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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 75)

Franzosen nennen das Zylinderbureau 
eilen „Bureau a la Kaunitz", weil der 
1750 bis 1753 in Paris lebende Botschafter 
12 Theresias, Graf von Kaunitz, den 
hanismus angeregt oder -- richtiger 
l 7 in Frankreich bekanntgemacht haben 
2. Die ersten Rollschreibtische entstanden 
1750 in Deutschland. Meistens handelte 
ch bei den frühen „R0llen" um Hexible, 
einzelnen Leisten oder Lamellen zusam- 
gefügte Gebilde (Jalousien) und nicht um 
e, aus einem Stück bestehende Viertel- 
ider, so wie Roentgen sie benützte. Selbst 
berühmte, 1769 vollendete „Bureau du 
der beiden deutschstämmigen Pariser 
nisten Oeben und Riesener hat eine 
ble Rolle aus schmalen Holzleisten. Das 
te bekannte Zylinderbureau mit starrer 
e, ein lothringisches aus der Zeit um 1750, 
t im Budapester Kunstgewerbemuseum. 
in es fehlt daran die bewegliche Schreiba 
:e, die beim Öffnen der Rolle aus dem 
Jelkörper herauskommt. Das große, 1769 
1774 von Roubo in Paris veröffentlichte, 
bändige Standardwerk „LlArt du menuie 
', das höchst zuverlässig und erschöpfend 
r die französische Schreinerei Auskunft 
, kennt ebenfalls nur eine lamellierte und 
im Ü rl 
r zweiteilige Rolle, nicht aber den starren 
rtelzylinder aus einem Stück. Desgleichen 
l dort die automatische Öffnungsart und 
Mechanismus noch nicht dargestellt. 
n in technischen Dingen recht erfahrenen 
ethe waren die konstruktiven Schwierig- 
en beim Aufbau des neuen Rollschreib- 
hes wohlbekannt. Deshalb mußte er die 
hl des Schreiners, der das Möbel machen 
te, recht gut überlegen. Der Hofebenist 
rtin Mieding wäre zweifellos der geeignete 
Mann gewesen. ln der Tat hielt man ihn auch 
eine Zeitlang für den Hersteller des Schreib- 
tisches 3. Das war aber ein lrrtum. Die Gründe, 
weshalb Goethe einen andern Kunstschreiner 
anstatt den Hofebenisten mit dieser ihm so 
wichtigen Arbeit betraute, sind unbekannt. 
Vielleicht nahmen Mieding die Aufträge für 
das Liebhabertbeater zu sehr in Anspruch, 
vielleicht konnte er infolge seines Lungen- 
leidens zeitweilig nicht arbeiten. Zum Ausbau 
und zur Einrichtung seines Gartenhauses am 
Stern hatte Goethe neben Mieding zwar schon 
vier andere Meister herangezogen, doch kam 
von ihnen keiner für die Ausführung der neuen 
Arbeit in Betracht. Nach längerem Überlegen 
übertrug er sie dem Meister Johann Franz 
Andreas Preller. Das läßt sich durch einen 
Vergleich der Angaben in der Rechnung 
Prellers mit dem auf Schloß Kochberg be- 
lindlichen Möbelstück eindeutig nachwei- 
sen 4. 
Unter den vielen Haushaltsrechnungen Goethes 
gibt es aus der Zeit vom 8. Juni 1778 bis zum 
28. April 1781 überhaupt keine Rechnungen 
Miedings. Desgleichen fehlen von andern 
Schreinern irgendwelche Unterlagen, die auf 
das in Frage stehende Möbel hinweisen würe 
 
