Die endgültige Übergabe des Landes Tirol an Rudolf den Stifter von
Österreich durch Margarethe Maultasch wurde am 29. September
1363 - also vor 600 Jahren - auf der Burg Tirol, der alten Residenz
der Landesfürsten, beurkundet.
Von der Burg, die seit Ende des 16. Jahrhunderts meist das „fürst-
liche Hauptschloß Tirol" genannt wird, stehen heute noch der Berg-
frit und der Kapellentrakt, während das sogenannte „Mushaus", das den
Landesfürsten als Wohnung diente, infolge des schlechten Grundes,
auf dem es stand, seit dem 16. Jahrhundert immer mehr in die Tiefe
stürzte und 1641 fast ganz abgetragen werden mußtel).
Uns interessiert in diesem Zusammenhang aber der Kapellentrakt,
der durch den Burghof von der übrigen Burg getrennt, gegen das Tal
hinaus gebaut wurde. Die im 12. Jahrhundert erbaute, dem hl. Pan-
kratius geweihte Doppelkapelle und der große, vor ihr liegende Saal
sind durch ihre beiden prächtigen romanischen Portale bekannt. Die Wän-
de der Kapelle schmücken Wandgemälde, die unter der Regierung König
Heinrichs, des Vaters der Margarethe Maultasch, um 1320 geschaifen
wurden. Die Herzöge Leopold lll. und Albrecht III. von Österreich
stifteten dann um 1370 den Marienaltar, der als ältester erhaltener
Flügelaltar des Alpenraumes berühmt ist und voriges Jahr in der
Ausstellung „Europäische Kunst um 14-00" in Wien zu sehen war.
Heuer wird der Altar als glanzvolle Dokumentation der Vereinigung
Tirols mit Österreich in der Innsbrucker Hofburg gezeigt.
Das Untergerrbaß dieses Kapellen- und Saaltraktes, in das man vom
Burghof aus über einige Stufen hinabsteigt, diente höchstwahr-
scheinlich ursprünglich als landesfürstliche Grujt. Da aber Meinhard II.
von (iörz-Tirol 1284 die in Schloß Tirol beigesetzten Gebeine seiner
Vorfahren aus den Häusern Tirol und Görz-Tirol nach Vollendung
einer neuen landesfürstlichen Gruft im Zisterzienserstift Stams heben
und nach Nordtirol übertragen ließ, stand das Untergeschoß des
Tiroler Kapellentraktes für andere Verwendung frei 2).
Nun taucht in einem Inventar vom 10. Februar 1532, das anläßlich
der Übergabe des Schlosses Tirol an den Landeshauptmann an der
Etsch und Burggrafen zu Tirol, Leonhard Freiherrn von Vels, auf-
gestellt wird, das erstemal eine umfangreiche Sammlung von Gegen-
standen auf, die in den sogenannten „Ternpeln" des Schlosses auf-
bewahrt wird 1). Dieses Inventar zeigt das bunte Gemisch der fürstlichen
Schatzkammern des Mittelalters, das neben kostbaren Stücken und Waffen
allerhand belangloses Zeug und auch absonderliche Stücke nennt, deren
Bedeutung uns heute nicht mehr verständlich ist. Da es sich aber dabei
um die Reste der ältesten Schatzkammer der Tiroler Landesfürsten
handelt, die, überstrahlt von der Pracht und dem Reichtum der
Ambraser Sammlung, vollkommen in Vergessenheit geraten ist, ver-
dient sie als kulturhistorisch bedeutsames Dokument wenigstens aus-
zugsweise veröffentlicht zu werden.
Im „undern templ" wird zunächst eine Reihe aus Maserholz gedrech-
selter Trinkgefäße angeführt, die in Truhen verwahrt sind4). Ihre
Fassung (Griffe, Fiiße und Beschlag) ist aus vergoldetem Silber
gearbeitet. Meistens sind es „Hadern köpff", die mit einem Deckel
(„luckh") geschlossen sind. Die interessantesten Trinkgefäße sind:
„. . . ain ßudern Kopf mit einen; uergulten fraß. ainer Ilffglllltll bandflmb
und auf dem lnrkb ain nergulle Crändl dar Inn S. johanr Enangelirf piltnuß
gerrbrnelrgt. ' '
„nin jiadern mit nimm aurgexlarben rilbern vergullen fueß. ain uergulle
hundthah ainern Tnurn gleirh forrnierl daran Örterreirh gerrbrnelrgt."
