„Hinterlader", das heißt, sie wurden von
außen, meist von einem Flur aus, geheizt.
Die reizvollsten und kapriziösesten Erzeug-
nisse des Hafnerhandwerks sind die Figuren-
öfen. Sie zählen ihrer Bauweise wegen gleichÄ
falls zur Gruppe der Überschlagöfen. Die
Figuren können als Teil des Ofens geformt
sein oder aber den gesamten Feuerraum um-
schließen.
Zu der ersten Untergruppe gehört ein Über-
schlagofen aus dem Bayerischen National-
museum in München (Abb. 5). Als Wiener
Fabrikat, das als Geschenk in den Besitz des
Museums gelangte, verrät es in bezug auf den
Überschwang des Ausdrucks und die Pracht
seiner Formensprache, den sprudelnden, blü-
henden und faszinierenden Reichtum der
Rokokoornarnente den ganzen Charme öster-
reichischer Hafnerkunst. Der etwas gedrungene
und postarnentartige Unterofen trägt als Ober-
ofen die Figur einer zierlichen Dame in an-
mutiger Haltung mit keckem Hütchen und in
einem modischen Brokatkleid mit rieselnden
Ärmelrüschen und schwingendem Faltenwurf.
Dieser ausgesprochen graziös wirkende Ofen
ist wohl eine der liebenswürdigsten Schöp-
fungen nicht bloß des Rokoko, die aus den
Händen eines Hafners hervorgegangen ist.
Figur und Unterofen bilden einen einheitlichen
Feuerraum, und es ist nicht nur aus ästhe-
tischen Gründen bezeichnend, sondern mehr
noch in wärmetechnischer Beziehung be-
merkenswert, wie durch die geschickt gear-
beitete bauschige Glockenform des Kleides
der Feuerraum über dem postamentartigen,
großvolumigen Unterofen eine heiztechnisch
wirkungsvolle und beträchtliche Ausweitung
erfahrt.
Ein interessantes Gegenstück hierzu beherbergt
das Schloßmuseum zu Linz (Abb. 6). Es ist
gleichfalls eine weibliche Figur, die als „Ahn-
frau" bezeichnet wird. Sie befand sich ehemals
im Graf-Lambergischen Schloß in Steyr, zu-
letzt im Jagdhaus Bodinggraben bei Molln.
Der Figurenofen stellt eine Frau in ober-
österreichischer winterlicher Tracht aus der
Mitte des 18. Jahrhunderts dar. Bekleidet ist
sie mit einer pelzverbrämten Schoßjacke und
einem schwarzen bäuerlichen Hut. Jacke und
Rock tragen eine grüne Glasur, die Pelzver-
brämungen sind braun. Der Ofen hat eine
Gesamthöhe von etwas über 2m; hiervon
entfallen auf die eigentliche Figur 1,10 rn und
auf den postarnentartigen Unterofen 95cm.
Der mit Aschenfall versehene Sockel des Heiz-
körpers ist gemauert. Der runde tönerne
Unterofen mit seiner durch eine Eisentür
verschließbaren Stirnfeuerung trägt zahlreichen
plastischen vegetabilen Schmuck. Er ist in
typisch oberösterreichischer Art „grün ge-
flammt". Der prachtvolle Ofen wurde ver-
mutlich um 1769 in Steyr gefertigt.
Von großem Reiz ist ein Vergleich dieses
Objekts mit dem Wiener Figurenofen aus dem
Nationalmuseum in München (Abb. 5). Beide
Skulpturen stellen weibliche Personen dar,
beide gehören kunstgeschichtlich der gleichen
Epoche an und doch: welch ein Unterschied
in der Auffassung und in der plastischen
Formulierung! Ist die letztere ein erble: Kind
des Rokoko, verspielt und gelöst, mit schwin-
genden Umrißlinien, so ist im Gegensatz dazu
die Figur der Linzer „Ahnfrau" von monu-
mentaler Geschlossenheit, statuenhaft in ihrer
Ruhe und Gelassenheit. Ungekünstelt in
Haltung und Gebarde, erscheint diese Figur
als Sinnbild zeitlosen Bauerntums.
Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Linzer
Beispiel weist ein Figurenofen auf, der aller-
dings einem späteren Zeitabschnitt angehört
und bereits klassizistische Züge aufweist. Er
ist übrigens der einzige, dem Verfasser be-
kannte Halh-Figurenofen. Die aufgerichtete
Skulptur, die verhältnismäßig einfach im
4 Kachelofen. in Schranksyslcm eingebaut, 1m-
koko. München, Srhloß Amalienburg zu
Nymphcnburg, Hunde- und Gewchxkammcr
5 Figurcnofm, Rokoko. Münchm, Bayerisches
Nalionaimuseum
6 Fi renofcn. um 1769. "Die Ahnfrau". Linz.
Scillloßmuscum
7 Figurenofcn in Gestalt eines sitzenden Türken.
Burg Tiumoning (Oberbayern), Heimatmu-
seum. Aus dem alten Pfzrrhof Fridolfing, Land-
kreis LaulTcn (Obcrhayzrn)