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Seit Rudolf IV. war Wien eine der hervorragendsten Pflanzstätten der deutschen
Wissenschaft, denn der Herzog wünschte sehnlich, daß seine Stadt nicht hinter Paris,
Bologna und Prag an geistiger Bedeutung zurückstehe. Reich dotirt mit ausgezeichneten,
aus Frankreich und Deutschland berufenen Gelehrten, bildete die Universität einen wichtigen
Factor in dem politischen und socialen Leben der Stadt. Ihre Lehrer saßen im fürstlichen,
wie in: bürgerlichen Rathe, sie verweilten als Abgesandte an fremden Höfen und an den
Sitzen der Concilien. Der Aufenthalt der zahlreichen ans den Erblanden, Ungarn und
Der Universitätsplatz in Wien um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts. (Nach Canaletto.)
Deutschland gekommenen Studenten vermehrte die Quellen des Wohlstandes der Bürger,
wiewohl diese oft viel unter dem jugendlichen Übermuthe und der Rauflust der Studenten
zu leiden hatten. Und mit der Pflege der Wissenschaft war auch der Sinn für bildende
Künste erwacht. Zahlreiche Baumeister, Maler und Bildschnitzer schmückten nicht nur die
Gotteshäuser, sondern auch die Wohnsitze des Adels und der Bürger mit ihren Schöpfungen.
Überall treten uns die Bildungen eines durch das Wohlwollen der Fürsten und die That-
kraft des freien Bürgerthums emporgeblühten Gemeinwesens entgegen.
Wien erhielt sich aber keineswegs auf der errungenen Höhe. Schon seit der
Mitte des XV. Jahrhunderts waren Anzeichen einer sich vorbereitenden Wendung in
der Stellung der Stadt eingetreten. Seit den: Vordringen der Türken nach Europa