Aus dem Kunstleben
ZUM TODE VON BRUNO GRIMSCHITZ
Am 13. Juni wurde Uniw-Prof Dr. Bruno Grimschitz. Direktor i. R. der Öster-
reichischen Galerie in Wien. im 73. Leberisiahr plötzlich von dieser Erde abberufen.
Der Gelehrte hatte eben erst eine schwere Operation relativ gut überstanden,
als ihn der Tad mitten im Gespräch mit Freunden mit sich nahm.
Es ist mehr als eine bloße Phrase, wenn der Redaktions- und Mitarbeiterstab von
"Alle und moderne Kunst" das Dahinscheiden von Grimschitz besonders beklagt.
Vielen von uns war er Freund und Berater, allen stand er als Lehrer und Vorbild
vor Augen, und die Zeitschrift selbst verliert mit ihm einen stets hilfsbereiten Mit-
arbeiter. der nie zögerte. sein immenses Wissen in den Dienst der guten Sache zu
stellen. Sein Beitrag im letzten Heft von ..Alte und moderne Kunst" über die Baupläne
von Herzogenburg dürfte wohl seine letzte veröffentlichte WISSCTISChCIÜlIElIQ Arbeit
überhaupt sein. Grimschitz 7 man braucht nicht zu betonen, daß er der große
Kenner der Kunst des süddeutschen Kulturraumes im 18. und 19. Jahrhundert war 7
hatte auch eine außerordentlich lebendige und positive Beziehung zum Kunst-
hondel. Selbst viele Jahre lang als Experte im Dorotheum tätig. stand er nicht nur
diesem Institut. sondern allen Fach- und Branchenkollegen, die sich um Rat und
Hilfe an ihn wandten. vorbehaltlos zur Verfügung. Es ist überflüssig zu betonen.
daß er als Experte niemals zu jenen zählte. die sich für Geld und gute Worte ein
Gefälligkeitsurteil abringen ließen - seine Expertisen waren nichts als das Ergebnis
eines immensen Wissens und echter persönlicher Überzeugung. Grimschitz war
durch und durch ein ..gerader Michel"; mit dem gleichen stürmischen und leiden-
schaftlichen Temperament. das seine stets überlaufenen Vorträge und Vorlesungen
auszeichnete. setzte er sich auch als Museumsleiter für die von ihm für richtig
befundenen Ideen ein: 1938 wurde der bei Haberditzl ats Museumsmann groß
gewordene Dvorak-Schüler zum Leiter der Österreichischen Galerie bestellt.
Es gelang ihm nicht nur. die Bestände dieses Instituts an ..entarteter Kunst" über
alle Fährnisse hinweg heil in die Gegenwart herüberzuretten. er vermochte es
sogar. sie durch wesentliche und absolut korrekte Ankäufe zu mehren. Die Neu-
erwerbungskotologe der Jahre 1940. 1941 und 1942 bezeugen diese seine Aktivität.
und die kommissionellen Untersuchungen des Jahres 1945 ergaben seine restlose
Redlichkeit bei allen Erwerbungen. Um so bitterer fühlte sich Grimschitz getroffen.
als man ihn trotz alledem im Herbst 1945 in Pension schickte und im Zuge der
völligen Neugliederurig der Sarnmlungsbestände die Österreichische Galerie zu
einem reinen Notionalmuseum gemacht wurde und damit die Bestände an nicht-
österreichischer Kunst (darunter Werke von Corot. Caurbet. Renoir. Monet.
Manet. Toulouse-Lautrec und van Gogh) von der Bühne der Öffentlichkeit ver-
schwanden. Allen Bemühungen zum Trotz hat sich bis zum heutigen Tag keine
Möglichkeit ergeben, diesen Besitz. auf den jedes große Kunstzentrum irgendwo
in der Welt voller Stolz hinweisen würde. wiederum öffentlich aufzustellen. Kein
Wunder. daß Grimschitz. der es gewagt hatte, einem Hermann Göring und einem
Baldur v. Schirach die Stirne zu bieten. der einige Male der Gefahr einer Ver-
haftung durch die Gestapo nur mit Mühe entgangen war, die Maßnahmen der
Zeit nach 1945 als schwere Kränkung betrachtete.
Gerade die beiden letzten Jahrzehnte seines Lebens brachten ihm die größten
publizistischen Erfolge. Sein Hildebrandt-Werk (Erstauflage 1929) wurde neu
aufgelegt. seine Waldmüller-Pubiikation von 1943 wurde zu einem kompletten
Oeuvre-Katalog (1958) ausgeweitet. ..Ars Austriae" und die beiden Großpubli-
kationen über Alt-Wiener Malerei und Wiener Malerei von 1860 bis 1950 gingen
in die Bestsellerliste ein.
