ganzen Bildes auch schwer feststellbar, dennoch ist nicht ausgeschlossen,
daß hier nicht ein beliebiges Regentenpaar, sondern Kaiser Karl Vl.
und seine jugendliche Tochter Maria Theresia, deren Nachfolge 1734
schon feststand, dargestellt werden sollte. Es ist nun immerhin interes-
sant zu bemerken, daß in einer Zeit, in der die Kaiserapotheose oder
zumindest die Huldigung an das Kaiserpaar zu den festumrissenen
Bildthemen der großen staatlichen und selbst kirchlichen Repräsen-
tationsräume gehörte, im Festsaal des 'l"iroler Landhauses diese
Huldigung nur in einer Nebengruppe angedeutet wird. Programm und
Komposition des ganzen Deckenbildes lassen deutlich den Willen der
Auftraggeber, also der Landstände, erkennen, sich selbst und das
eigene XWalten im eigenen Land verherrlicht zu sehen.
Der politische Hintergrund derartiger Themen wird noch deutlicher,
wenn es sich um einen so offiziellen und von einem so geschulten
Meister ausgeführten Auftrag handelt, wie es bei der Ausmalung des
Riesensaales der Innsbrucker Hofburg durch Franz Anton Maulbertsch
1775[76 der Fall wars). Das zentralistisch-absolutistische Denken war
im Lauf des 18. Jahrhunderts immer weiter ausgebildet worden und
hatte sich auch auf die verfassungsmäßige Stellung der Länder innerhalb
des österreichischen Gesamtstaates ausgewirkt: die Entmachtung der
Landstände und die Verschmelzung der Landesbehörden mit staat-
lichen Verwaltungsorganen (in Tirol 1763 durchgeführt) sind Zeugen
dieser Entwicklung.
Für Tirol war die Situation besonders schwierig: heftiger Widerstand
erhob sich gegen den Verlust der alten Selbständigkeit. Um so wichtiger
war es, die seit jeher im Lande wurzelnde Anhänglichkeit an das Herr-
scherhaus wachzuhalten und zu pflegen. Mitten in diese Probleme
hinein scheint nun das Programm zu führen, das für die Ausmalung
des neuerrichteten Reprasentationssaales der lnnsbrucker Hofburg
zusammengestellt wurde. Wer als sein Urheber zu gelten hat, steht
nicht mit Sicherheit fest. Der erhaltenen Korrespondenz zufolge war
in maßgeblicher Weise der kaiserliche Akademiedirektor Josef von
Spergs, ein gebürtiger Tiroler, daran beteiligt, auch die Kaiserin selbst
nahm daran lebhaften Anteil. Ob freilich die Briefstellen, in denen sie
die beiden Medaillons als ihre Erfindung bezeichnet, auf die beiden
seitlichen Fresken zu beziehen sind und nicht nur auf die Rundbilder
mit Szenen aus den Türkenkriegen, mag bezweifelt werden.
lrn Mittelfresko war die „Triumphierende Verbindung der aller-
durchlauchtigsten Häuser der Erzherzoglichen von Oesterreich und
Herzoglichen von Lothringen" dargestellt, ein Thema von durchaus
aktueller Bedeutung.
Mit dem ganzen Schmelz und der Farbigkeit der genialen Kunst
Maulbertsch' wurden den Tirolern der Glanz des Herrscherhauses,
die Heldentaten und die Früchte des segensreichen Regimes und der
Triumph universalen Kaisertums eindrücklich vor Augen gehalten.
Die Vereinigung der beiden Häuser wurde nun aber nicht mit den
Personen der Kaiserin Maria Theresia und ihres Gernahls Franz von
Lothringen vorgestellt, sondern mit Herzog Karl Vl. von Lothringen
und Eleonore Maria von Österreich, den Großeltern des Kaisers.
Dies hatte seine besonderen Gründe: von 1679 bis 1690 hatte Karl
von Lothringen in Tirol als Gubernator regiert und war zusammen
mit seiner frommen und wohltätigen Gemahlin den Tirolern noch
in guter Erinnerung. Mit dieser Darstellung wollte man also wohl
den Tirolern entgegenkommen: zugleich ließ sich dadurch die Tatsache
verschleiern, daß die österreichische und damit tirolische Dynastie
seit Karl Vl. im Mannesstamrn erloschen war, und das neue Herrscher-
haus Lothringen in einer an die Tradition anknüpfenden, unverbind-
lichen Weise einführen (Abb. 4).
Ohne hier auf Einzelheiten des Bildes einzugehen, sei auf die bezeich-
nende Anderung hingewiesen, die sich gegenüber dem Fresko des
Landtagsaales feststellen läßt: an Stelle des T riumphes der Landstande
tritt hier die um vieles gewaltigere Verherrlichung des Fürstenhauses.
Nur mehr eine sehr allgemeine Allegorie weist auf die Länderregierung,
das „Gouvernement", hin: neben dem Triumphwagen schreitet eine
weibliche Gestalt mit einem Liktorenbündel, und nur der kleine Putto
mit dem Tiroler Adler ist das Zugeständnis an die tirolischen Ver-
hältnisse (Abb. 5).
