seinen Arbeiten, anknüpiend an Roentgens Spät- 
stil, bereits eine zurückhaltendere und einem strengeren 
Klassizismus zugewandte Richtung einschlug. gelang es 
dem wohl auch älteren Fiedler, die Anregungen der 
Pariser höiisehen Ebenisten und Roentgens Vorbild zu 
einem ganz persönlichen Stil zu formen. Damit erweist 
er sich als der einzige Vertreter eines ausgesprochenen 
„Style Louis-Seize", wie er nur von ihm in Berlin ver- 
wirklicht wurde, 
ANMERKUNGEN 
1 Justus Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst und 
Gewerbe, Hamburg-Leipzig, 1894, S. 627: „Das Möbel ist in Görliiz 
von den Nachkommen J. G. Fiedier's gekauft." 
7 Die zweite Loosdorfer Kommode stimmt mit dem signierten Stück 
in jeder Beziehung vollkommen überein. - Wieso und wann die bei- 
den Kommoden nach Loosdorf gekommen sind, läßt sich heute 
nicht mehr feststellen. Schloß und Herrschaft Loosdorf waren von 
1732 bis 1810 fürstlich liechtensteinischer Besitz. Der letzte Eigen- 
tümer war der kaiserliche Feldmarschall Johann Fürst Liechten- 
stein (H60 bis 1835), der in den napoleonischen Kriegen eine ent- 
scheidende Rolle spielte und überhaupt zu den bedeutendsten Per- 
sönlichkeiten dieses Geschlechtes zähii. (Oscar Criste, Feldmarschall 
Johannes Fürst von Liechtenstein, Wien, 1935,) Fürst Johannes hatte 
Loosdorf im Jahre 1'181 von seinem Vater als sein privates Eigen- 
tum und Domizil geerbt. Da somit Loosdorf in der für uns wich- 
tigen Zeit, und übrigens auch früher, ständig zum Allocl und nicht 
zu den Majoratsgütern gehörte. scheint es in den Protokollhüchern 
der Majoratshauptkassarechnungen und Herrschaftsakten des fürst- 
lichen Archivs in Wien nur in ganz vereinzelten Fällen auf. Zu 
aller Ungunst der Verhältnisse sind die Akten selbst (Faszikel A71.) 
am Ende des Krieges zugrunde gegangen, Eine weitere Schwierig- 
keit liegt darin, daß sich vom Feldmarschall überhaupt kein per- 
sönlicher schriftlicher Nachlaß erhalten hat. der wahrscheinlich 
auf seine Anordnung hin, nach seinem Tode vernichtet wurde, Aus 
diesen Gründen kann also die Frage, wie die beiden Kommoden nach 
Loosdorf gekommen sind, heute nicht mehr beantwortet werden, wie 
sich auch keine Erklärung daiür findet. weshalb das Schloß und der 
Besitz, für dessen Verschönerung und mustergültlge Verwaltung der 
Fürst viel aufgewendet hatte, mit der gesamten Innenausstattung 
ziemlich unvermittelt und rasch verkauft wurde-Wahrscheinlich 
waren die beiden Kommoden ein königliches Geschenk, und zwar von 
Friedrich Wilhelm llL, an den verdienten Heerführer der verbün- 
deten kaiserliehen Armee. Zu diesen Informationen verhalfen mir 
in ireundliehster Weise Herr Kabinettsdirektor Dr. G. Wilhelm und 
Frl, G. Beyrer von den lürstlichen Sammlungen. denen ich dafür 
meinen aufrichtigsten Dank ausspreehe, - Da!) sich die beiden Kom- 
moden über den Krieg hinweg erhalten haben, ist bloß dem Um- 
stand zu verdanken, daß sie nach Oberösterreich verlagert waren. 
Der Hauptbestand der in Schloß Loosdorf verbliebenen, sehr be- 
achtlichen Einrichtung wurde im Jahre 1945 von Soldaten der 
Roten Armee bis auf wenige Reste dezimiert. 
3 Justus Brinckmann, a. a. 0.: „,..dail dieser Meister Hofiischlcr 
Friedrichs des Großen war, beweist eine am 2. September 1785 
von Friedrich Wilhelm Il. in Berlin vollzogene. im Museum be- 
wahrte Urkunde, die ,den hiesigen Hof-Tischler Fiedler in dieser 
Qualität bestätigt 7 Thieme-Becker. XI, S. 539, erwähnt den Ham- 
burger Sekretär nicht, sondern nennt bloß einen rloftischler Joh. 
Christian (sic) Fiedler in Berlin. 2. Hälfte 1B. Jahrhundert, der lange 
in England arbeitete, und bezieht sich auf Friedrich Nicolai, Be- 
Schreibung der künigl, Residenzstätte Berlin und Potsdam, 1785 lll, 
3. Anh. p. Z8, der seine eingelegten. figürlichen Arbeiten rühmt. - 
Die Signatur am Hamburger Sekretär ist jedoch eindeutig als J. G. 