Grimschitz stand im Begriff. sich allmählich von der aktiven Arbeit zurückzuziehen.
In St. Georgen im Gailtal hatte er sich ein Häuschen erworben. dort wurde er auch
beigesetzt. Sein alter Freund. Hachschulproiessor Dr. Karl Ginhart. sprach an
seinem Grabe am 18. Juni erschütternde Worte des Gedenkens.
Ernst Köller
DES GUTEN ZUVIEL?
Kritische Anmerkungen zu den vier großen Anstellungen dieses Sommers:
"Romanische Kunst in Österreich", ..Das Zeitalter Albrecht Dürers",
,.Herzogenburg - das Stift und seine Kunstschätze" und .,Wien um 1900".
Wenn auch das Positive an jeder einzelnen der vier bedeutungsvollsten Ausstellungen
dieses Sommers überwiegt, so gibt manches Detail, vor allem jedoch das zeitliche
Zusammentreffen dieser ausgesprochenen Großereignisse Anlaß zu kritischen
Gedanken.
Man könnte zum Beispiel die Frage aufwerfen. ob das österreichische Publikum
einschließlich der ausländischen Besucher überhaupt willens ist, diese Überfälle
an künstlerischen Kostbarkeiten entsprechend aufzunehmen und sich mit dem
Gebotenen gewinnbringend auseindnderzusetzen, Man könnte also feststellen. ob
sich der gewaltige finanzielle Mittel erfordernde Einsatz bei diesen vier Expo-
sitionen gelohnt hat. oder 0b nicht doch am Ende die Rechnung ohne den Wirt
gemacht wird und dem Publikum mehr zugemutet wurde, als es verkraften
kann.
Die Situation auf dem Sektor der bildenden Kunst in der Bundeshauptstadt hat
sich bestimmt gegenüber früheren Jahren um vieles vorteilhaft geändert. Be-
mängelte man damals noch das Fehlen repräsentativer Ausstellungen aller Art,
so kann man sich in diesem Jahr des Überangebotes kaum erwehren. Weit davon
entfernt. diese erfreuliche Aktivität nun deswegen herabsetzen zu wollen. fragt
man sich allerdings heute, ob man nicht durch vernünftige Koordination bedeutender
Veranstaltungen, durch aufeinander abgestimmtes und um mehr Abwechslung
bemühtes Vorausplanen sinnvoller verfahren könnte,
Die Sorgen und Schwierigkeiten mit dem Wiener Publikum, das für bildende Kunst
eher bescheidenes Interesse zeigt und daher entsprechend dazu ..animiert" werden
müßte, sind den Veranstaltern ja hinlänglich bekannt. Sich darauf zu verlassen,
daß ohnedies alles gut ausgehen werde und die wünschenswerten Besucherzahlen
schon erreicht werden würden, scheint unter den gegebenen Umständen jedoch
Leichtsinn.
Die einzigartige Ausstellung frühchristlicher und kopfischer Kunst in der Akademie
am Schillerplatz hat leider bewiesen, daß man ohne umfangreiche moderne
Werbung nur beschämend wenige Besucher in Expositionen dieser Art bekommt
und sich der kostspielige Aufwand somit kaum lohnt.
Das gegenwärtige Überangebot könnte jedoch ebenfalls die Rechnung nicht ganz
aufgehen lassen. Der Vorteil, den dabei die den Autatrend der Zeit einkalku-
lierenden Ausstellungen in Krems und Herzogenburg gegenüber Wien besitzen,
liegt klar auf der Hand. Wünschenswert wäre es jedoch auch, endlich einmal
eine ganz groß aufgezogene, klug ausgewählte Ausstellung der aktuellsten bildenden
Kunst des Auslandes in Wien zu wagen, um Publikum und Künstler aus ihrer Lethargie
aufzurütteln und damit auf dem Sektor der Moderne Terrain aufzuholen. Privaten
Galerien fehlt es an den Gnanziellen Mitteln, ein derartiges Projekt zu realisieren,
die öffentliche Hand sollte daher nicht nur vorwiegend in ,.alte Kunst" investieren,
wenn es not tut, Schrittmacherdienste für das Zeitgenössische zu leisten, Die vor-
züglichen Wechselausstellungen im Museum des 7.0. Jahrhunderts entheben nicht
jeder anderwärtigen Initiative und können nur mithelfen. den gewünschten Zustand
zu erreichen, Wieso verstehen es selbst kleinere deutsche lndustriestädte, Ausstel-
lungen moderner Kunst zu veranstalten. die in der ganzen Welt Beachtung finden.
und warum kann dies in einer Millionenstadt. wie Wien es ist, nicht geschehen!
Bevor nun auf die wichtigsten Ausstellungen dieses Sommers kurz eingegangen
werden soll. sei also zusammenfassend der Wunsch nach besserer Koordination
und stärkerer Berücksichtigung des modernen Schaffens nochmals gestattet.
