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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 67)

Bschorer (1692-1764) für den Hochaltar der Pfarrkirche in Eggelstetten geschaffen wurde (ehem. Berlin, Deutsches 
Museum). Bei ihr erscheint an der gleichen Stelle der Mantelinnenseite ein etwas größerer geflügelter Engelputto, 
der sich, wie bei Günther, auch in den ihn umgebenden Mantelbauscb einkuschelt 17). 
Die neu entdeckte Günther-Madonna ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, welche eminent wichtige Rolle die farbige 
Fassung für ein solches Stück spielt, bei dem bildhauerische Form und Farbe untrennbar miteinander verbunden sind. 
Sie erst gibt, wie ll. Kreisel es einmal formulierte, ihm „die endgültige künstlerische Ausdrucknotemß), und wir 
fügen hinzu, auch die großartige Einheitlichkeit, die Geschlossenheit der Gesamterscheinung im Sinne der ldee des 
Gesamtkunstwerkes. Man muß dazu freilich vorausschicken, daß diese Statuette in dem Augenblick, in dem sie im 
Dezember 1962 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde, der Gestalt des Aschenputtcls in dem bekannten deutschen 
Volksmärchen wirklich schr ähnlich schien und nicht - um es mit einiger Überspitzung zu sagen - wie eine Madonna 
aussah. Die bereits abgeschlossene ausgezeichnet gelungene Restaurierung erfolgte durch den bekannten Münchener 
Restaurator Joachim Böhm. Die Statuctrc trug nicht weniger als drei Fassungen übereinander, von denen die oberste 
als die schlechteste am finde des 19. Jahrhunderts entstand und in einer überlackierten Vergoldung auf braunrotem 
Poliment durchgeführt war. Die unmittelbar daruntcrliegende Kreideschicht war an einigen Stellen mehrere Milli- 
meter dick aufgetragen, die die nuancicrte Oberflächengestaltung Günthers mit ihrem feinen Moire-Schnitt sehr 
vemnklärten und auch dem Ausdruck der sensitiven Madonnengestalt förmlich Gewalt antaten. Von besonderem 
Interesse war dann die Konstatierung einer zweiten Fassung, die allem Anschein nach bereits ausgangs des Barock, 
das heißt etwa um 1780 e1790, vorgenommen wurde. Sie zeichnete sich dadurch aus, daß auf gelblich-weißem Poliment 
der Mantel matt-golden und das Kleid mattesilbern gcfaßt waren. Die angeschlossene Metallfolie war mit Fischleim 
überzogen, damit sie das matte Aussehen des geschlagenen Metalls beibehalten und w beim Silber - nicht oxydieren 
sollte. Warum man relativ kurze Zeit nach dem Entstehen der Erstfassung dann die zweite mit Mattgnld und hiattsilber 
darüberlegte, ist kaum mehr mit Sicherheit auszumachen. Möglicherweise war daran der veränderte Zcitgescbmack 
im Sinne des frühen Klassizismus schuld, dem sie zu ungeschlossen, zu bunt oder auch bereits zu „unkirchlich" 
vorkam 19). 
Als Grundierung der originalen Kascin-Tempera-Fassung der Günther-Madonna wurde ein dünn aufgetragcncr 
lichtgrau-weißer Steingrund verwendet, der durch die vor kurzem erfolgte Restaurierung an einigen Stellen in Fr- 
scheinung trat, was durch die bei der Zubereitung der Zweitfassung getroffenen Maßnahmen leicht erklärlich ist. 
Dieser Steinkrcidegrund hat dabei nicht nur die Aufgabe, eine Isolierungsschicht gegenüber der liolzoberHäche zu 
bilden, sondern er ist auch wegen seiner einheitlichen lichtgrauen Tönung eine ideale Basis zum Auftragen der hauch- 
dünnen Farbschichten und ihrer lasierenden Zwischcntönc, die eben das Spezif-ikum einer sorgfältig durchgeführten 
Kasein-Tempcrailbchnik ausmachen. Glücklicherweise sind von der Erstfassung dieser Statuctte so viele originale 
Stellen erhalten geblieben, aus denen man die ursprüngliche Farbgebung sehr gut ablesen kann. Dominant für sie, 
damals wie heute, ist die sehr schöne hell-kobaltblauc Farbgebung des Mantelfutters, die die Gesamterscheinung der 
Figur farbig zusammenbindet, während die nur an einigen Stellen sichtbare Außenseite des Mantels jetzt steingrau ist. 
Von dem hellen Krapprot des Kleides waren dagegen nur noch andeutungsweise Farbspurcn vorhanden, die durch 
vorsichtiges Punktieren und Austupfen in der gleichen Farbe wieder zu Rosa-Nestern zusammengefügt werden konnten, 
so daß trotz der steingraucn Gewandflächcn und Iialtenrücken sich der Rosa-Eindruck in den Gewandvertiefungen 
wieder verstärkte. Der ikonographisch gegebene Farbakkord: hell-kobaltblauer Mantel und hcll-krapprotes Kleid, 
den diese Günther-Madonna hat, ist in eben dieser Farbzusammenstellung mit anderen originalen „Günthcr-Fassungen" 
identisch, die sich bei der knienden lmmakulata in Berlin und bei den Marienf-iguren der beiden Pietät-Gruppen in 
Weyarn (1764) und in seinem großartigen Spätwerk in Nenningen (1774) erhalten haben 10). Sowohl an dem unteren 
Gewandsaum des Kleides wie auch an der unteren Innenseite des flächig ausgebreiteten Mantels der Madonncnstatuette 
waren wie bei der Atteler Madonna und bei den Figuren des südlichen Seitenaltares in Altenhohenau am lnn (1761) 
in dünner pastiglia versilberte Ornamente aufgelegt, deren Motive beim Kleid leicht in den Grund eingraviert sind 1'). 
