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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 67)

„Vraie Croix", die durch ein beiliegendes Pergament 
bestätigt wird, das 1307 datiert ist. Durch diese 
Kreuzpartikel kommt dem Perpignaner Kreuz auch 
ein ganz besonderer religiöser Wert zu. Wir dürfen 
an ähnliche Beispiele in Österreich erinnern. Das 
Kloster Heiligenkreuz erhält von solch einer Kreuzes- 
reliquie seinen Namemoder das „Melker Kreuz", das 
ein besonderer Schatz des Donauklosters ist 17). 
Wie lange noch in Oberösterreich in einer der oft 
so rätselhaften Strömungen arteigener Renaissance 
das Visionäre Bild Christi am Astkreuz nachwirkt, 
wird durch ein Meßgewand gezeigt. Diese Hoch- 
stickerei des Oberösterreichischen Landesmuseums 
in Linz zeigt nun wirklich einen renaissancehaften, 
durchgearbeiteten Körper Christi an einem Kreuz 
mit Aststummeln hängen (Abb. 10). Im Sinne der 
Lebensbaumsymbnlik ist der Baum grün gehalten 18), 
seine frischen Astnarben sind rot gefarbt und unter- 
streichen so farbensyrnbolisch den Opfertod des 
Erlösers. Noch einmal hat man lieber auf das Bild 
der Altvorderen zurückgegriffen, als daß man sich 
italienischer Renaissanceformcn und -v0rstellungen 
bedient hätte. Die Strahlen des Heiligenscheines 
um das Haupt des Erlösers werden so von Lilien 
gebildet, die seit undenklichen Zeiten das Bild der 
Macht und Herrlichkeit verkörpern, und zwar sowohl 
in der heraldischen Versinnbildlichung wie an alten 
heimischen Türbeschlägen unserer gotischen Kir- 
chenlß). Die Vorstellung des Lignum vitae hat also 
eine zähe Lebenskraft erwiesen, die sich in der 
Volkskunst fast bis in die Gegenwart verfolgen 
läßt. 
Erst wieder in unseren Tagen gemahnt mancher 
Christus an jene Tage der Gotik und ihre mystische 
Schau, in der unser Christus nur eines von vielen 
Leitbildern war, die aus beispielloser Glaubenskraft 
aufbrachen. Doch scheint es, die Zukunft gehört 
erst dem gekrönten, nicht dem „devoten" Christus, 
wie ihn Deutschland Europa geschenkt hat. 
p] 
 
ANMERKUNGEN: 
l) W. Finder. Die deutsche Plastik. WrPOKSÖIITI 1942. S. 95. 96. 
1) 1.. Walk. LebensbaumwKreuzcsstanim. in: Kirchcnkxinsr. 114.9. 213, Wien-Baden 1931, 
S. 35842, 53-57. 
3) Picaso. Dali, Mixe. 
4) Aussrcllungskalalog "Große Kunst du: Mittelalters", Köln, Schnürgen-Muscum. Dort ein 
Pariser Myxrikerkreuz mit Engeln zu Häuprcu. die weinen, und einem. der das Blut zu 
Füßcn mit einem Kelch anfängt V also schon wcscnrlich erweitert! 
5) H. ReinerS. Burgundisch-alemannisrhe Plastik. Straßburg 1943. Abb. 65 und 66. 
ß) H. Bachmann, Gctische Plastik in den Sudetcnländcm vor Peter Parler, llrünnyMünchenr 
Wien 1943. 5.93, Abb. 61. 
v) E. Srhalkhauser. Bayrische Frömmigkeit, Ausstvllungskatnlng, München 11:60, N 206, s. a9, 
und N 203, S. 47. 
i) O. Kastner und B. Ulm, Mittelalterliche Bildwcrkc, Linz 1958, Abb. 6, 7, S. 26. 
o) W. Pindcr, a. a. O., S. wie oben. 
W) W. v. Steinen. Das Wott der frühchristlichen: Kunst in Antaios I, S. 142l3. Der byzan- 
tinischen Smik erwächst ein Gegensatz 7um alten G: tnhcntuin wie zum Abendland. 
1') H. Keller, Giovauni Pisano. Wien 1942, 5.83.84. Er weicht dem Expressionismus rhein- 
lfulqliseher An weitgehendst aus." 
I1) K. Öttinger, Bildende Kunst in Ostcrrt-iclilGotischc Bnchmalerci in Österreich, Baden bei 
Wien 1938, Abb. 63 (Codex 9). 
U) sich: Anm. 7. 
I4) Kl. LiptTert, Symbolnbel, S. 81: Grün bedeutet "Ncugcbnrt". Die Farbe des Kreuzes ist 
schon m: dem 9.111. bei dieser Farbsymbolik. 
I5) P. Thoby. Le CrucitiX. Nanres 1959. S. 179, Ahh. Tafel CXLV. bei etwa 400 Beispielen. 
w) Iskgzlläc, dazu auch H. Wilm. Die gotische Holzfigur. Stuttgart 1942. Ein altes Dokument, 
n) H. Fillitz. Der mittelalterliche Schatz des Stiftes Mulk im Katalog der Melker Barock- 
ausstellung, Wien 1960. 
I!) O. Kzsmer. Eisenkunst im Lande 0b der Enns, Linz 1954, Abb. 6, 17-23. 
LITERATUR: 
H. Bültnet. Meister Eckeharls Schriften und Predigten. 1mm 1921. 
j. K. Huyslnaxxs, Matthias Gxünewnld, Die Cvernäldc, Köln 1959. 
P. jahzn, De devot Christ, Paris 1934, mit der Dulicrung von 152 
R. Kohlhach. Steirisehe Bildhauer, Graz 1956 (Letmerkreuz in St. Lambrcclzr, dar. 1346). 
Michelin Führer, Pyrzinäes. 5.149, mit der Datierung 15.]h. 
O. Schmitl. Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Hd. 1, Snlugart 1937 1151-1161. 
K. v. Spieß. Neun: Matkxteine de! Volkskunst, Der Lcbcnsbaum mit Bildern. 1955. 
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