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Zu den in Hinblick aufGehalt und die Art der Darbietung schönsten und wichtigsten
Kunstausslellungen, die in Österreich während der letzten Jahre zu sehen waren,
zählt unzweifelhaft die in der vor 700 Jahren geweihten romanisch-frühgotischen
Minoritenkirche von Krems-Stein stattfindende Schau romanischer Kunst. Von der
geradezu zum Bahnbrecher für das Ausstellungswesen unseres Landes gewordenen
Stadt Krems wird mit dieser markanten Exposition die bereits 1951 begonnene
Veranstaltungsreihe zu einem weiteren. der Gotikausstellung von 1959 durchaus
gleichrangigen Höhepunkt geführt.
Die strenge, ausdrucksstarke Kunst der Romanik stellt für unsere schnellebige Zeit
ein begehrenswertes geistiges Äquivalent dar. Die Größe menschlichen Geistes.
die aus den Werken dieser nur allzulange im Hintergrund des allgemeinen Interesses
gestandenen Epoche spricht, sowie die ungewöhnliche Harmonie, die zwischen
künstlerischer Form und lnhalt besteht, sind für sie wesenhaft.
Daß uns die Kremser Ausstellung einen gültigen Einblick in die geistigen Strömungen
dieser Zeit von der Mitte des 11, Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts
gewährt und zu innerer Einkehr auffordert, ist ein großes Verdienst, daß sie um-
fassend informiert und erstmals in der Geschichte des österreichischen Ausstellungs-
wesens die Kunst und Kultur des l-lochmittelalters repräsentativ vorstellt. ein
zweites.
Nicht zuletzt erleichtern aber auch geistige und formale Parallelen in der Ent-
wicklungsgeschichte der bildenden Kunst dieses Jahrhunderts den Zugang zu
jenen weit zurückliegenden Zeugnissen einer für Europas Kultur grundlegenden
Epoche,
Besonders angenehm berührt die übersichtliche. keineswegs zu enge Aufstellung
der Objekte im Hauptschiff und in den beiden Seitenschiffen der Basilika, die
einen idealen architektonischen Rahmen abgibt.
Die von einem umfangreichen Katalog begleitete Ausstellung hat in der Plastik.
im Kunstgewerbe und in der Buchmalerei ihre Schwerpunkte. Die Kunstschätze
stammen vorwiegend aus Österreich, darüber hinaus haben jedoch auch Leih-
geber aus dem Ausland (in erster Linie aus Deutschland) wertvolle Exponate
beigestellt. -
In Konkurrenz zu Krems steht die nicht minder geglückte Ausstellung im Augustiner-
Chorherrenstift Herzogenburg. das nach Klosterneuburg über den reichsten
mittelalterlichen Kunstbesitz Niederösterreichs verfügt, Um das 850jährige Grün-
dungsjubiläum würdig zu begehen, wurden nicht nur umfangreiche Restaurierungs-
arbeiten an den Baulichkeiten vorgenommen. sondern auch viele für die Ausstellung
bestimmte Werke wiederhergestellt, wobei eine Reihe kunsthistorisch interessanter
Neuentdeckungen gemacht werden konnte.
Während jedoch auf der umfassenden Romanikausstellung in Krems-Stein die
einzelnen Werke in erster Linie den Erfordernissen einer modernen Ausstellungs-
technik entsprechend gezeigt werden (der historische architektonische Rahmen
schließt dies ja keineswegs aus), wurde in Herzogenburg, ähnlich wie schon vorher
in Melk und Altenburg, vor allem auf die Einheit von Schauraum und Ausstellung
Bedacht genommen, Die harmonische und sinnvolle Neuaufstellung der Kunst-
schätze in den schönen Festräurnen verzichtet auf jedes Zuviel, was für den Be-
sucher, der das Gezeigte so wesentlich gewinnbringender aufnehmen und ver-
arbeiten kann. nur von Vorteil ist. Die insgesamt 240 Schoustücke. die einem ein
Rundgang durch das Stift erschließt. bedeuten jedenfalls eine den architektonischen
Gegebenheiten entsprechende, vernünftige Obergrenze. Mit der Eröffnung seiner
bisher dem Publikum größtenteils unzugänglichen Kunstsammlungen in Form
dieser sehr wirkungsvoll aufgemochten Ausstellung leistet somit auch Herzogenburg
einen markanten Beitrag zu diesem so überaus reichen Ausstellungssommer. 7
Den im Vorjahr mit der instruktiven Ausstellung .,Das'l5. Jahrhundert" begonnenen,
der Kunst der Graphik im Verlaufe ihrer historischen Entwicklung gewidmeten
großen Zyklus setzt die Graphische Sammiung Albertina in kongenialer Weise