Fiedler zu lesen. Nicolai hat sich zweifellos im Vornamen geirrt, 
sonst hätte er im i. Anhang seiner Beschreibung (1788), „Nach- 
richten . . . von . den Künstlern . welche . . , in Berlin sich auf- 
gehalten haben im V. Kapitel: Künstler unter König Friedrich lI., 
die nicht mehr lebend, oder nicht mehr in Berlin anwesend sind, 
Von 1740 bis 1785.", - J. G. Fiedler als gestorben oder aus Berlin 
fortgezogen verzeichnen müssen. Daß Fiedler in den wenigen Mu- 
naten his zur Ausstellung der Urkunde gestorben oder von Berlin 
abgewandert Wäre und die Urkunde für Johann Christian F, aus- 
gestellt Worden sei, wird dadurch widerlegt, daß es sich um eine 
 
  
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Bestätigungsurkunde handelt. - Freilich kann diese Angelegenheit 
nur durch Archivforschung restlos geklärt werden. 4 Leider ist in 
keiner der großen Wiener Bibliotheken Nicolais Werk vollständig 
vorhanden. Es war mir daher nicht möglich. die Stelle im 3. Anh. 
p. 2B und die von Walter Stengel. Märkisches Museum. Quellen- 
studien zur Berliner Kuiturgeschichte. Möbel. Berlin, 1949. S. 53 
angegebenen Stellen in Nicoiai. Z. Bd. 573. 833. 854 nachzulesen und 
in dieser Arbeit zu verwerten. - Comte de Salverte. Les Ebenistes 
du XVIII Siecle. l. Aufl.. Paris-Bruxelles. 1923. S. 1125i. kombi- 
niert die Angaben von Brinckmann und Thiemerßecker und gibt 
an. daß Fiedler in Göriitz tätig war. Das geht allerdings aus Brinck- 
manns Mitteilung nicht hervor, die bloß besagt. daß der Schrank 
bei Fledlers Nachkommen in Görlitz gekauft wurde und nicht. 
daß bereits der Meister selbst dort ansässig war. Saivertes Kombi- 
nationen wurden von einigen Autoren übernommen. 
4 Allerdings bildet der Hamburger Schreibschrank eine Ausnahme. 
Doch sind gerade bei diesem typischen Möbel einer Übergangszeit 
für den Aufbau und die Dekoration neben den klassizistischen Ele- 
menten zahlreiche Beminiszenzen an die vergangene oder besser 
gesagt eben aus der Mode kommende Stilrichtung des Rokoko aus- 
schlaggebend verwendet worden. Meisieraledding. Das schone Mö- 
bel im Laufe der Jahrhunderte, Heidelberg. 1958. Text zu Abb. 446. 
hat auf die Verwandtschaft (im Aufbau) mit den wahrscheinlich 
von Knobelsdorif entworfenen Eckschränken in Schloß Charlotten- 
burg hingewiesen (H. Huth. Friderizianische Möbel. Darmstadt. 
1953, Abb. 1D). 
5 Hans l-luth. Abraham und David Roentgen und ihre Ncuwieder 
Möbelwerkstalt. Berlin. 1928. S. 5D. N0. ll. 
i Hans Huth. a. a. 0.. s. 51. No. 3a. s. 51. N0. 5a. 
7 Das bestätigt auch der Hinweis von D. S. MacCoil, siehe Anm. 12. 
5 In Paris hat man vielfach gerahmte Forzellnn- oder Bronzepla- 
ketlen auf Möbeln angebracht. 
'-' F. J. B. Watson. Furniture. Wallace Collection. London, 1955. 
S. 257 (F 521), Abb. Tafel 46. 
w D. S. MacColl. French Eighteenth Century Furniture in the 
Wellace Collection. Burlington Magazine. XLlV. (1924). S. '10 (10. Auf- 
satz einer Reihe). 
1' H. Cescinsky. bekannt durch sein Werk ..English Furnlture of the 
Eighteenth Century. 3. Bde.. London. 1909ä11. 
n MacColl. a. a. O.. XLV. (1924). S. 113. Abb. IA (ll. Aufsatz). 
ß Hans Huth. Roentgen. s. 41. 72. Tafel 111 unten. 
1' Ich hatte Gelegenheit, die Kommode im Frühjahr 19m in Berlin 
zu sehen und bin Frau Dr. Sabine Baumgärtner für ihr freundliches 
Entgegenkommen. ihre Informationen und die Sendung der Fotos 
sehr zu Dank verpflichtet. Die Invcntarnr. 25. 14 ab laßt auf ein 
Pendant schließen. das nicht mehr vorhanden ist. 
ß MacColi, siehe Anm_ 12. Abb. 1a. 
ß Hans Huth. Roentgen. S. 72. 
'7 Die Londoner Kommode unterscheidet sich aber auch in der 
Ausführung der figürlichen Marketerien von den anderen Kom- 
moden. Die Binnenzeichnung der intarsierten Figuren ist weder 
schraffiert noch gemalt. sondern völlig in Holz ausgeführt (lt. 
Schreiben. Wallace C011. vom 3. Oktober 1961. wofür ich hier, sowie 
für die freundliche Überlassung des Fotos Mr. F. Watson meinen 
besten Dank ausspreche). - In diesem einen Fall hat sich also 
Fiedler die Technik Iioentgens zu eigen gemacht. Das erklärt auch. 
weshalb die damit befaliten Autoren bei diesem Möbel auf Ftoent- 
gens Werkstatt und deren Einfluß auf die Berliner Kunsttischler 
hingewiesen haben. 
"l Siehe Anm 6. Für die späteren Lieferungen: Huth. a. a. 0., S. 57. 
N0, 57; S. 5B. N0. 69. 72; S. 53. N0. 78. 
19 Huth. Roentgen. S. 41. 72. Tafel 111 oben.
	        
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