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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 68)

und wurde schließlich 1385 von Nicolaus Vintler von Bozen und 
seinem Bruder Franz Vintler erworben. Die Herren von Vintler 
stellten die Burg gründlich wieder her, erweiterten sie an der Nord- 
seite durch das sogenannte Sommerhaus, schmückten sie überreich 
mit Wandgemälden aus höfischem Leben, Heldensage, Dichtung, 
Geschichte, Allegorie und Religion und machten sie so zu dem, was 
sie uns heute kultur- und kunstgeschichtlich bedeutet. Auf Runkel- 
stein lebte damals der Vetter der Besitzer, Hans Vintler, und dichtete 
sein großes Lehrgedicht„Die Pluemen der tugent" (1411), und gleich- 
zeitig wirkte als Schloßkaplan der Chronist Heinz Sentlinger von 
München, der hier 1394 die Christherrenchronik, eine Chronik deutscher 
Kaiser, verfaßte. Die Vintler blieben nicht lange im Besitze der Burg. 
Nicolaus starb bereits 1413. Von den ferneren Schicksalen Runkel- 
steins sei nur erwähnt, daß Kaiser Maximilian dem Schloß und seinen 
Wandgemälden ein warmes Interesse entgegenbrachte und die Male- 
reien zwischen 1502 und 1511 durch die Maler Jörg Kölderer, Friedrich 
Pacher und Marx Reichlich restaurieren ließ. Gerettet hat das immer 
mehr verfallende Schloß schließlich Kaiser Franz Joseph, indem er 
es aus eigenen Mitteln vom Wiener Dombaumeister Friedrich von 
Schmidt 1884 bis 1888 in stilgerechte: Weise wiederherstellen ließ 
und die erneuerte Burg 1893 der Stadt Bozen zum Geschenk machte. 
Der Westpalas des Schlosses birgt die frühesten, nach 1385 bis 1400 
entstandenen Wandgemälde. Das irrtümlich so genannte Badezimmer 
im zweiten Stockwerk ist einer der schönsten und besterhaltenen mittel- 
alterlichen Burgräume. Der Gemäldezyklus rings an den Wänden gibt 
nicht „Badeszenen" wieder, sondern eine Vorstellung von (Jauklern 
in dünnen, trikotartigen Geweben, die zusammen mit heimischen und 
exotischen Tieren vor einer höfischen Gesellschaft von Damen und 
Herren, darunter auch die Vintler mit ihrem Wappen, ihre Künste 
zeigen. Hundert Jahre später ist in den Sreinreliefs des Goldenen 
Dachls zu Innsbruck ein ganz ähnliches Ensemble von (iauklern und 
gedachten Zuschauern, unter ihnen Kaiser Maximilian l., nebenein- 
ander dargestellt worden. 
Dieselbe Hand wie im „Badezimmer" war auch im dritten, erst von 
Nicolaus Vintler aufgesetzten Stockwerk des Westpalas tätig. Der 
Turniersaal, so genannt nach der Darstellung an der Südwand, war 
der große Festraum der Burg. Dargestellt sind hier Vergnügungen 
der hötischen Gesellschaft, unter dem Turnierbild z. B. der berühmte 
Reigentanz und das Ballspiel. Die Bordüre über den Bildern zeigt die 
Wappen der sieben Kurfürstentümer und die Wappen sämtlicher 
europäischer Länder, wohl das älteste noch erhaltene Dokument 
gesamteuropäischen BewußtseinsDer neben dem Turniersaal befind- 
liche Raum, die sogenannte Waffen- oder Rüstkammer, bringt, neben 
ähnlichen Halbnguren wie im „Badezimmer", einen großen Reiter- 
kampf. Es handelt sich, was bisher ebenfalls verkannt wurde, um ein 
sogenanntes Kolbenturnier, welche Darstellung auch unter den etwa 
gleichzeitigen, doch derberen Wandgemälden von Lichtenberg vor- 
kommt. Der Meister des Westpalas läßt sich auch sonst in Bozen 
nachweisen: von seiner Hand stammen wahrscheinlich die Wland- 
gemäldereste der jüngeren Dorotheenlegende um 1410 aus der Pfarr- 
kirche, die heute im Museum sind. 
In dem weitgesteckten Ausstattungsprogramm des vielseitig gebildeten 
Nicolaus Vintler durfte auch nicht die historische Kaisergalerie fehlen, 
wie wir sie aus dieser Zeit, in diesem Umfang und in dieser künst- 
lerischen Vollendung sonst nirgends erhalten Enden. Vintler ließ sie, 
beginnend mit den römischen Kaisern, bis zum zeitgenössischen 
Kaiser Sigismund an der Stirnwand der offenen Halle im Erdgeschoß 
seines Sommerhauses in Terraverde-Malerei anbringen. An den Lei- 
bungen der ersten beiden Arkadenbogen sind noch acht allegorische 
Frauengestalten, die sieben freien Künste und die Philosophie, wieder 
in Terraverde, gemalt. Sie gehören zu den künstlerisch wertvollsten 
Wandgemälden der Burg und erinnern, wie auch die Brustbilder der 
Kaisergalerie, an Meister Wenzlaus, der 1415 in der Friedhofskapelle 
zu Riffian bei Meran gemalt hat. Die grüne Bemalung im lnnern der 
Bogenhalle des Sommerhauses ist nur mehr in geringen Spuren vor- 
handen. Es waren, ebenfalls in Terraverde, Szenen aus dem um 1210 
von dem fränkischen Ritter Wirnt von Gravenberg verfaßten Helden- 
roman „Wigalois, der Ritter mit dem Rade". Eine Inschrift über dem 
westlichen Erkerfenster der Halle, bisher nie gelesen, zeigt ein Meister- 
zeichen W, darunter eine Devise „Lib brinngt laid" und den Namen 
W". Sprenng, der wahrscheinlich auf den Maler sämtlicher, im Stil 
8 
s Schloß Runkelsrcin bei Bozen, West Jlas. s. Stock. „Turl-iiersaul" inn den Wandgemlldcn: 
„Tilmier Hotisches Ballspiel - olischcr Reigen". 
äiäsgt-n Borduren ins Wappen a" sieben Kurfirstenlümer und der europäischen Länder. 
4400 
o si-nluß Runkrlsrcin bei Bozen. Westpzlas, a. Stock. Ausschnitt aus dem großen Wandgemälde 
im Tumiersaal "Hofischcr Reigen". isas-uoo
	        
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