Man darf annehmen, daß er hiezu ohne be-
sondere Schwierigkeit die Genehmigung der
Stadt erhielt, weil man ihm lieber diese Frei-
zügigkeit gönnte, als ihn ganz zu verlieren.
Was die Maler betrifft, die nach Amsterdam
kamen, so waren es bereits im 16. Jahrhundert,
zu einer Zeit des allgemeinen wirtschaftlichen
Stillstandes, Dirck Barentsz und Cornelis Ketel,
beide bekannte Porträtmaler aus Gouda. Pieter
Aertsz wahrscheinlich aus Amsterdam ge-
biirtig, kehrt etwa 1555, durch zahlreiche
Aufträge angelockt, aus Antwerpen zurück.
Die niederländische Landschaftsmalerei erhielt
durch Gillis van Coninxlon (1544-1607), der
über Frankenthal aus Antwerpen nach Amster-
dam kam, einen kräftigen Auftrieb. Ein zweiter
bedeutender Landschaftsmaler, der durch seine
Winterbilder berühmte Hendrick Avercamp
(1585-1634), war aus Kampen, und der von
Rembrandt bewunderte Hercules Seghers (1590
bis 1645), Maler und Radierer visionärer Land-
schaften, aus Haarlem gebürtig. Auch Jacob
van Ruisdael, der von allen Landschaftsmalern
des 17. Jahrhunderts der größte genannt wird,
stammte aus Haarlem. Er arbeitete von 1655
bis zu seinem Tode in Amsterdam, wurde
jedoch auf seinen ausdrücklichen Wunsch in
seiner Heimatstadt Haarlem bestattet.
S0 könnte man eine ansehnliche Liste von
Malern zusammenstellen, von denen kein
einziger gebürtiger Amsterdamer war, die
aber alle in der Stadt am l] den Höhepunkt
ihrer Laufbahn erreicht haben. Auch Rem-
brandt van Rijn (Leiden 1606 - Amsterdam
1669) gehört zu ihnen. Rembrandt kam im
Herbst 1631 aus seiner Geburtsstadt Leiden
nach Amsterdam, um für immer da zu bleiben.
Sein erster Auftrag war „Der anatomische
Unterricht des Dr. Tulp", ein Gemälde, das
sich heute im Mauritshuis in Den Haag be-
Endet. Diesem ersten Auftrag folgten zahl-
reiche andere, und nach seinem ersten Schüler
in Leiden, Gerard Dou, zog es alsbald eine
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Menge anderer nach Amsterdam, von denen
die bekanntesten, wie Govert Flinck, Nicolaes
Maes, Ferdinand Bol und Aert de Gelder,
alle ebensowenig Amsterdamer waren wie ihr
Lehrmeister selber.
ln Anbetracht der außerordentlichen Macht
und des Reichtums Amsterdams im 17. Jahr-
hundert ist es daher auch nicht verwunderlich,
daß so viele Künstler ihren Wohnsitz und ihr
Betätigungsfeld hier gesucht haben, wo die
Bürger dieser mächtigsten Handelsstadt Euro-
pas großzügig Aufträge vergaben und so
ihren zahlreichen Künstlern ihr Dasein
sicherten.
Nie aber noch wurde meines Wissens die
Frage gestellt: War der wirtschaftliche XVohl-
stand das einzige Stimulans für die Blüte der
bildenden Künste, oder betrieb Amsterdam
eine bewußte Kulturpolitik? Ein einziges Bei-
spiel kann diese als Frage geäußerte Annahme
vielleicht unterstützen oder wenigstens teil-
weise rechtfertigen. 1633 wurde der Haarlemer
Meister Ftans Hals beauftragt, ein Gruppen-
porträt der Mitglieder der Amsterdamer Arm-
brustschützengilde anzufertigen: die Kompanie
des Hauptmanns Reynier Reael und des
Leutnants Cornelis Michielsz Blaeuw. 1636 war
das Gemälde noch nicht fertig und wurde
auch nie von Frans Hals fertiggestellt. Der
Amsterdamer Pieter Codde hat es schließlich
1637 vollendet. Woher dieser Auftrag an
einen Haarlemer Maler, wo doch Amsterdam
selber eine Reihe ausgezeichneter Porträtmaler
hatte? Wurde wohlüberlcgt versucht, auch
diesen berühmten Künstler an Amsterdam zu
binden, so wie man nicht ganz zwei Jahre
vorher Rembrandt aus Leiden geholt hatte?
Es bleibt vorläufig nur eine Frage von rein
akademischem lnteresse in Anbetracht der
langen Reihe von Meisterwerken des 17. Jahr-
hunderts, die, wie eine Kompanie Unsterb-
licher, Ehrenwache zum Ruhme Amsterdams
bezogen hat.
7 Frms Hals (
"Magere Co:
Pieler Coddc
II!) 1SSOiIGG6). Schützenstürk, genannt
xlpa ic". Von Frans Hals 1633 begannen,
63 vollcndrl. Rijksmuscum. Amsxrrhm