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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 68)

OTTO LUTTEROTTI 
Profane 
Wandmalerei de: Älfittelalter; in Südtirol 
Prrgf. Linux BirrlJlrr, Zürich, {um 70. Ccburlxlag 
am Z4. April mit ljerglirbcn [Vämcben gugeezgnel! 
Der einzigartige Anteil Tirols, besonders Siidtirols, an der mittel- 
alterlichen Wandmalerei tritt immer klarer in die kunstgeschichtliche 
Erkenntnis. ln einer Fülle und Lückenlosigkeit wie sonst nirgends 
auf so eng umgrenztem Boden führt die Reihe, anhebend mit den 
rorkarolingischen Wandgemälden in St. Prokulus in Naturns, den 
katolingischen in St. Benedikt in Mals im Vintschgau über die monu- 
mentalen romanischen Malereien der Burgkapelle von Hocheppan zu 
den vielen gotischen Wandgemälden in der Gegend von Brixen, 
Bozen und Meran. 
Neben diesen sakralen Denkmälern bietet Südtirol aber auch die 
reichste Ernte der höl-ischen Profanmalerei des Mittelalters. Berühmt 
und vielgenannt sind die an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert 
entstandenen Wfandgemäldezyklen von Schloß Runkelstein bei Bozen, 
dem Schulbeispiel einer mittelalterlichen Schloßdekoration größten 
Stils, vom Adlerturm der Bischofsburg in Trient und von Schloß 
Lichtenberg im Vintschgau. 
lm folgenden streifen wir kurz die Lichtenberger Wandgemälde, die 
von meinem Lehrer Julius von Schlosser (Wien, 1916) veröffentlicht 
wurden, und den Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient, den Betty 
Kurth 1911 im Jahrbuch der k.k. Central-Commission behandelt 
hat, um dann zu unseren eigenen Forschungen in Runkelstein über- 
zugehen. 
Den altertümlichsten Eindruck dieser Denkmälergruppe machen die 
Malereien aus dem Palas von Schloß Lichtenberg beim Städtchen 
Glurns im Vintschgau. Diese feste Burg, um die Mitte des 13. Jahr- 
hunderts erbaut, war der Stammsitz der Herren von Lichtenberg, 
deren letzte Sprossen um 1430 verstorben sind. Die Wandgemälde 
stammen aus der letzten Zeit des alten Geschlechtes. Da sie in der 
im 19. Jahrhundert zur Ruine gewordenen Burg immer mehr zu- 
grunde gingen, wurden sie abgelöst, auf Leinwand übertragen und 
1908 ins Landesmuseum Ferdinandeum nach Innsbruck verbracht, 
zu dessen Schätzen sie gehören. 
Was die Technik der Malerei anlangt, so handelt es sich hier in Lichten- 
berg wie auch bei den andern beiden Denkmälern nicht um echte 
Fresken, sondern um eine im ganzen Mittelalter geübte Kalkfarben- 
malerei auf der Mauer. Die Umrisse wurden zunächst auf der weißen 
Putzschicht meist in Ocker oder Rotbraun mit dem Pinsel aufge- 
tragen. Dann füllte man die Flächen dekorativ, ohne irgendwelche 
Absicht auf Naturtreue, leicht mit Farben aus, durchaus mit geringer 
lnnenmodellierung und ohne körperliches Relief. 
Der Inhalt der dargestellten Szenen in Lichtenberg gehört verschie- 
denen Gedankenkreisen an. Stoffe aus der Schöpfungsgeschichte 
finden wir hier neben solchen aus der höflschen Erzählungsliteratur, 
ritterliche Genreszenen neben Allegorien, Fabeln und Schwanken. 
Für Tirol besonders interessant sind zwei Szenen, die durch drei- 
zeilige lnschriften erläutert werden. Die eine ist die Überwindung 
des Zvaergkönigs Laurin in seinem wundersamen Rosengarten durch 
den Helden Dietrich von Bern nach der Bergsage, die ein unbekannter 
tirolischer Dichter um 1200 im Spielmannston gesungen hat. Die andere 
Darstellung zeigt, wie Laurin nach seiner Überwindung durch Dietrich 
den Dietleib von Steier um Hilfe anruft und dieser für ihn mit Dietrich 
kämpft. Eine andere Gruppe von Wandgemälden beschäftigt sich mit 
dem damaligen höfischen Leben und Treiben, mit Minne, Waffen- 
spiel, Jagd und Frühlingslust. Es sind darunter ein Lanzenstechen, 
ein Kolbenturnier und der Reihentanz, das dekorativ sicher wirk- 
samste Bild des Lichtenberger Zyklus. Von den lehr- und schwank- 
haften Darstellungen seien noch die Allegorie des (iliicksrades der 
Fortuna und die Hofhaltung der Frau Minne erwähnt. Eine Tierfabel 
bringt den Fuchs, der einer Gänseschar predigt. Aus der Schwank- 
literatur stammt die gewagte Darstellung des Wunderbaumes mit 
seltsamen Früchten. 
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