Die llzttiptorte an der Brennerstralle aber beherbcrgten
in ihren Kirchen eine neue, grelle Weise, in Brixen, Neu-
stift, Bozen usw., die Kunst Michael Pachers, Vorklänge
also Älantegnas für Dürer. Wenn er NVerke von Paeher
gesehen hat, so mufl das zu den tiefsten künstlerischen
Erlebnissen gehört haben. die er bis dahin gehabt hat.
Die Frage, ob man Paehensche Lüge in seinem Werk
nachweisen kann, bedürlte erst noch eingehender Klä-
rung.
Mitte Oktober H94- mag Dürer bereits in Venedig ge-
wesen sein, wo er sicher Landsleute vorfand, stand doch.
Nürnberg durch den llandel in enger Verbindung min
Venedig. 1494 war sogar einer der beiden Konsuln der
deutschen Kaufmannschaft im Fondaen dei Tedesehi ein
Nürnberger, jeremias lmhof, 1495 Guido lmhof. Dürer
hat sich in Venedig fleißig umgesehen. Es entstanden
verschiedene Studien, die später in seinem Werk ihren
Niederschlag fanden. lm ganzen läflt sich von dieser er-
sten italienischen Reise Dürers sagen, daß ihm "die ita-
lienische Kunst in ihrer geistigen liinheit nicht näher
gekommen ist. Seine Anteilnahme zielte mehr auf Ko-
stüme, 'l'iere, Akte, Landschaften, überhaupt mehr auf
das grob Inhaltliche als auf die formale Schönheit der
italienischen Vm-stellungsweise. Das Übergreifen des ita-
lienischen Pathos auf eine Kunst, z. B. auf die Apoka-
lypse und Große Pas n nach der Heimkehr. wird nicht
genauer verlolgbai". Dafür zeigt sich ein wichtiger Wan-
del im Teehnischcn: Dürer gibt nun der Pinselarb "t wei-
teren Raum. llr st also in den wenigen Monaten in Ve-
nedig kein anderer geworden. Von einem liinfluß der
gleichzeitigen venezianischen Malerei merkt man bis auf
Einzelheiten gegenstiindlicher Art weniger, als man ver-
muten würde.
Dürer hat wohl nicht die Absicht gehabt, länger als nötig
in Venedig zu bleiben. Sobald in Nürnberg das große
Sterben erloschen war, konnte den jungen deutschen Ma-
ler nichts mehr in Venedig halten. Zu Weihnachten 149-}
War die Gefahr vorüber, aber wenn er auch wollte, er
hätte Venedig nicht sofort verlassen können, solange der
Schnee die Ptflstraßen bedeckte. Auch mußten sich wohl
Gefährten ft die gemeinsame Rückreise finden. l)üret'
war also gezwungen, den Frühling abzuwarten, um
heimzukehrcn.
Auch auf der R ü c k reise entstanden eine ganze Reihe"
herrlicher Landscbaftsstudien, besonders im alten Tirol
vom Gardasec bis Trient. Manche wollten die eine oder
andere dieser Zeichnungen in die zweite italienische
Reise Dürers versetzen, aber alle Versuche, einzelne
Stücke abzuspalten, scheiterten, wie Friedrich XVinkler
klargestellt hat, an der stilistischen Geschlossenheit der
(jruppe. Technik und Farbgebung stimmen in allen
weitgehend tiberein.
4 Areo_ H93. Aquarell und Deeklarlien. Lottvre. Paris.
5 Schlofl Trient. H95. Aquarell. British Museum, London.
ß 'l'rirnt von Norden, 1495. Aquarell und Deekfarben. lzhemals
Kunsthalle Bremen: derzeit verschollen.
7 „'l'riittperg" (S. Apollinire mit Doss 'l'rent0), H95. Aqua-
rell und Decklarben. Museum Hannover.