Am Mantelsaurn gingen sie bei der Grundierung für die Zweitfassung verloren, aber man erkennt die hier ehemals 
aufgelegte feine Spitzcnhordüre mit ihrcn gezacktcn Rändern noch deutlich durch die dunklere, weniger verblaßtc 
Farbschicht und an ihrcn Konturen 11). Ein ganz besonderer Glücksfall war es, daß das lnkarnat des Madonnen- 
gcsichtchens, das des lingclsktapfes und das der feingliedrigen Hände nahezu unversehrt erhalten blieb. Es blieb auch 
ein kleiner Rest von dem llellblau des Bändchens über dem glatt anliegenden hellbraunen Haar der Madonna erhalten, 
das auf seine Weise das Mädchenhaftc dieses Kopfes betont. 
Die in den zartestcn Rokokofarbcn lavierten Werkzeichnungen Ignaz Günthers beweisen es, daß dieser Bildhauer des 
süddeutschen Rokoko seine holzgeschnitzten und später von bedeutenden Faßmalern farbig gefaßten Figuren schon 
bei ihrer Konzeption farbig vor sich stehen sahZ-i). Daraus resultiert aber auch, daß der von uns bereits erwähnte 
„handschriftliche" Stil der Oberfiächengestaltung Günthers offensichtlich den Stil der Farbgebung der dünn aufgetra- 
genen Kascin-Tcmpcraifechnik der Maler für die „Günther-Fassungcn" entscheidend bceinflußte. Sowohl die technische 
Art der Durchführung der Fassung unserer Madonncnstatuette wie auch ihre charakteristische ikonographisch bedingte 
Farbgebung: helles Kobaltblau - helles Krapprot haben mit zwei anderen vor über einem Jahrzehnt freigelegten 
originalen Fassungen von Skulpturen Günthers so viele gemeinsame Züge aufzuweisen, die kaum rein zufälliger 
Natur sind. lis sind dies die beiden bekannten Verkündigung-Mariä- und Pietät-Gruppen in Weyarn 14), für die auf 
Grund einer von uns aufgefundenen Urkunde 15) der Bildhauer den sehr bescheidenen Preis von 124 fl. und der 
Münchener liaßmaler Nikolaus Nepaur 26) den noch wesentlich geringeren Betrag von 50 fl. für beide Stücke im Jahre 
1764 von der Rusenkranzbruderschafr ausbezahlt bekamen. Da wir die hier verbürgtc Zusammenarbeit der beiden 
Münchener Künstler urkundlich auch noch von anderen kirchlichen Ausstattungen her kennen, vermuten wir aus 
guten Gründen, daß sie in gleicher Weise auch für unsere Madonnenstatuette zutrifft, wobei auch der Umstand nicht 
unwichtig erscheint, daß die sicher in München hergestellte Fassung auf einer Figur angebracht ist, die nachweislich 
aus altem Münchener Privatbesitz stammt. 
Die bisher unbekannte Günther-Statuctte ist zugleich ein sehr willkommener neuer Beitrag für die Kenntnis auf dem 
noch wenig bearbeiteten Gebiet der Kasein-Tempcra-Fassung auf Holzüguren des bayerischen Rokoko. 
Wir zweifeln persönlich keinen Augenblick daran, daß Adolf Fculner ; der unvergessene Kenner der Kunst 
des 18. Jahrhunderts und der erste Biograph Ignaz Günthers - für diese neu entdeckte Madonnenstatuctte 
des Münchener Bildhauers und für die dadurch ermöglichte Bereicherung und Erweiterung seines bisher 
erforschten Oeuvres auch die gleiche enthusiastische Beurteilung gefunden hätte, die er vor vielen Jahren 
der ihr zeitlich vorausgegangenen Atteler Immakulata zuteil werden ließ. Von ihr sagte er treffend, sie sei 
das „Urbild zartester Rokokoschünheit" und zugleich „eine der schönsten plastischen Schöpfungen der 
Zeit"l7). Wir schließen mit seinen Vierten, die wir zu den unseren machen möchten: „ich könnte auch 
kein italienisches und kein französisches Werk von gleicher Grazie nennen. Dieses Urteil spreche ich mit 
aller Bewußtheit aus." 
8 
11 Ginvnxxxui Antonio Guardi. Ymmakula 
ö: auf Leinwand, 110 x 97 C 
Ehemak französischer Privatbes 
12 Iguaz (iilnlhcr. Himmelfahrt Mma, m1. 
17m. SlinchinglOpf, Schlußkapc
	        
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