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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 58 und 59)

WILHELM MRAZEK Der 
ln der Ausstellung „Romantische 
Glasmalerei in Lnxenburg" werden 
auch mehrere Exponate jener Klein- 
kunst gezeigt, dcr die beiden Künstler 
G. S. Mohn und Anton Kothgasser 
eigentlich ihren Ruhm verdanken. Es 
sind dies die Zylinder- und Ranft- 
bcchcr, die beide mit Ansichten, 
Porträts, Enblcmen der Liebe und 
Freundschaft, Tieren, Blumen und 
sorgfältig gemalten Ornamenten 
schmückten und die hochbegehrte 
Andenken und Geschenkartikel dar- 
stellten. Jeder Fremde mußte einen 
solchen Becher als Souvenir mit- 
bringen, in icdcr Familie von Stand 
und Ansehen mußten solche Gläser 
in der Vitrine stehen. 
Unter den ausgestellten Objekten ist 
ein Dcckelpokal, der durch seine 
Größe (34 cm hoch) und seine reiche 
Bemalung aus dem Rahmen der 
üblichen Produktion Anton Koth- 
gasscrs herausfällt. G. F.. Pazaurek ver- 
tritt die Meinung, daß er aus Anlaß 
der vierten und letzten Vermählung 
des Kaisers Franz entstanden ist. 
Der Pokal, in gotisierenden Schliff- 
formen und überaus reich vergoldet, 
hat an der lnnenwandung der Kuppa 
einen Zettel mit dem Vermerk: 
„Große Vase, reich vergoldet, mit 
einem historisch-allegorischen Ge- 
mälde von Anton Kothgassner in 
Wien, 1330." Damit weist er seine 
Herkunft aus dem Nationalfabriks- 
produktenkabinctt aus, von wo er 
nach Auflösung dieses Institutes in 
das Technische Museum gekommen 
In dem Fabriksproduktenka- 
hinett des Kaisers Ferdinand I. 
wurden jedoch nur die ausgezeich- 
neten Produkte des „vaterländischen 
Kunstfleißes" aufgenommen. Es muß 
sich daher bei unscrcm Pokal um 
eine Arbeit auf Bestellung oder für 
einen besonderen Anlaß handeln. 
Pazaureks Vermutung, daß er zur 
Vermählung des Kaisers Franz ent- 
standen trifft aber unserer 
Meinung nach nicht zu, denn Kaiser 
Franz hat zum letzten Wale im Jahre 
1816 geheiratet. Die Auflösung des 
,,historisch-allegtirischen Gemäldes", 
das rund um die ganze Kuppa- 
wandung gemalt ist, erbrachte zu- 
sammen mit dem nur mehr zum Teil 
lesbaren Gedicht darunter eine xiöllig 
neue Version. 
Diese Ualerei, uelche durch die für 
Kothgasser typische Verwendung 
von reichlichen Flußmitteln leuch- 
tend frisch und glänzend erscheint, 
ist ohne Zweifel nach einem Pro- 
gramm gemalt, das eine ganz be- 
war. 
sei, 
Kairrrpnka! von Anton Kofltguurrrr 
harocke Prinzip der Allusion, der 
Anspielung. 
Der auf einem Thron sitzenden 
Ewigkeit nahen Gcnien mit den 
Opfergaben der ehelichen Liebe: 
Herzen, Tauben und Rosen. In 
einer Art Huldigungszug schließen 
daran die allegorischen Figuren des 
Jugendalters, begleitet von den drei 
Grazien, der Glückseligkeit, der 
Fruchtbarkeit mit dem Horn des Über- 
Husses, der drei Jahreszeiten, Früh- 
ling, Sommer und Herbst mit ihren 
Gaben und der Göttin Hygiea, 
welche die Arzneikunst repräsentiert. 
Das Friedenszcichcn des Regen- 
bogens überwölbt diesen Zug, dessen 
Ahschluß ein Palmcnhain bildet, der 
einen Altarstein mit dem Allianz- 
wappcn Österreichs und Bayerns 
umgibt, auf welchem in einem Nest 
ein junger Phönix sitzt. 
Die Auflösung, die „l)echitfrierung", 
dieser ikonologischen Szenerie ergab, 
daß es sich bei dem zentralen Älotiv 
- der Phönix im Nest dcs mit dem 
österreichisch-bayrischen Wappen ge- 
schmückten Altarsteincs 7 nur um 
eine Anspielung auf die Gchurt des 
Flrzhcrzogs Franz Joseph handeln 
kann, der am 1B. August 1830 ge- 
horcn wurde und dessen liltern der 
zweite Snhn des Kaisers Franz, Erz- 
herzog Franz Karl, und Erzherzogin 
Sophie von Bayern, gewesen sind. 
Hit der Geburt des ersten männ- 
lichen Iinkels war für Kaiser Franz 
der Weiterbestand des llauses Öster- 
reich und der Monarchie gesichert. 
Nach dem Tode dcs Kaisers Franz 
irn Jahre 1835 übernahm zwar sein 
ältester Sohn Ferdinand die Regent- 
schaft, mußte sie aber im Jahre 1848 
an seinen Nelfcn Franz Joseph ab- 
tfCtCn. 
Anton Kothgasser hat dieses Ge- 
burtscreignis im Sinne der Barockzeit 
auf der Wandung der Kuppa aus- 
geführt. Er folgte nicht nur inhalt- 
lich einem Programm, sondern ent- 
nahm auch die einzelnen Figuren 
einem Bildermagazin, das seit dem 
16. Jahrhundert zum eisernen Bestand 
der Maler gehörte: der lkonologie 
dcs Cesare Ripa. Dieses Werk, das 
in allen europäischen Ländern immer 
wieder aufgelegt wurde, hat Koth- 
gasscr für die formale Gestaltung, als 
Vorlage, herangezogen. Wie seine 
Typen mit ihren merkwürdigen Pro- 
portionen und Gesten 
lassen, hat ihm eine der letzten Aus- 
gaben vom Beginn des 19. Jahr- 
hunderts vorgelegen. Vielleicht war 
es die im Österreichischen bluseum 
erkennen 

	        
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