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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 68)

einen muschelförrnigen Abschluß tragen. Die Verwandtschaft mit dem 
Seitenportal in Maria Maggiore in Trient (um 1520) und Portalen an 
verschiedenen Palazzi in Trient (Palazzo Madruzzo um 1540, usw.) 
bezeugt die auch urkundlich gesicherte Herkunft Meister Hieronymus 
Longhis von Trient. 
Diesem Portal ist eine zierliche Vorhalle vorgebaut, deren einfaches 
Gewölbe über einen Rundbogen von zwei schlanken jonischen Säulen 
getragen wird. Ähnliche Vorhallen haben im Trentino die Pfarrkirchen 
in Pergine, Cavalese, Pellizzano (1524) und die offene Kapelle des 
„Glesiot" in Livo (1558). Der im Unterbau viereckige, im Oberbau 
achteckige Turm hat ein aus enggestellten Piiastern gebildetes Glocken- 
geschoß, das mit einer geschweiften welschen Haube mit Laterne 
schließt. Dies ist der älteste welsche Turmhelm nach den deutsch- 
gotischen Spitzhelmen in Tirol. 
Im Inneren bildet das Langhaus eine dreischiftige Halle, deren sechs 
Joche von schlanken, rotmarmornen Freisäulen getragen werden, die 
achteckige Sockel und weißmarmorne jonische Kapitelle haben (Abb. 4). 
An den Seitenschitfwänden sitzen die Gewölbe auf kapitellartigen 
Konsolen auf, die flachen Pilaster stammen aus dem 18. jahrhundert. 
Die Gewölbe wurden um 1700 der Rippen beraubt und mit Stukkaturen 
versehen. Ein Stich von 1614 gibt noch die alten Rippenführungen 
wieder, die im Mittelschiff ein Rautennetz nach dem Muster der 
Schwazer Franziskanerkirche bildeten (Abb. 1). Ein Vergleich mit 
dem erhaltenen Stich der Heiligkreuzkirche in Augsburg (1502 von 
Hans Englberg erbaut, 1716 barockisiert, 1944 zum Großteil zerstört) 
zeigt, daß die Augsburger Kirche tatsächlich das Vorbild der lnns- 
brucker Hofkirche war (Abb. 2). Neben den zahlreichen urkundlichen 
Hinweisen zeigt der Stilvergleich die gleichen Rundsäulen auf acht- 
eckigen Sockeln, die eigenartige Fensterstellung (auf der einen Seite 
durchgehende, auf der anderen Seite Halbfenster), die Konsolen der 
SeitenschifTe und die Rautennetzgewölbe. In Augsburg treten auch die 
Renaissancemerkmale an den Säulenkapitellen schon früher auf 
(St. Katharina, 1516f17 von Hans Hieber). 
Der Augsburger Eini-iuß als beherrschendes Element der lnnsbrucker 
Hofkirche ist einwandfrei gesichert. Der Planschöpfer ist wahr- 
scheinlich der Augsburger Meister Jörg Vetter. Auch der 1556 und 
1558 zu Gutachten herangezogene Augsburger Meister Bernhard 
Zwitzel dürfte den Bau beeinflußt haben (1526[7O tätig). Er hatte 
seit dem Umbau der Residenz in Landshut 1536 einen guten Namen. 
Das Nordjoch der Hofkirche zu Innsbruck trägt eine auf zwei Rund- 
säulen ruhende Empore, deren Rippengevrölbe noch erhalten ist. Das 
südliche Langhausjoch wird vom Lettner ausgefüllt, einem an die 
Freipfeiler angelehnten, auf drei Bögen ruhenden Gang, der die Orgel 
tragt. Auch das Rippengewölbe dieses Ganges blieb von der Barocki- 
sierung verschont. Interessanterweise gleicht dieser Orgellettner genau 
demjenigen, den die Augsburger Heiligkreuzkirche hatte. 
Der einschiffige Chor ist stärker barockisiert, so daß wenig vom alten 
Zustand übrigblieb. Schon viel früher entstand mit der Srbußaaer 
Frangixleanerkirrbe (1508f15) eine ältere und elegantere Schwester der 
lnnsbrucker Hofkirche von gleicher Augsburger Herkunft (Abb. 6). 
Ihr Erbauer Christof Reichartinger hat den Bau nicht ohne Kenntnis 
der Augsburger Heiligkreuzkirche ausgeführt. Wenn die lnnsbrucker 
Hofkirche auch keine besondere Raumschöpfung darstellt, so bedeutet 
ihr Bau um 1550f60 doch ein Hauptwerk jenes Mischstiles zwischen 
Gotik und Renaissance, zugleich das letzte, an dem trotz Mitwirkung 
welscher Meister der deutsche Einfluß dominierte und die alte An- 
ziehungskraft von Augsburg sich bewährte. Augsburg war ia das 
bedeutendste Zentrum der deutschen Renaissance. Die tirolische 
Kunst um 1550 stand zwischen dem süddeutschen Augsburg und dem 
welschen Trient, wobei das Wort „welsch" im damaligen Sprach- 
gebrauch für die künstlerisch fruchtbaren Gebiete des südlichen Alpen- 
randes, vor allem die Gegend des Comnsees, angewandt wurde. Die 
Meister vom Comosee fanden aus ihrer konservativen Gesinnung 
heraus die Synthese zwischen lombardischer Renaissance und deutscher 
Gotik. Ein wichtiges Zeugnis dieser Mischkunst ist die lnnsbrucker 
Hofkirche. 
L i T ERAT U R t 
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