ERNST KÖLLER
Wege und Irrwege der Phantasie?
Es kommt in Österreich nur selten vor,
dal} ein Künstler von seinen Kollegen
und einem beträchtlichen Teil der Kritik
verlemt und verurteilt wird; Leherb
gehört zu den wenigen, über die hier-
zulande manche meinen, den Stab
brechen zu müssen. Das Interessante
hiebei ist, daß er im Ausland. vor allem
in den Ländern Westeuropas, vor-
züglich Hankommt", da!) seine Aus-
stellungen in Belgien und Frankreich
sich zumeist zu Bombenerfolgen aus-
wachsen und er hinsichtlich der Dis-
ponibilität seiner Produktion auf Jahre
hinaus ausgebucht ist.
Woher kommt das, was schätzt man an
Leherb in der Außenwelt, was hält man
ihm im Bereich zwischen Boden- und
Neusiedler See vor?
Nun, Leherb versteht es wie kein
zweiter, sich in Szene zu setzen. Er ist
in Kunst und Leben ein kompromiß-
loser Exzentriker, dessen Aktionen rein
auftrittsmäßig auf Aggression, Provo-
kation und Skandal aufgebaut sind. Wir
zitieren in der Folge aus der deutsch-
sprachigen Urschrift zu einer Mani-
festation, die im Februar dieses Jahres
onläßlich der Ausstellung seiner "De-
struagen" in der Galerie de Marignan
in Paris unter dem Titel „Optique du
1 Menschliches
destruage" erschien: ..Da ich es ver-
absäumt habe. ein Anliegen an die
Menschheit aus der Pubertät herüber
und über die Erdrosselung der Liebes-
fähigkeit hinaus zu retten, lSl die Aktion
der einzige Berührungspunkt . . . zu ir-
gendeiner Umwelt. Da die Konsuma-
tion auf diese Weise auf die Seite
irgendeiner Umwelt gelangt ist. sind
in der lntimsphäre Exzesse notwendig
geworden, die das Striptease der Aktion
bereichern sollen . . . ich ertinde aus
der Zerstörung der schöpferischen
Arbeit des Leherb. sie allein erbringt
den notwendigen Stoff, neue, aggressi-
vierte Ausdrucksformen . . .eben De-
struagen. Diese haben viel mit der
Leichenwäsche eines geliebten Körpers,
nichts aber mit dem Puzzlespiel der
Collage, einer Art von Witwenpension
für heitere Künstler, zu tun. Die De-
struage erbringt somit die schmerzlich
bösartige Manifestation, die Zerstörung
der Bildwelt des Leherb durch seine
sichtbar gemachte wütende Phantasie."
Das ist selbstverständlich Zynismus.
dessen Konsequenz zwangsläufig zur
Selbstzerstörung führen müßte. Das
greift in Sphären über, die - zumindest
bei uns 7 mit einem Tabu belegt sind,
obwohl sie seit Freud und seinen Ge-
folgsleuten, also zumindest seit einem
halben Jahrhundert, im Mittelpunkt der
Diskussion stehen i aber eben nicht
bei uns.
Der Fall Leherb ist ein Beweis dafür,
daß in Österreich ein Künstler nicht
so ohne weiteres aus dem elfenbeiner-
nen Turm idealistischer Unwirklich-
keit und Unwirksamkeit ausbrechen
darf. in den er vor nunmehr schon
anderthalb Jahrhunderten von der
werdenden, idealltötshungrigen bürger-
lichen Gesellschaft gesetzt wurde.
Ohne Zweifel ist Leherb eine Personali-
tät, die ..weh" tut. wo sie kann. dessen
1 Helmul Leherb, Monslranz des gönnm
lrrsinns (21.35 h). Zeilzersiörer,
120 x 100 x 25 cm
z Helmul Leherb. Jean-Jacob es! nrri
OIILwd. 100x75 cm. 1902163. In beh
Scham Privmbesilz
3 Helmul Leherb, Der Künsiler mit sein
Frau Lolle Prohhs