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und Burgund 11111 7400
Zur Tupixxeriekunxf in Frnnkrrirlv
Das hötische Leben und die
verfeinerte Kultur des späten Mit-
telalters haben nirgends reichere
Ausgestaltung und schöneren
bildlichen Niederschlag gefunden
als in Frankreich und dem ihm
unmittelbar verbundenen Herzog-
tum Burgund. Zu Architektur,
Plastik, Malerei und Goldschmie-
dekunst trat in der 2. Hälfte
des 14. Jh. die Tapisserie, der
gewirkte Wandteppich, als ein
neuer Bereich künstlerischer Ge-
staltung. Die Anfange der Wir-
kerei liegen in den frühen Epo-
chen der antiken Hochkulturen,
einige wenige erhaltene Beispiele
bezeugen ihre Kenntnis und
Übung in der romanischen Epo-
che des Abendlandes, nun aber
erst begann ihre künstlerisch be-
deutendste Periode, die den Wand-
teppich zum Äquivalent monu-
mentaler Malerei erhob. Die bis
dahin zumeist für einfachere
Gebrauchszwecke verwendete
Wirkarbeit fand in großen Figu-
renreichen Teppichfolgen den An-
schluß an die zeitgenössische Ma-
lerei und wurde zugleich eines
der bevorzugten Ausdrucksmittel
höfischer Prunkentfaltung. Die
Tapisseriemanufakturen von Pa-
ris, Artas und Tournai waren
die ersten Träger dieser neuen
großartigen Entwicklung der Wir-
kerei zur Monumentalkunst, die
den Auftakt zur Geschichte der
europäischen Wandteppiche im
engeren Sinn bilden, die für mehr
als 400 Jahre in Frankreich und
den Niederlanden ihre reichste
künstlerische Entfaltung fand.
Von der 2. Hälfte des 14. Jh. an,
da die Tapisserie als selbständige
und bedeutende künstlerische Aus-
drucksform auftritt, ist sie hier
eine ausgesprochen höfische
Kunstübung. Die ebenso prunklie-
benden wie kunstsinnigen Brüder
König Karls V. von Frankreich
(1364-1380), die Herzöge Lud-
wig von Aniou, Jean de Berry
und Philipp der Kühne von Bur-
gund, waren die ersten großen
Auftraggeber und Förderer der
franco - flämischen Tapisserie-
kunst, die den Wandteppich zum
repräsentativen Zeugnis ihres
Kunstsinnes erhoben. Die enge
Verbindung mit den höI-ischen
Kreisen übte eine tiefgreifende
Wirkung auf die inhaltliche wie
auch formale Entwicklung der
spätgotischen Tapisserien. Nir-
gends sonst erhielten profane
Bildinhalte neben den religiösen
eine so reiche Ausgestaltung, in
keinem anderen Bereich kunst-
handwerklichen Schalfens macht
sich ein stärkerer Einfluß der
richtunggebenden Künstlerper-
sönlichkeiten geltend. Einer leb-
haften Wechselwirkung zwischen
dem Entstehen großer Ateliers
und den umfangreichen Bestel-
lungen der fürstlichen Auftrag-
geber, die deren Aufstieg förder-
ten, in der äußeren Geschichte
entspricht in der künstlerischen
Entwicklung der Tapisserien die
fruchtbare Auseinandersetzung
zwischen Entwurf von Künstler-
hand und technischen Möglich-
keiten, Aufnahme malerischer An-
regungen und der Ausbildung
einer eigenen künstlerischen Ge-
setzlichkeit. Dieses Wechselspiel
bildet das künstlerische Haupt-
problem der Tapisserien vom
letzten Viertel des 14. bis zur
Mitte des 15. Jh.: Am Anfang
steht der völlige Gleichklang zwi-
schen Wandteppich und Malerei,
insbesondere der Miniatur, um
1460 erscheint ein eigener, von
den speziellen Formproblemen der
spätgotischen Tafelmalerei weit-
gehend unabhängiger Tapisserie-
stil voll ausgebildet.