„ain fiadern rrbnlen darrzue ain fuetteral. mit ainem vergriffen fmß, daran
ellizh rrergnll lzilder. Anal? dar Innen ain Roler nhilt rnil {wem Virrhen."
„ain jlazlern Sinai. dar Inn ain griener rrbilt. ain plaher rtricb dardurrh und
nin uergnlle Hannzllhab. ain n: und ain Crbndl darauf gerrhmelrzl."
Maserholzbecher zählten zu den ältesten mittelalterlichen Trink-
gefäßen 5). Das in der ersterwähnten Trinkschale beschriebene Wappen
ist jenes der Grafen von Piirt (- Ferette im Elsaß). Das Trinkgefäß
stammt somit von der 1351 verstorbenen Johanna von PHrt, der
Mutter Rudolf des Stifters und der Herzöge Leopold und Albrecht,
deren Stifterporträts wir an den Flügeln des Schloß Tiroler Altars
finden.
Ein weiteres Stück, das Beziehungen zum Haus Österreich aufweist,
wird im Übergangsprotokoll von 1532 wie folgt beschrieben:
„ain rrliwnrßge Jllllfl dar Innen ain wurrql m argfljerlgqg lojpaltrgrah_gewnrbren
roll rein."
Die Frage, welcher Herzog Leopold dabei gemeint ist, löst ein anderes,
1617 verfaßtes Inventar 5), in dem es heißt:
„ein pluelnb ra auf Hrrgug Leopald: Wahlrlal gwaxn rolle rein."
Damit ist eindeutig bestimmt, daß das Schlachtfeld von Sempach
gemeint ist, auf dem Leopold III. 1386 sein Leben ließ. Daß in Schloß
Tirol die Erinnerung an diesen Landesfürsten sehr gepflegt wurde,
geht auch daraus hervor, daß Herzog Friedrich (mit der leeren Tasche)
1433 „auf meins herrn vater Herzog leupolts jartag" in die Burgkapelle
einen goldenen Kelch mit zwei Patenen spendete7).
Groß ist die Zahl von Waffen aller Art, die in den Tempeln aufgehoben
wird. 102 Armbrüste mit Hornbögen und viele mit Krappen versehene
Gürtel, also Spannvorrichtungen, wie sie zu frühen Armbrüsten
verwendet wurden, müssen spätestens dem 15. Jahrhundert angehört
haben. Dazu gehören 21 „alt fränckhisch" Köcher. Mit den 23, mit
Leder bezogenen und mit Nägeln beschlagenen „Harnasch" dürften
noch Lendner des 14. Jahrhunderts gemeint sein und nicht spätere
Korazine, da an einer anderen Stelle des Inventars vermerkt ist, daß
dort fünf „correczin" an Stangen hängen. Auch etliche „alt harnasch",
Tartschen, Helmelin, ein moskowitischer Sattel und viele, teils ver-
goldete Sporen und 17 Fahnen waren teils in Truhen verwahrt, teils in
den Tempeln aufgehängt. Ein „messin Sporen" und ein „prust
plechl" waren mit einem Zettel versehen, der wohl einst deren
Bedeutung erklärte.
Rätselhaft ist, was für eine Bewandtnis es mit einem langen, groben,
weißen Hemd hatte, das beiderseits ein weißes Kreuz zeigte. Ebenso
sind es die 188 „Kreiden Kreuz", die in einer Truhe liegen. Unklar
ist schließlich, was unter dem „alt Tirol pannzer mitsambt seiner
zuegehör" gemeint sein kann, der 1532 allerdings nicht im Tempel,
sondern im Saal vor der Gesellenstube aufgehoben wird.
Das Inventar der Tempel von 1532 zählt noch viele andere Dinge auf.
Da manche Posten nur summarisch alte, große Truhen nennen, in
denen meist wiederum viele kleine Truhen liegen, ist es möglich, daß
diese andere wertvolle Gegenstände enthielten. Allerdings lautet eine
Eintragung: „Mer aindliiT groß und clain allt truhen. In etlichen alter
plunder."
3