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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 66)

IG N A Z S C H LO S S F. R Jhrrngale - 
Iirxatgizzalerialieu und Ersatglerblzikerl 
Der Begriff des Surrogatcs, des Ersatzes, ist für 
unsere Generation mit kriegerischen Verwicklungen 
und den daraus erwachsenden wirtschaftlichen 
Schwierigkeiten verbunden. Nun, im Kunsthand- 
werk hat es Surrogate, und zwar im weitesten Sinn, 
sowohl in bezug auf Material als auch auf Technik, 
immer schon gegeben. Und die Ursachen dazu? 
Um rascher und billiger erzeugen zu können, oder 
weil man sich aus irgendwelchen (iründen mit 
billigerem Material begnügen mußte. Die Regel, 
die sonst für das Surrogat gilt, daß es selbständig 
werden, sich durchsetzen kann und dann den Cha- 
rakter eines Surrogates verliert, trifft in manchen 
Fällen auch auf das Kunsthandwerk zu; anderseits 
aber waren viele dieser Erscheinungen zu kurzlebig 
um sich durchzusetzen, wie manche Erfindungen, 
die bald wieder in Vergessenheit geraten. 
Einen besonderen Fall von Hartnäckigkeit stellt das 
Bedrucken von Geweben dar; in allen Zeiten, aus 
denen sich Gewebe erhalten haben, hat man neben 
dem Weben, Wirken und Sticken eine Musterung 
auch durch das billigere und einfachere Verfahren 
des Bedruckens angestrebt. 
Nördlich der Alpen war es nur zu begreiflich, daß 
man den mittelalterlichen importierten Seiden- 
geweben einen Ersatz entgegenstellen wollte g 
durch Bedrucken mit bunten Mustern, die man den 
seidenen Geweben entlehnte (Beispiele bei Renate 
Jaques, Mittelalterlicher Textildruck am Rhein; 1950) 
(Abb. 1). Sogar noch im 16. Jahrhundert verfaßt 
Margarete Holzschuher im Katharinenkloster zu 
Nürnberg eine Anleitung fair „Gold- und Silber- 
druck auf Stoffe"; aber auch in ltalien, wo man 
glauben könnte, claß sich der Gedanke an ein 
Surrogat nicht lohnte, schreibt Cennini in Padua 
zu Beginn des 15. Jahrhunderts über „die Kunst 
mit der Form auf Zeug zu malen". 
Am beredtesten sind wohl die großen Beispiele 
aus dem 15. Jahrhundert, die als Antependien, 
Fastentücher und dergleichen dienten und gelegent- 
lich noch handkoloriert waren, Kombinationen aus 
eben vorhandenen Druckstöcken mit oft sinnlosen 
Wiederholungen (Abb. 2). (Neben der Abbildung 
aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg 
auch aus „Kunst um 1400", Nr. 332, Lesepult- 
behang, österreichisch um 1400, und Nr. 333, 
Antependium, Köln, Anfang des 15. Jahrhunderts.) 
Die Geschichte des Zeugdruckes reißt von der 
byzantinischen Zeit an nicht ab. Erst der Einfluß 
der hunt bedruckten Kattune aus lndien weist dem 
europäischen Stoffdruck neue Wege und hebt ihn 
endgültig aus dem Stande eines Surrogates heraus. 
Die Wandbespannungen aus bedrucktem Chintz 
müssen später einem anderen Ersatz weichen, der 
aus China kommenden Papiertapete. 
Die Gräberfunde in Nordafrika haben gezeigt, daß 
von der spätrömischen bis zur islamischen Zeit die 
vornehme Welt mehr oder weniger kunstvoll ge- 
wirkte Einsätze an ihrer Kleidung trug. Hier tritt 
merkwürdigerweise die Seidenweberei als Ersatz 
auf (Abb. 3), eine in ihren Anfangen zweifellos 
künstlerisch unterlegene Massenproduktion. 
Gegen Ausgang des Mittelalters wird es immer mehr 
üblich, die kirchlichen Gewänder mit kostbaren 
Stickereien zu verzieren. Auch dafür hat man bald 
Ersätze geschaffen: die sogenannten Kölner Borten 
im Norden und die Bildwebereien in Italien. Be- 
sonders in Florenz (Abb. 4) hat man im 15. Jahr- 
hundert in langen Streifen kleine Darstellungen aus 
dem Leben Christi gewebt, die Streifen zerschnitten 
und auf die kirchlichen Gewänder appliziert, wobei
	        
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