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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 75)

GERTRUD S MOLA 
Kostbare: Kzmxlbuudlrerk 
der Rennixxazlre 
 
Die Ausstellung „Graz als Residenz, Inner- 
österreich 1564-1619" sucht ein wesentliches 
Stück Geschichte der Länder im Südosten des 
deutschen Sprachraumes darzustellen. Neben 
den Urkunden, die von den Schicksalen be- 
richten, stehen zahlreiche Denkmäler der 
Kulturgeschichte, auch sie Zeugnisse der 
Beziehungen zu ganz Europa, wie sie damals 
durch das Herrscherhaus der Habsburger 
gegeben waren. Es begegnen sich die Ein- 
Hüsse aus Italien und Spanien, aus den Nieder- 
landen und besonders aus dem süddeutschen 
Raum. Mit den „welschen Gästen" kamen 
vor allem Renaissance und Friihbarock in der 
Architektur, mit den Intarsienmeistern, den 
Glocken- und Stuckgießern und den Gold- 
schmieden die handwerkliche Ornamentkunst 
Deutschlands. Am Grazer Hofe fand die 
erste Shakespeare-Aufführung auf dem Kon- 
tinent statt, hier wirkten außer Johannes 
Kepler zahlreiche Gelehrte von europäischem 
Rufe sowohl an der Jesuiten-Universität als 
auch an der protestantischen Stiftsschule. 
Die Grazer Burg enthielt schon seit Kaiser 
Friedrich III. eine Schatzkammer; Erzherzog 
Karl brachte sein väterliches Erbe mit, und 
die Hochzeit mit Prinzessin Maria von Bayern 
mehrte den Bestand ebenso wie die späteren 
Erwerbungen. Freilich ist von dieser Schatz-, 
Kunst- und Rüstkammer kaum etwas in Graz 
geblieben, nachdem Ferdinand ll. den Hof 
nach Wien verlegte und 1765 Maria Theresia 
die völlige Auflösung verfügte. Das Zister- 
zienserstift Rein erwarb damals große Teile 
der Bibliothek und des astronomischen Ka- 
binettes, konnte sie aber auch nur zum kleinen 
Teil bis heute erhalten. Manches gelangte 
auch von da in die Wiener Sammlungen und 
kam nun als Leihgabe zur Ausstellung. 
lm Vorraum ist eine von der Meisterklasse 
für Malerei an der Grazer Bundesgewerbe- 
schule gemalte Bilderfolge der europäischen 
Geschichte zahlreichen alten graphischen Blät- 
tern aus Wien, München und Nürnberg gegen- 
übergestellt. In der Mitte des ersten Saales 
steht der steirische Hergagslzul. Bescheiden 
neben seinen reicheren Brüdern in Innsbruck 
und Klosterneuburg, ist er mit seinem ein- 
fachen Zackenreif aus vergoldetem Silber und 
dem bekrönenden Kreuz auch nach der 
barocken Umgestaltung noch ein edles Denk- 
mal des 15. Jahrhunderts. Der steirische 
Lanrlrrbadenbundberber ist eine der reichsten und 
großartigsten Augsburger Goldschmiedearbei- 
ten. Mit 105 cm Höhe zeigt er einen herr- 
lichen Reichtum an Zierat aller Art. Georg 
Wolfbauer konnte ihn an Hand signierter 
Stücke im (irünen Gewölbe in Dresden dem 
Augsburger Meister Hans Schaller zuschrei- 
ben. Die manieristische Eleganz der aus 
Wurzeln wachsenden Nodusriguren und der 
bekrönenden Schildträgerin, aber auch die 
Feinheit der getriebenen und gegossenen 
Tier- und Fruchtornamente, der Emailränder, 
Masken und Arabesken zeigen die Hand eines 
außerordentlichen Künstlers. Der Prunkpokal 
war wohl Hochzeitsgeschenk für Erzherzogin 
Maria, später aber Geschenk Ferdinands l]. 
an die Stände des Landes, in deren Besitz er 
als Symbol des alten Landschadenbundes er- 
halten blieb. Neben dem Prunkschild und Helm, 
der Armbrust und Armbrustwinde Erzherzog 
Karls steht da der große Pokal aus dem 
Schatz des Deutschen Ordens in Wien, der in 
reichster Treibarbeit die Taten Kaiser Karls V. 
verherrlicht, und als Vertreter des Kunstsinnes 
der steirischen Adelsfamilien das berühmte 
Taufgerät der Grafen Herberstein, edelstes 
Beispiel der Renaissanceornamentik, eine Ar- 
beit von Ulrich Schönmacher in Augsburg. 
Als Leihgaben der Wiener Tapisseriensamm- 
lung können mehrere Stücke die 127 Bild- 
teppiche vertreten, welche sich laut Inventar 
damals in der Einrichtung der Grazer Burg 
befanden. Sechs Stücke einer Brüsseler Serie 
mit den Taten Alexanders d. Gr. schmücken 
zwei Räume, in der „Schatzkammer" hängen 
ein Exemplar der herrlichen Wappenteppiche 
Karls V., eine Kreuztragung und ein kleiner, 
aber kostbar golddurchwirkter Teppich mit 
der Anbetung des Kindes. Drei Bildteppiche 
des 17. Jahrhunderts mit Allegorien der welt- 
beherrschenden Kräfte und der Neigungen 
des Menschen zieren den vierten Saal. 
Der dritte Saal aber enthält die Erinnerung 
an die ehemalige Schatzkammer. Gold- 
schmiedearbeiten und Kristalle, Majoliken 
und venezianisches Glas, Elfenbeinschnitze- 
reien und kostbare Reliquiare sowie edle 
Waffen sind hier als Vertreter für die alten 
Bestände versammelt, von denen infolge der 
ungenügenden Beschreibungen in den alten 
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