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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 74)

AUSSTELLUNGSBERICHTE 
Wien: Geheimes Festival der Graphik. 
Ein Triptychon mit Anhang 
ln den ersten drei Monaten dieses 
Jahres kamen in die Bundeshciuptstodt 
eine Reihe von erlesenen Graphik- 
ausstellungen. so daß sich. ohne Absicht 
und Planung und in aller Zwanglosig- 
keit. eine Reihe von graphischen Fest- 
wochen ergab. 
Den Reigen eröffnete im Jänner die 
Albertina mit einer köstlichen Aus- 
stellung von unbekannten Arbeiten 
Lyonel Feiningers aus dem Besitz des 
Museum of Modern Art. New York. 
Im Mittelpunkt stand nicht der Bauhaus- 
Feininger mit seinen HGDÜFCIKUVEUH. 
sehr intellektualistischen Kathedral- und 
Schlffskonstruktlanen. die ja bekanntlich 
rein aus geometrischen, immer wieder 
wie Prajektionskegeln wirkenden 
Grundelementen zusammengestellt sind. 
sondern der Träumer. der Irrationalist. 
der Romantiker. kurz: der Hgeheime" 
Feininger. der Lokomotiven, alte Städte 
und skurrile Menschen liebt und es 
versteht. innere und äußere Bilder 
vollendet zur Deckung zu bringen. 
Vieles wirkt -- besonders in der Früh- 
zeit e bilderbogenhaft (kein Wunder. 
Feininger begann ja als ..Cartoonist") 
im guten Sinne des Wortes. unver- 
kennbar sind die Einflüsse von Jugend- 
stil und japanischem Farbhalzschnitt. 
Kubin und Klee sind in manchen 
Belangen Wesensverwandte dieses 
Deutschamerikaners (der noch 1906 als 
.,famous German Artist" bezeichnet 
wird und es 1937. nach seiner end- 
gültigen Rückkehr in die Heimatstadt 
New York. gar nicht leicht hatte. seine 
Glaubwürdigkeit als Amerikaner unter 
Beweis zu stellen). der im tiefsten 
Grunde seines Herzens ein zartfühlen- 
der Lyriker war. In den spätesten 
Arbeiten (etwa ab 1950) wird Geister- 
hoftes. Gespenstisches mit ganz locker 
und weich gewordenen. fließenden 
Formen beschworen: der Künstler. der 
einst mithelfen wollte. am Bauhaus. 
an der ..Kathedrale des Sozialismus" 
zu bauen. hat seiner Vergangenheit 
endgültig abgeschworen (Abb. 5). - 
Auch der nächste Beitrag des ..Geheim- 
festivals" wurde von der Albertina 
geliefert. Marlborough Fine Art. Lon- 
don. hatte eine Wanderausstellung mit 
drei lithographischen Zyklen von Oskar 
 
Kokoschka aus den Jahren 1961 4963 
zusammengestellt und es war gut und 
richtig. daß diese Wanderschau von 
Wien aus ihren Weg in die Welt antrat 
(Stuttgart. Bremen. München. USA). 
Kokoschka hat nunmehr die absolute 
Höhe seines Könnens. aber auch seiner 
Weisheit und Menschlichkeiterklommen, 
was ..Abgeklärtheit" bedeutet. wird 
einem erst bei dieser Ausstellung klar. 
So kommt es. dat] ihm das Thema des 
ersten Zyklus, Illustrationen zu ..King 
Lear" weniger am Herzen gelegen 
sein mochte. hat er. der Ruhelosß. 
Suchende. der innere und äußere 
Abenteurer. einem Odysseus gleich (dem 
er seinen nächsten Zyklus widmen will). 
nach langen Irrfahrten zu sich selbst 
heimgefunden. So scheint es uns. als 
sei beim ..König Lear" das Komödian- 
tische dem Trogischen. das Spiel dem 
tödlichen Ernst vorgezogen worden. 
In Apulien (der zweite Zyklus ist ein 
Reisebericht in diese ..Vorhalle Grie- 
chenlands") und in Hellas selbst war 
O. K. innerlich ganz daheim und ließ 
eine hinreißende Folge schönster. be- 
seeltester. mit göttlicher Leichtigkeit 
hingezeichneter Veduten erstehen. wan- 
delte mit dem Zauberstift seiner Zei- 
chenkunst aber auch lebende Menschen 
und längst Verstorbene zu Wesen 
höherer Art um. Das Baracke in ihm. 