den. Demgegenüber sind vier kurz hintere 
einander von Preller ausgefertigte Quittungen 
vorhanden, die offensichtlich auf den Roll- 
Schreibtisch für Charlotte von Stein Bezug 
haben. Am 16. April 1779 erhielt er 10 Reichs- 
taler „auf Abschlag von Tischnerarbeit als 
auf ein Biro", am 30. April abermals denselben 
Betrag „als vor ein Biro". Auf einer Quittung 
vom 11. Mai, die wörtlich lautet: „Sechs 
Taler zwölf Groschen auf Abschlag des 
Schreibtisches erhalten", unter der indessen 
der Name des Empfängers fehlt, verm: 
Goethe eigenhändig: „Johann Franz Prel 
iine Woche später erfolgte dann die Scl 
abrecbnung, in der es heißt: „Ein Biro 
der Rolle nebst mit einer Roden Art 
Baum llolß geforniert und eine Gallerie 
Messing durchbrochen wovor ich auf 
billigste verdienst habe 40 Rth" (Bilt 
Darunter sind die vorerwähnten Teilzal 
gen, zu denen noch eine über 10 Taler 8 
sehen am S. Juni hinzugekommen war, 
zeln abgesetzt, so daß ein Rest von 3 T 
und 80 Groschen verblieb, der am 17. 
1779 „zu Dank bezahlt" worden ist-i. 
Die Angaben dieser Rechnung sagen 
nicht viel über den Aufbau und die l 
struktirvn Schreibtisches Den 
genügt es, um schlüssig zu beweisen, daß 
kein anderer als bloß derjenige aus dem I 
der Frau von Stein gemeint sein kann. 
allem geht es um einen Rollschreibtisch, 
Biro mit der Rolle". Goethe hat nir 
wieder einen andern Rollschreibtisch anfer 
lassen und auch selbst keinen besessen. Pri 
Aussage über die Holzart ist allerdings u 
formuliert. Wahrscheinlich wußte er gar r 
mit welchem Holze er den Schreit 
furniertc. Denn wenn er diese „rote Art 
Birnbaumholz" (es handelt sich in Wirl 
keit um Mahagoni) gekannt hätte, dann u 
er sie sicher beim richtigen Namen gen 
und nicht so unbestimmt bezeichnet b. 
Die erwähnte durchbrochene Messingg 
ziert in bescheidener Art den niedrigen A1 
des hliäbels. 
Der Schreibtisch ist in allen Teilen gu 
arbeitet. Die sich aus dem tektonischen 
bau ergebenden glatten Flächen sind je 
mit rjuerfurnierten Streifen eingefaßt, 
grfäßeren Mittelfeltler „auf Kreuzfuge" 
sammengesetzt. Zwischen dem Ober- 
Llntcrteil lauft ein Band von kleinen Quad 
aus hellem und dunklem Holze rings ur 
Möbelstück herum. Eine geeignete Bele 
erfährt die Furnierarbeit durch die Ader 
Zopfmtistcr, die an den inneren Ränder 
querfurnicrtcn Streifen, in der Kehlung 
der Rolldeckc sowie an den Kanten 
lNiiöbels einschließlich seiner Beine eing 
sind. Letztere endigen in würfelftärr 
Füßen. lm Unterteil befinden sich sechs 
Schubkasten, von tlenen die beiden mitt 
etwas breiter gehaltenen, verschlossen wi 
können. Die Schubkastenvorderstücke 
mit einem schmalen, etwas vorspring: 
Stäbchen eingefaßt eine formale Eigl 
die zu den (ieptlogenheiten der Roen 
werkstatt gehört. Die bronzenen Schubl 
knöpfe, in denen sich bei den zwei mit 
Laden zugleich die Schlüssellöcher befi 
ziehen sich beim Anfassen etwas h: 
Wenn man die Rolldecke des Oberteils i 
schiebt, verschwindet sie im Innern 
Möbels und die Schreibplatte kommt 
VDI". 
des aus. 
Im Innern sind nicht weniger als siel 
Schubladen angebracht, in denen sich V1! 
Kleinigkeiten unterbringen lassen. Verm 
ist jeder überflüssige Zierat oder un 
brachte Aufputz, der den praktischen Z 
des lNliäbels mindern könnte.
	        
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