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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 71)

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Franz Anton limtelli, 
Putzo als Milwrvu. 
Munchcxl, Slg. m. liauml. 
größere Schihlmarke der Ncndcckvr 
bzw. Nymphcnburgcr Manufaktur, 
H. 11,5 m. 
.4 llurian 
Rauvier hat von Anspielungen ge- 
sprochen. Das ist ein weiteres 
Schlüsselwort zum Verständnis 
der Ästhetik und Ethik des Ro- 
koko. 
Der barocken Illusion und Rhe- 
torik, ihrem großen Format und 
Apparat setzt das Rokoko die 
sparsame Allusion entgegen, die 
an wenig Ausgesprochenem oder 
Gezeigtem vieles ahnen läßt. In 
dem gegenständlichen Ornament 
des Rokoko 7 am schönsten 
vielleicht ei Hoppenhaupt 7 
dichten ähnlich wie in dem in- 
panischen Kurzgedicht der „Hai- 
kus" 7 zwei, drei gegenständ- 
liche Motive, indem sie nur bild- 
lich „genannt" werden, ein klei- 
il 7191111111}! 
Die zentralen Themen, um welche 
die Phantasie des Rokoko dauernd 
kreist, zeigen sich in den Figuren- 
kreisen Bustellis mit erstaunlicher 
Klarheit. 
ln seinen „GötterFigurln" be- 
mächtigen sich die Amoretten des 
Olymps und spielen mit seinen 
Symbolen. Das ist ein Gedanke, 
der schon an der Schwelle des 
Rokoko, vor dem Beginn der 
„Regence" programmatisch auf- 
getreten war: das Deckengemälde 
des Hauptsaals der „Chancel1erie" 
von 1708, also eines Staatsge- 
bäudes, zeigte, wie die „amours" 
die großen Götter aus dem Olymp 
verjagen. Es muß an diesem Orte 
ähnlich revolutionär gewirkt ha- 
ben wie die Aufführung von 
Beaumarchais' „Hochzeit des Fi- 
garo" vor dem Versailler Hof 
1784. 
Die Serie der „Hächelmänner" 
mit ihren Figuren aus dem All- 
tagsleben ist mehr als nur ein 
pikanter Kontrast zu der höri- 
schen Sphäre, auf dessen reich 
gedeckten Tafeln sie ihre Rollen 
spielen dürfen. Die hörische Ge- 
sellschaft selbst hatte sie mit den 
Verkleidungen ihrer „XVirtschaf- 
ten" hoffahig gemacht, in typisch 
rokokohaftem Changieren zwi- 
schen zwei Sphären. 
nes Naturpoem: idyllisch, buko- 
lisch, exotisch, galant. S0 auch 
in der Welt des Porzellans. 
Die Bildersprache des Rokoko 7 
neben dem Porzellan ist hier vor 
allem die Vignette zu nennen 7 
arbeitet oft mit einem Minimum, 
in fast einem Nichts an Handlung, 
das der Ahnung viel offen läßt. 
Ein kleines Thema auf engstem 
Raum durchgeführt: einige Ak- 
korde, die angeschlagen werden, 
sich auflösen und variiert wieder 
verbinden, genügen. Hier kommt 
ein Moment echter Lyrik 7 in 
dem luräzisen Sinn wie Emil 
Staiger in seiner Puetik das Lyri- 
sche bestimmt hat in die bil- 
dende Kunst des Rokoko. 
Auch die chinesische Serie ist mehr 
als eine groteske Kuriosität. Sie 
ist ein Klang aus einer Wunsch- 
welt, in der sich die höchste 
Verfeinerung des sinnlichen Ge- 
nusses und der „Höflichkeit" mit 
einer Weisheit ohne Transzen- 
denz, einer Philosophie ohne Me- 
taphysik verbindet. 
Mit der Comedie italienne endlich 
ist eine bis dahin als niedrig an- 
gesehene Form der Bühne in der 
Regence um 1720 zur führenden 
Bedeutung aufgestiegen 7 Wat- 
teaus Gilles aus diesem Jahr ist 
ein monumentales Zeugnis dafür 
7 und zwar nirgendwo so ent- 
schieden wie in Frankreich, selbst 
nicht in ltalien. 
Alles dieses fallt unter einen wei- 
teren typischen Zug des Rokoko: 
die Adelung der niederen Sphären. 
Dazu gehört 7 und auch das 
spiegelt sich in den Meisterwerken 
Bustellis 7 der Aufstieg der 
sinnlichen Liebe zur obersten Le- 
bensrnacht. 
Dazu 7 als die paradoxe Kehr- 
seite 7 der Sieg des skepti- 
schen „Verstandes" über die hohe, 
kontemplative „Vernunft". ja, 
schließlich kann man auch den 
Sieg des „bellum" über das 
„pulchrum" noch unter den glei- 
chen Begriff ziehen. 
 
N Franz Anton liuslelh, 
("mim- Knmudieilügul. 
Muncl n Qlg. m. Bäuml. 
größtrt . hildmarke der Neudctkcr 
hzw. Nymphr-nhnrger Manufaktur, 
Fnnz Anton liustelli, 
. lnlonc Kombdienrigur. 
miesgewerhemuwuxu. 
lrlmzrkc der Ncudeckvr 
, plicnhurger Manufaktur, 
Rirznurkc "I7". H. 17.4011 
  
 

	        
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