der Sinn für das Vedutenhaft-Panora- 
mische. für Pathos und große Geste 
bringt ihn zu prächtigen Ansichten 
apulischer Dörfer. Ölhaine und Tier- 
herden. aber auch der Akropolis von 
Delphi und Mistra. doch er verwandelt 
auch einen süditalienischen Schweine- 
hirten in einen echten Eumäus. rückt 
unheimliches Meeresgetier in jenes 
milde Licht. mit dem einst Hokusai 
seine Fischerdarstellungen erleuchtet 
hatte. und versteht es e o Wunder! e 
den Statuen altgriechischer Kouroi. 
einem Daidalos gleich. echtes. beweg- 
liches Leben einzuhauchen. Und auch 
den schönen taten Frauen und Mädchen. 
die auf den Kerameikos-Stelen des 
4. Jahrhunderts v. Chr. verewigt wur- 
den. muß er. auch darin Odysseus nicht 
unähnlich. ein Opfer dargebracht ha- 
ben. denn auch sie erwachsen zu 
neuem. sinnlichem. blühendem Leben 
und hören auf. Stein und Gedächtnis 
zu sein . . . 
Kakoschka ist völlig frei von Krampf 
und Masche. seine Schöpfungen geraten 
ihm mit größter Selbstverständlichkeit. 
und die Gesinnung. die hinter ihnen 
steht. ist ebenso echt wie die. aus der 
heraus einst die ..Bachkantate". der 
"Gefesselte Kolumbus" und ..Das Kon- 
zert" geschaffen worden waren. Das 
Dyonisische hat sich zum Apollinischen 
geläutert. und vor allem ist wieder 
einmal der Beweis gelungen. daß diese 
Welt. wie sie sich dem liebenden Auge 
darbietet. schön, erlebens- und ge- 
staltenswert ist. Diese Ausstellungen 
sollten all jenen. die vor der dringlichen 
Wirklichkeit den Mut verlieren und 
sich in die Abstraktion flüchten. Hoff- 
nung und Zuversicht wiedergeben: so 
lange es noch eine Erde gibt. wird ihr 
Bild darstellungs- und deutungswert 
sein (Abb. 6). - 
Das Mittelstück unseres Triptychons ist 
die Schau ..Slowenische zeitgenössische 
Graphik". die das Kulturamt der Stadt 
Wien ins Künstlerhaus gebracht hatte. 
Die Slowenen sind Experimentatoren. 
die die technischen und formalen 
Möglichkeiten der graphischen Medien 
bis ins Letzte ausschöpfen und tief in 
die Bereiche der Abstraktion und des 
irrealen verstoßen. Aber sie tun das 
mit spontaner Frische und Unmitte 
barkeit. niemals bleibt das Experimei 
bei ihnen Selbstzweck oder Zirku 
Paradenunimer. ihre Kunst ist ..Volk 
kunst" im gehobensten Sinne di 
Wortes. Nur ein paar Namen könne 
wir herausgreifen: Wir nennen dc 
..romantischen Realisten" Bozidar Jakc 
(siehe Abb. 7). den Märchenerzähli 
Jaki-Joza Horvat. den lyrischen Fo 
menspieler Marjan Pogocnik mit seine 
bezaubernden ..Gauffragen" (Blini 
drucken). den Feininger-Nachfahre 
Karel Zelenko. dessen spitzer Radie 
stichel die technische Welt ins Spieli 
rische umsetzt. und von den Abstrakte 
Bogdan Borcic. der ins Zeichen- ur 
Symbolhafte vordringt. 
Von ihnen allen e auch von de 
Nichtgenannten e hätte die öste 
reichische Graphik vic-l zu lernen ur 
brauchte sich nicht zu schämen, hii 
in die Schule zu gehen. 
Am Schlusse noch ein Vereinzelte 
Unbekannter. der das ..Tüpferl ai 
dem l" abgeben muß: Heinrich Heue 
ein schwerblutiger Pommer. der i 
Wien hängengeblieben ist. Er dürf 
der gewissenhafteste. ernsteste und 
jeder Hinsicht sauberste Rodierer seii 
der in letzter Zeit bei uns aufkreuzt 
Aber zu Sauberkeit und Ernst gese 
sich nach eine große. mit sparsame 
Mitteln arbeitende lyrische Begabuni 
die seine Blätter zu kleinen Kostba 
keiten macht (und das. obwohl sie b 
der Ausstellung in der Galerie Peithne 
Lichtenfels um S 100." bis S 200.7 al 
gegeben wurden; sie verkauften sic 
wie frische Semmeln!) (Abb. 8). 
Über Heuer wird .,Alte und moderr 
Kunst" noch gesondert und ausführlic 
berichten. 
