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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 70)

Als XVilliam R. Hearst 1941 starb, hinterließ er nicht nur einen mächtigen 
Konzern von zahllosen Zeitungen, sondern auch eine monströse Kunst- 
sammlung mit Schätzen aus aller Welt. Vom bekannten gotischen 
Kloster in Spanien, dessen Bausteine in zahllose Kisten verpackt 
waren, bis zu altgriechischen Terrakottavasen hatte er alle Arten von 
Kunstgegenständen und Antiquitäten aus aller Welt zusammenge- 
tragen. lm Zuge der allmählichen Auflösung dieser Kollektion ist ein 
auffallend prächtiger silbervergoldeter Doppelpokal von ungewöhn- 
licher Größe und Ausstattung kürzlich in österreichischen Besitz 
gelangt. 
Es handelt sich um einen Braut- oder Hochzeitsbecher, wie sie vor 
allem im 16. Jahrhundert der deutsche Hochadel und das reichge- 
wordene reichsstädtische Patriziat für ihre prunkvollen Hochzeiten 
anfertigen ließen. Stil und Ornamentik des Gefäßes sind in den tradi- 
tionellen Formen einer letzten (Sotik gehalten. Die Buckel der leicht 
gedrehten Cuppa sind aus der Ficchblase entwickelt, der gerippte 
Schaft der beiden gleich gebauten Becher dreht sich steil nach oben, 
die siebenpassige Basis zeigt noch den seit der Hochgotik üblichen 
durchbrochenen Zinnenfries. Unterhalb des breiten Mundrandcs und 
am oberen Ende des Schaftes stehen freigetriebene unvergoldete 
Blattwerkranken, Wodurch das Gefäß einen reizvollen farbigen Kon- 
trast erhält. Über all diesen aus der Gorik überlieferten Formen liegt 
jedoch ein mäßigender, jede Übertreibung dämpfender Stilwille, eine 
Bändigung durch die gleichzeitig mit Macht einsetzende Renaissance- 
mode. Besonders charakterisiert wird die stilistische Situation des 
Gefäßes in dem hervorragend gravierten Fries auf dem breiten Mund- 
rand des unteren Pokals. Im Gestrüpp eines noch üppig floral wuchern- 
den Ornamentfrieses, wie wir sie von Nürnberger Stichvorlagen des 
frühen 16. Jahrhunderts her kennen, tummeln sich Jäger und die 
Tiere des deutschen Waldes. 
Beide Pokalteile tragen das frühe Nürnberger Beschauzeichcn, in 
Rnsenbergs „Der Goldschmiede Merkzeichen" unter Nr. 3686 „Alt- 
Nürnbetg" verzeichnctl). Der diagonale Verbindungsstrich des „N" 
läuft dabei - im Gegensatz zu unserer heutigen Schreibweise A von 
links unten nach rechts oben. Das Meisterzeichen in Form einer vier- 
blättrigen Blume (Rosenberg Nr. 3802) ist das älteste bekannte Nürn- 
berger Meisterzeichen. Der Vermerk Rosenbergs, daß er die unter 
diesem Mcisterzeichen angeführten drei Objekte nochmals zur Appro- 
bation sehen müßte, ist daraus zu erklären, daß sie aus der Sammlung 
(}oldschinidt-Rothschild in Frankfurt-Main inzwischen in den Besitz 
llearsts gelangt waren, wodurch die Besichtigung sehr erschwert 
wurdel). Die Höhe des Doppelbechers beträgt 38 cm. 
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