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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 56 und 57)

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Gewand zugehören und über der Standplattc leicht 
aufstauchen oder seitlich ausschwingen. Diese aus 
Vorbildern des 14. Jahrhunderts entwickelte Ge- 
staltung der Rückseiten ist unter den Schönen 
Madonnen ziemlich verbreitet; in unserem Zusam- 
menhang zeigen sie die Pilsener Madonna, die 
Madonna von Großgmain und eben die Madonna 
im Louvre. 
Als der Louvre diese Figur im Jahre 1889 erwarb, 
gab der Verkäufer „Burgund" als Herkunftsland an. 
Pinder hat diese nicht näher belegte Provenienz 
1923 aufgegriffen und hat mit ihrer Hilfe die „Schö- 
nen Madonnen" aus dem Westen ableiten wollen, 
da ihm östliche Vorbilder nicht greifbar schienen 
(eine Voraussetzung, die freilich inzwischen über- 
holt ist). 
Pinders These einer [Xbleitung der Schönen Mir 
donnen aus dem XVesten setzt also zweierlei voraus: 
daß die Louvre-Madonna tatsächlich aus dem 
Westen stammt und: daß sie älter ist als die „Schönen 
Madonnen" des Ostens und Südens. 
Nun ist die Angabe „Burgunt" als Herkunftsland 
der Louvre-Madonna, vom Händler 1889 dem 
Käufer erteilt, als man so ziemlich jede zweite Figur 
des Weichen Stiles als „burgundisch" bezeichnete, 
derart vage und unbeweisbar, daß sie zum Nachweis 
der Provenienz nicht ernstlich herangezogen werden 
kann. Sie könnte eine stilistische Erkenntnis be- 
kräften, ihr aber nicht mit Widerspruch erfolgreich 
entgegentreten. Schon der Umstand, daß es sich 
um ein Werk aus grauem Gußstein handelt, während 
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von französischen (iußsteinwerken m. W. nirgends 
die Rede ist, steht als Argument gegen Burgund. 
Völlig haltlos wird diese Provenienzangabe aber, 
wenn wir neben die LouvreeMadtmna die Madonna 
Colli!) stellen. 
Bereits der erste Augenschein lehrt, daß die beiden 
Madonnen einander faltengleich sind; sie stehen 
zueinander also im gleichen Verhältnis wie die 
Hallstätter Madonna zu der von Bad Aussec oder 
wie die Wiener Eligiusmadonna zu der vom Prager 
Altstadt-Rathaus. Motivische Unterschiede sind die 
folgenden: die Madonna Colli hat eine Krone von 
einfacher glatter Form mit kurzen Zackenansätzen 
(in Art der Thorner und anderer Schöner Madonnen), 
die Krone ist aus dem gleichen Stück gearbeitet 
wie die übrige Figur; bei der Louvre-Madonna uar 
das nicht der Fall, denn die Krone ist ja verloren. 
Zweitens: Das Kopftuch der Louvre-Madonna fällt 
beidseitig herab wie bei den meisten Schönen 
Madonnen; bei der Madonna Colli ist es ente 
sprechend vielen Vesperbildern vor die Brust 
gelegt, man sieht daher auch keine AgraiTe. 
Ein solches Motiv ist als ausgesprochene Variation 
zu betrachten, die es möglich macht, einen Typ 
mehrfach wiederzugeben, ohne sich sklavisch zu 
wiederholen. (Solche austauschbaren Motive spielen 
im Kunstkreis der Schönen Madonnen und der ihnen 
stilgleichen Vesperbilrler eine erhebliche Rolle.) 
litwas anders ist die Lage des offenbar weniger 
lebhaften Kindes, das bei der Madonna Colli nur an 
den Füßen gehalten wird 4). Die obere Schüsselfalte 
I Schont- Mado 
um 1400 
2 Louvre-Marion 
3 Louvrc-Madoi 
4 Louvre-Marion 
m, Louvrc. Pnri 
i. von halblinkx 
a. von links 
a. Rückansicht
	        
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