Ernst Kölli 
REFLEXE 
Chronik des Ausslellungsluberls in Öslerreich 
Milie Jünner bis Milic März 1964. Nur jene 
Ausstellungen kannien berücksichligl werden, 
deren Veruiiilalier der Rednklion oder ihren 
Milgliedern Verständigungen xukommen 
ließen. Aus Grundan des Raummangels 
mußle diesmal auf Kurzkriliken ver-xichlei 
werden. Vollslündigkeil wurde weder er- 
veiclil. nach angeslrebl: Da: Niehlaufseheinen 
in dieser Chronik bedeute! also kein in- 
direktes Werlurleil. 
16. Jünner: ..unler dreißig". Ausslellurlgs- 
raum des Kulluramles der Sladl Wien, 
VII, Friedrich Schmidl-Plalz S. 
Z1. Jiinner: Szhichlenbilder Liselcli Bescher- 
ner. Schcuräume der Osierr. Siacilsdruckerei. 
l. WOillSliE 27a. 
Wesley Duke Lee (saa Paula). Chr. M. 
Nebehcy. l. Anriagasse 10. 
demie der bildenden Künsie zum Thema 
"Beulen und Gedanken" (ÖSlerr. Museum 
für angewundle Kunsl). 
Z3. Jünner: Unqarische Künsller der Gigan- 
warl. Neue Galerie der siadl Linz, Wolfgang 
Gurlill-Museurri. 
Rudoll Schwarz (f) Gedüchlriis-Ausslellung. 
Akademie der bildenden Künste (sieheAbb. 9). 
Z7. Jünnlr: LYOneI Feininger. Aquarelle. 
Graphik. Zeichnungen des Museum olModern 
Art, New York. Alberlina (siehe Sonder- 
berichl mil Abb). 
Z9. lürlner: Lally Reinhardl. Olbilder und 
Gouachen. lnlernalionuler Künsllerclub im 
Öslerreich-Haus, I. Jüseßplall s. 
31. länner: Prof. Jozef Mroszczak sprach 
über .,Plakalkunsl in Polen" (Akademie für 
angewandie Kunsl). 
Jozel Mronczak - Plakule. Juzel Wilkon 7 
Buchgraphik und Aquarelle. Galerie in der 
Blberslraße. 
1, Februar: Peler Haiier-yerwig Liliawigky- 
Jürgen Leskowa e Aquarelle. Galerie Zum 
aalen Apfel, III. Lundslraßer Hcupislruße 74. 
a. Februar: "Bilder. die inan nichl immer 
aielii". Olbilder aus der Sekundarsammlung. 
Hlslorisches Museum der sladl wien. 
Ernii w. Heisx e Archlleklur. Lundschafl und 
Bebauung. Galerie 1. Vlll, Zeltgasse 7. 
 
Kur! Werner "Assolialiorie Schau- 
räume der Öslerr. Slaalsdi-uekei-ei. 
Heyboer-Laiaster (Amslerdclm). Johannes 
selireiier (Franklurl). Radierungen, Gau- 
achen. Kollagen. Galerie si. sleplian, l. 
Grünangergasse 1lll. 
4. Februar: Ralierl Liebknechl (PGFIS). 
Galerie Junge Generulion, l, Börseplalz 7. 
s. Februar: carl Krall. Maler und Reslaura- 
lar. Schaurüume der ÖSlerr. Slaalsdruckerel. 
Handlelchnullgen und Druckgraphiken aus 
Frankreich. Neue Galerie am Landesmuseum 
Joarmeum. Graz. Sackslraße16. 
6. Februar: Lllil sarnrner. Gemälde. Ecksaal 
des Landeeniueeurng iaanneurn. _Gra;. 
a. Februar: Ball der Schonen Künsle. Sai 
burg. Saiiiall Kießheim, 
11. Februar: Magda Hauer. Galerie l 
Griechenbeisl. I. Fleischrnqrkl 11. 
12. Februar: HI, Messe mll_derl Künsllei 
Wien; in der Burgkapelle. Wien 1. _ 
(Schluß Seile 5 
BILDTEXTE se 11 
s Lyonel Fclrlmger. Aur der siadirnaur 
Tuschczeichnung, Z40x312cm. gig. 
aal. 1911 (aus der Aussleliung in a 
Aliieriiria, wien) 
s Oskar Kokoschka, Aeglna 1. Aus de 
Zyklus .,Hellas Eine Griechenlan 
reise" (aus der Ausslellung in d 
Alberllna, Wien) r 
7 Bozidur Jcikuc. Triplychon noan 
rnacubre": Alle Weide. 1963. Gravur 
HAI"! Iillß Aiieelnlliinn im KiihEiiPFhOi
	        
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