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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 68)

Figur des Vordergrundes mit der phrygischen Kappe und der gefühl- 
vollen Geste in das Ganze hineinkommt. Auf die Problematik der 
Datierung des Blattes, die mit der des Stiches Jacopo Caraglios „Die 
Vermählung Mariae" nach einem Entwurf Parmigianinoslö) eng 
zusammenhängt, kann hier nicht eingegangen werden, doch könnte 
sich herausstellen, daß beide Werke schon nach 1527 in Bologna 
entstanden sind. 
Wiederum kannten Mariette, Bartsch und Copertini nur eine täuschend 
ähnliche KopieW), während Pittaluga ein schönes Exemplar des 
Originals in den Uffizien abbildet. Die Albertina. besitzt davon sogar 
einen bisher unbeschriebenen frühen Probedruck, der hier reproduziert 
ist (Abb. S), bei dem der Rücken des anbetenden Hirten noch fast 
weiß gelassen und nur mit wenigen Strichen modelliert ist. Erst im 
zweiten Zustand werden die feinen, zum Teil lang durchgezogenen 
Schrai-fen und einige Striche in der Kappe des Hirten im Vordergrund 
zugefügt. 
Auch die beiden Grablegungsradierungenlö) (Abb. 6 und 7), die 
unzählige Male kopiert wurden, aber nie in täuschender Absicht, 
wie die erwähnten anderen Blätter, erfuhren in der Kritik dennoch 
ein wechselvolles Schicksal. Wieder irrte sich Bartsch, der auch hier 
auf Mariette fußte, und schrieb das eine Exemplar (Abb. 7) dem Guido 
Reni zu, der das Blatt kopiert hatte. Zani19) entdeckte dann das Blatt 
Renis und gab Parmigianino die Radierung zurück, schied aber die 
andere von Bartsch anerkannte (Abb. 6) aus dem Werk des Meisters 
aus. Copertini folgte Zanilß), während Fröhlich-Rum und Wilde bei 
dem von Bartsch anerkannten Blatt blieben 21). Wir dagegen möchten 
annehmen, daß beide Blätter echt sind und Parmigianino in der späteren 
rein radierten und kompositionell wie inhaltlich vollendeten Fassung 
(Abb. 6) seine frühere, in vielen Stellen unklarere, noch viel mit Kalt- 
nadel retuschierte, wesentlich weniger geschlossene Version verbessern 
wollte. Man beachte nur, wie erst in der zweiten Fassung die große 
stehende Männergestalt durch die Geste, mit der sie die Dornenkrone 
über den jugendlich strahlenden Leib Christi erhebt, einen Sinn be- 
kommt, die die Gestalt der ersten Version nicht besitzt, die ursprüng- 
lich eine der Trägerhguren in einer früheren gezeichneten Grabtragung 
warll), aus der die Komposition herauswuchs. Erst in der zweiten 
Fassung erhält die Radierung die formale Kraft und Vollkommenheit 
von Parmigianinos Bildern und vielen seiner Radierungen. Erst hier 
kommt zu der tiefen gefühlvollen Stimmung die vornehme Eleganz 
und Strenge dazu, die die Darstellung in eine dem Meister durchaus 
eigene Welt entrückt. 
Der Stil der beiden Blätter mit den oft geometrisch umschriebenen 
Körpern, bei denen die Konturierung vielfach vermieden wird und 
nur aus den Hell-Dunkel-Gegensätzen heraus entsteht, mit den relativ 
lockeren, freien Schrai-fenlagen, die nur selten ins Runde schwingen, 
steht Parmigianinos späterem Zeichenstil so nahe, daß diese Werke 
mit wenigen anderen wohl zu den letzten Radierungen zu zählen 
sein werden, wenn auch der zeitliche Abstand von den anderen nicht 
groß sein kann. 
Schon Wilde hatte mit wenigen Ausnahmen die meisten Radierungen 
Parmigianinos zeitmäßig zusammengerückt, wenn auch in weitgehend 
anderer Gruppierung. Selbst biographisch scheint eine Entstehung 
einer relativ kleinen Anzahl von Werken einer Gattung in einer ge- 
schlossenen Periode, wie etwa Parmigianinos vier Jahre in Bologna 
(von 1527 bis etwa 1531) eher wahrscheinlich als eine Datierung 
der einzelnen Werke in weit voneinander entfernte Zeiträume, wie 
Copertini das annahm. Nicht alle Blätter konnten behandelt werden. 
Auch von der frühen kleinen Madonnaß) besteht eine täuschend 
ähnliche Kopie, keine ist mir bisher vom Jakobus 14), von der Judith Z5) 
und der sogenannten hl. Thais 1b), besser der hl. Magdalena, wie auch 
von dem besonders schönen Blatt mit den beiden Liebenden in der 
Landschaft 17) bekannt geworden. Die Kopie Renis nach dem hl. Phi- 
lippus ist in der Albertina nur ein späterer Abzug des Originalslß). 
Problematisch bleiben die Heilung des Lahmen durch Petrus und 
Paulus 29) und die sogenannte Astrologie 30), die Wilde mit recht ein- 
leuchtenden Gründen aus dem Oeuvre Parmigianinos ausschied. 
So müssen unsere Ausführungen Andeutungen bleiben zu den Proble- 
men, die das radierte Werk des großen Parmenser Meisters noch 
bietet. Erst wenn also wirklich überall Original und Kopie in seinem 
Werk eindeutig geschieden sein werden, kann man versuchen, sich ein 
klares Bild von seinen Leistungen zu bilden. 
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1. m- Grablrgilng (Ihnm. WICH, Allmtmn 
7 Die Crnbltgiulg t 1mm. Wien, Allwcruna 

	        
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