Den Ausgangspunkt dieser glanz-
vollen Entwicklung der franco-
flämischen Bildwirkerei bildet
eines der großartigsten und be-
rühmtesten Werke der Tapisse-
riekunst überhaupt: die Teppiche
der Apokalypse von Angers. In
den Jahren zwischen 1375 und
1379 schuf der Hofmaler König
Karls V. Jean de Bondolf (oder
I-Iennequin de Bruges) im Auf-
trag Herzog Ludwigs von An-
jou die Entwürfe zu 7 riesigen
Teppichen (jeder ca. 5.50 hoch
und 24 m lang), die V in 2 Reihen
übereinander angeordnet 7 ins-
gesamt 90 Bilder aus der Geheimen
Offenbarung des hl. Johannes
und 7 große Einzelliguren ent-
hielten. Diese wurden von dem
bedeutendsten Wirker und Tapis-
seriehändler in Paris, Nicolas Ba-
taille, ausgeführt. Von diesem
riesenhaften Werk sind heute noch
70 Bilder und 8 Fragmente mit
einer Gesamtlänge von ungefähr
100 Metern erhalten (Abb. 1-3).
Der Künstler benützte für die
Entwürfe die Miniaturen mehrerer
Apokalypsenhandschriften des
13. und frühen 14. Jh. als Vor-
lage; vor allem eine Handschrift,
die König Karl V. aus seiner
Bibliothek seinem Bruder eigens
zur Verfügung stellte „pour faire
son tapis", wie eine Eintragung
im königlichen Inventar ver-
merkt (Bibl. Nat. Cod. 403).
In diesem Fall ist historisch
sicher zu belegen, was der Stil
der Tapisserien vor und um
1400 erweist: kleine Handschrif-
tenminiaturen gaben die unmittel-
bare Anregung für die großen
Kompositionen der Wandteppiche.
Die entscheidende Bedeutung der
Miniaturen für die monumentalen
Tapisserien erklärt sich aus dem
völligen Gleichklang aller (ic-
biete der Malerei in dieser Periode.
Dieser machte es möglich, daß
Bilder, die für die Größe von
Buchseiten geschaffen waren, in
ihrer Vergrößerung zu außer-
ordentlich monumentaler Wir-
kung gelangen konnten, denn
ihre künstlerische Gestaltung ist
von einer inneren Größe bestimmt,
die diese Umsetzung in die andere
Bestimmung als Wandteppich
ohne tiefgreifende Veränderung
möglich machte. Weit über die
Abhängigkeit von verschiedenen
Vorlagen hinaus aber bilden diese
Teppiche eine Interpretation der
visionären Bilder der Geheimen
Offenbarung von seltener Ein-
dringlichkeit und Ausdruckskraft.
Trotz genauer uncl reichhaltiger
Interpretation des Textes bleibt
stets die große Bildwirkung ge-
wahrt, ist möglichst auf alles
Beiwerk verzichtet. Die groß-
zügige elegante Zeichnung, die
Gegenüberstellung von reicher
Binnengestaltung mit betontem
Umriß bestimmt die künstlerische
Wirkung. Scharf heben sich die
Figuren und Gruppen in ihren
hellen Tönen von dem von Bild
zu Bild wechselnd blauen und
purpurroten Grund ab. Ein Wol-
kenband oben und ein schmaler
Terrainstreifen als unterer Ab-
schluß kennzeichnen dies Ge-
schehen als „zwischen Himmel
und Erde". In der Gestaltung
des Hintergrundes läßt sich deut-
lich der Fortschritt der Arbeit
erkennen, in dem allmählich die
dekorative Gesamtwirkung der
Teppiche stärkere Berücksichti-
gung fand. In den späteren Tep-
pichen füllen Impresen, Streu-
blumen und Rankenwerk die Fla-
chen des Fonds und binden die
Figuren, deren gleitenden Linien-
fluß der Zeichnung sie fort-
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