JANA KYBALOVÄ
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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war neben der Wiener Porzellan-
manufaktur die Fayenceerzeugung in l-lolitsch (Holiä) in der Slowakei zweifellos
das größte und erfolgreichste keramische Unternehmen der damaligen österreichisch-
ungarischen Monarchie. Die Wiener Porzellanmanufaktur von Du Paquier, die 1744
in Staatsverwaltung übernommen wurde, stellte das im 18. Jahrhundert begehrteste
und vollkommenste Produkt, das in Europa erst 1709 entdeckte Porzellan, her.
Dessen Erzeugung war jedoch mit bedeutenden technischen und finanziellen Risken
verbunden. Die gleichzeitig gegründete Holitscher Fabrik dagegen erzeugte die
traditionelle und nicht so kostspielige Fayence.
Der Begründer der Holitscher Fabrik, Maria Theresias Gemahl Franz Stephan von
Lothringen, wählte das westslowakische Städtchen, in dem er seit 1736 eine Herr-
schaft besaß, wegen seiner vorteilhaften Bedingungen für sein neues Unternehmen
aus. In der Umgebung von Holitsch blühte nämlich bereits seit linde des 16. Jahr-
hunderts die Erzeugung der Habaner Fayence, so daß neben ausgezeichneten
Töpfererden hier auch ein Reservoir billiger, fachlich geschulter Arbeitskräfte zur
Verfügung stand. In den ersten Jahrzehnten ihrer Produktion erzeugte die Holitscher
Fabrik zahlreiche Arten von Tafelservicen, mit denen sich viele Feudalsitze Mittel-
europas sowie die wohlhabende Bürgerschaft ausstatteten. Auch Luxusgefäße, die
in naturalistischer Ausführung zoomorphe und vegetabile Motive darstellten,
wurden hergestellt. Diese in europäischen und überseeischen Museumsr, Schloß-
und Privatsammlungen verstreuten Gefäße gehören zu den seltenen und viel-
begehrten Sammlungsstücken.
Die direkte Anregung zur Herstellung naturalistischer Gefäße kam aus Straßburg,
von wo Franz Stephan von Lothringen einige Fachleute berufen hatte, aber auch
aus der Fabrik in Höchst, mit der J. Buchwald, ein 1754 vorübergehend in Holitsch
wirkender Maler und Modelleur, den Kontakt vermittelte. Der Gedanke, naturalistisch
geformte Gefäße herzustellen, war allerdings damals in der Kunst keineswegs neu.
Neben den antiken und frühmittelalterlichen Kulturen, in denen Figurale Gefäße
stets mit Kult und Geheimnis in Verbindung standen, war diese Art von Gefäßen
in der deutschen bürgerlichen Kultur der Spätrenaissance, namentlich in den aus
Edelmetallen gefertigten Arbeiten einiger Augsburger und Nürnberger Gold-
schmiedegenerationen um die Wende des 16. Jahrhunderts, sehr verbreitet. In der
Keramik aber muß an die Vorliebe für naturalistisch modellierte Tiere und Pflanzen
im Werk des genialen französischen Renaissancekeramikers Bernard Palissy und
dann auch freilich an die chinesische Keramik erinnert werden. Diese war die Quelle,
aus der nicht nur die Keramik, sondern die europäische Barockkunst überhaupt
mehr als eine Anregung schöpfte.
Allen naturalistischen Holitscher Gefäßen ist, von den größten bis zu den kleinsten,
eine Funktion und eine bildnerische Absicht gemeinsam: Neben ihrer Nutzaufgabe,
die in dem komplizierten Tafelzeremoniell der barocken Festmähler genau abge-
grenzt war, in erster Linie als Schmuck und Attribut des Glanzes der feudalen
Tafel zu dienen. Unter solchen Voraussetzungen waren dem Künstler nahezu una
beschränkte Möglichkeiten zur Entfaltung seiner bildnerischen Phantasie und
technischen Fertigkeit gegeben.
Das älteste Holitscher Erzeugnis dieser Art ist wahrscheinlich die Terrine in Form
eines Kohlkopfs im Kunstgewerbemuseum in Budapest, die mit ihrer Signatur l-l 44
in das Jahr 1744, also in die ersten Anfänge überhaupt, verlegt werden muß. Dabei
haben wir es hier bereits mit einer vollendeten Qualität des Scherbens wie der
Farben zu tun, bei denen in verfließenden Übergängen grünliche und gelbliche
Töne miteinander abwechseln, die mit einer glänzenden, man möchte fast sagen,
einer Lüsterglasur zusammengeßossen sind. Dieselbe Vollkommenheit verrät sich
auch in der Modellierung des Gefäßes, namentlich in den abstehenden Blättern
der Bekrönung, zwischen denen eine birnenartige Frucht die Funktion eines Griffes
ausübt. Terrinen in Gestalt von Kohlköpfen haben sich von allen hier besprochenen
Gefäßen am meisten erhalten, und zwar in Museums- und Schloßsammlungen der
Tschechoslowakei, in einem Exemplar im Österreichischen Museum für angewandte
Kunst in Wien und sicher auch noch an anderen Orten. Ein selteneres Denkmal
stellt ein kreisrundes Gefäß in Gestalt einer Rose dar, das in mehreren Größen
vorkommt und zur Darreichung von Süßigkeiten, als Konfektschale, diente. Sein
Deckel paßt so genau in die purpurn schattierten Blätter hinein, daß wir verstehen
können, warum die Franzosen diese Dinge nles pieces en trompe lioeila nennen.
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