Die beiden Seitenbilder stellen die Regalien des Landes Tirol vor,
die, wie es in der Erklärung heißt, „bey diesem Triumph-Fest zum
Opfer dargebracht werden". Auch hier also deutlich die Absicht, das
Land mit all seinen Reichtümern in den allgemeinen Ruhm einzubeziehen
und zum großen Triumph des Reiches beitragen zu lassen. I
stellung der Landesgüter ist nun aber von einer solchen
Ursprünglichkeit und Geschlossenheit, daß daraus zugleich
überzeugender Lobgesang Tirols wurde, der auch die föderal
Zeitgenossen versöhnt haben muß (Abb. 6-8).
Das Bild des von der Natur reich gesegneten Landes und seiner
Bewohnerschaft entrollt sich in einfachen, leicht verständlicher
vor dem Hintergrund einer friedlichen Alpenlandschaft u1
heiteren Himmels. Allegorien sind sehr sparsam verwendet,
vielen bereitet sich das Bauernbild des 19. Jahrhunderts vt
bestimmte inhaltliche Trennung der beiden Fresken ist nit
zustellen und wird auch in der Beschreibung nicht erwähnt. H1
wird man sagen können, daß auf dem südseitigen Deckenspie;
die Schätze der Natur und Erträgnisse des Bodens und ihr '
landesfürstliche Regalien vorgezeigt werden, auf der Südseitc 1
auf die Früchte der menschlichen Betätigung, auf Handel ur
schaft hingewiesen wird. Die meisten der uns schon bekannt
stellungen finden sich, wenn auch in weit ausführlicherer Form,
die schon den merkantilistischen Geist des neuen Zeitalter
läßt. Aus der Gegenüberstellung ließe sich beinahe eine kleit
schaftsgeschichte Tirols ablesen. Auffallt etwa die geringe Bei
die das Bergwerkswesen gegenüber früher Endet, auch das Mü
wird gleichwertig neben anderen Einkünften, etwa denen a1
Wirtschaft und Obsthandel, erwähnt. Auf Handel und Verkehr h
wird in mehreren Gruppen hingewiesen, die aber immer ni
eine bescheidene Vorahnung späterer Zeiten anmuten; Ja
GeHügel und Fischerei haben ihren gewohnten Platz, der An
Maises und die Verwertung der XVolle ist nicht vergessen; 2
Nutzbarkeit des Wassers ist wieder erwähnt. Es sind aber auff:
weise lnn und Sill, nicht mehr lnn und Etsch, die die Tirole
in der Person eines Wassermanns und einer Nixe vorstellen. Zu
werden sie in der Beschreibung unter diesen Namen geführ
licherweise paßte das Bild der Sill besser in die Schilderung de
reichtums und der Flößerei, die in ihren Gewässern dargestellt
Wie sich das 19. Jahrhundert die Verteilung der Landesgüter v0
hat, läßt sich auf einer sehr originellen Darstellung9) verfolgen,
der großen Erbhuldigungsfeier des Jahres 1838 in Zusamn
steht. Wenn auch die rechtliche Bedeutung dieser Erbhuldig
der Annahme des neuen Herrschers durch das Land damals g
mehr zur Debatte stand, wurde die Anwesenheit des Kaisers
dennoch mit allem verfügbaren Pomp gefeiert. Der Maler
Gurk (1801-1841) hat die entscheidenden Szenen in einer F0
80 höchst amüsanten Aquarellbildern festgehalten. Zwei davo1
laut Titel die „Überreichung der Tiroler Natur- und Kunstp
durch Individuen in der herkömmlichen Landestracht der w
denen Täler" vor und beziehen sich also auf einen Punkt d
programms, der wiederum eine Zurschaustellung der eigenen
mit einer Huldigung an den neuen Landesfürsten verband.
Die Vertreter folgender Orte und Täler werden genannt: l
Pfafflar (Lechtal), Ötztal, Bürgitz (: Birgitz bei Innsbruck),
Dux (: Tux), Zillertal, Kufstein, Pustertal, Geiss (I Gais bei B1
Kastelrurh, St. Leonhard in Passeier, Taufers, Cavalese, A1
Trento (: Trient), Rovereto, Torbolli (: Torbole am Ga
Pievetesino.
Verglichen mit dem bunten Gemisch von Allegorien und lt
Bildern, das die früheren Darstellungen brachten, scheint die 1
Aneinanderreihung von Trachtenfiguren, die der Reihe na-
Gaben vorlegten, etwas lehrhaft und trocken. Auf den Aqi
sind aber durch das Geschick des Malers der große farbige Reiz
heitere Wärme festgehalten worden, die eine solche Versar
der tirolischen Talschaften für den Beschauer gehabt haben mui
An Stelle solcher bildlicher Zusammenfassungen sind später Ges-
wissenschaft, Volks- und Landeskunde getreten, um auf ihre
den Reichtum des Landes darzustellen.
ANMERKUNGEN:
I) (istcrrcichisrhe Nationalbibliothek wit-tt. l{andschriftcnsailunlung, Codex 305.1.
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s) c. Egg. Ein Triumphbogen vom Tiroler Bergbau. In: o" Anschnitt. _lg.12, 19m.
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ß) K. Garas. mttz Anton Maulbertsch. Buda ttt 1960. s. 110m
s) Privatbcsirz Südtirol. Maße durchschuittlic büwäücm.