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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 78)

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hann Baptist Straub als Hofbildhauer und 
von Johann Georg Härtl (1683-1754) als 
dem kurfürstlichen Hof-„Erdtpoussief zustan- 
de kommt. Nachzutragen ist hier eine erst jetzt 
uns zur Kenntnis gelangte überlieferte archi- 
valische Nachricht, daß J. Gg. Härtl für „vmb 
dahin verfertigte" Öfen im Rokoko-Schlöß- 
chen Amalienburg im Nymphenburger Schloß- 
park den Betrag von 250 Gulden ausbezahlt 
bekam. Sie ist jedoch identisch mit einem von 
uns bereits zitierten und mit ihr übereinstim- 
menden Bericht seines Sohnes Anton Thaddäus 
llärtl, wonach sein Vater zwei Öfen nach 
„Nymphenburg" geliefert habe. Es steht außer 
Debatte, daß sie wie die Brühler Stücke eben- 
falls nach Entwürfen von F. Cuvillies d. Ä., 
dem Erbauer der Amalienburg (1734-1739), 
ausgeführt waren. Dank dieser beiden unab- 
hängig voneinander überlieferten Archivalien 
war es uns möglich, jetzt einen dieser beiden 
Öfen mit Sicherheit zu identifizieren. Es han- 
delt sich dabei urn ein weder in seiner Sockel- 
zone noch in seinem oberen Aufbau von seiner 
Umgebung zu unterscheidendes Werk von 
höchst ungewöhnlicher Form, für das eine abge- 
rundete gekachelte Ecke in der Gewehr- und 
Hundekammer in der Amalienburg ausgenützt 
ist. Völlig angepaßt der übrigen, Gewehrschrän- 
ke und Kojen für die Jagdhunde enthaltenden 
Ausstattung dieses Raumes mit seiner in 
„indianischer Manier" (d. h. in Delfter Blau 
auf weißem Grunde) durch  Pascalin Moirett 
erfolgten einheitlichen dekorativen Bemalung, 
ist in einer höchst amüsanten Verwischung 
der Realitätsgrade in der Sockelzone dieses 
Ofens sogar eine Hundekoje angebracht, die 
sich durch nichts von den anderen Behält- 
nissen der übrigen Wandverkleidung unter- 
scheidet-i. 
Wie wir in diesem Aufsatz schrieben, befand 
sich die kurfürstliche Hof-Fairencemanufaktur 
in München in dem im Jahre 1670 errichteten 
und im zweiten Weltkrieg zerstörten soge- 
nannten „zweiten" Seidenhaus am Oberanger, 
dem früheren Heumarkt. Zur Zeit unserer 
Publikation ahnten wir jedoch noch nichts 
von der Existenz eines unter dem gleichen 
Aspekt der Münchener Hofkunst entstandenen 
Kachelofens aus etwas späterer Zeit, bei dem 
wie bei den Brühler Zieröfen das gleiche 
Künstlerensemble zusammenarbeitete. Einem 
glücklichen Zufall ist es zu verdanken, daß 
wir mit einem erst vor kurzem zum Vorschein 
gekommenen und bisher völlig unbekannten 
Werk aus Münchener Privatbesitz unsere im 
Jahre 1963 veröifentlichten Forschungen jetzt 
vervollständigen und auf diesem Gebiet zum 
Abschluß bringen können4. Es handelt sich 
bei ihm um einen vorzüglich erhaltenen, weiß 
glasierten Fayenceofen (Abb. 1, 2) von betont 
straffer Eleganz, dessen (seitlich zu schürender) 
Feuerkörper auf einem geschwärzten guß- 
eisernen originalen Untersatz mit vier ge- 
schuleiften Beinen ruht (256 X 72 x 52 cm). Vom 
feuertechnischen Standpunkt aus betrachtet, 
22 
sache, daß die aus  hergestellten 
größeren Zieröfen der in Rede stehenden 
Epoche in der Regel von rückwärts (d. h. vom 
Flur aus) zu beheizen sindS. Seiner sicheren 
Provenienz nach stammt das qualitativ ganz 
vorzügliche Stück laut Angaben des Vor- 
besitzers aus einem Kavalierhaus am Südlichen 
Schloßrondell Nr. 21 in München-Nymphen- 
burg. Diese an den beiden Auffahrtsstraßen 
zum Schloß gelegenen und ab 1728 durch 
einen Hofarchitekten (Joseph Effner) erbauten 
Pavillons verschenkte der Landesherr meist 
an Hofbeamte 6. Diese zehn Gebäude des 
Pavillonrondells sowie andere Kleinwohnungs- 
bauten beiderseits des Kanals sollten nach dem 
Willen des bayerischen Kurfürsten den Auf- 
takt zu einer freilich nie zur Ausführung ge- 
langten „KarlstadW bilden. Soweit wir sehen, 
ist dieser gleichsam flgural erscheinende Mün- 
chener Rokoko-Ofen ein Unikum sui generis. 
In der Blütezeit des Rokoko entstanden, ge- 
hört er zu den bedeutendsten Erzeugnissen 
der Münchener Hofkunst auf dem Gebiet der 
Fayenceherstellung. Ohne in Überheblichkeit 
zu verfallen, darf man hier ruhig von Welt- 
klasseformat sprechen, das mit diesem Spitzen- 
stück der Münchener Hof kunst erreicht wird. 
In Ergänzung zu der bereits erwähnten Publi- 
kation sei es uns gestattet, zu seiner typus- 
mäßigen wie künstlerischen, ikonographischen 
und datierungsmäßigen Einordnung noch 
einige Bemerkungen hier anzufügen. 
Wie die um 1741 ausgeführten prunkvollen 
Brühler Kachelöfen, so gehört auch das um 
1750 zu datierende, neu entdeckte Münchener 
Stück zu der Gattung der „Bildhauer"-Öfen7, 
die geradezu ein Signum der höflschen Mün- 
chener Ofenkeramik in der 1. Hälfte des 
18. Jahrhunderts ist. Motivisch übereinstim- 
mend mit dem Brühler „Clemens-Augusr"- 
Ofen ist auf der Vorderseite des Feuerkörpers 
ebenfalls eine in Hachem Relief ausgeführte 
geschweifte Kartusche (37,5X47 cm) ange- 
bracht (Abb. 4), deren Rahmen genau wie 
dort die Kurvatur des schatullenartig geform- 
ten Feuerkörpers binnenseitig wiederholt. In 
beiden Fallen wurde für die Ausführung sicher- 
lich ein geschnitztes Holzmodell verwendet. 
Beide Male spielende Kinder in einer wie zu- 
fällig arrangierten Komposition zeigend, sind 
sie kennzeichnend für die künstlerische Hand- 
schrift Johann Baptist Straubs. In Gestalt 
von zwei drallen Putten, denen als Attribut eine 
Notenrolle sowie eine Lyra beigegeben ist, 
ist die Allegorie der Musik auf dem Münche- 
ner Ofen verkörpert, auf die auch die diagonal 
überkreuzten Blasinstrumente einer Schalmei 
und einer Flöte in der Reliefdarstellung der 
Hohlkehle über dem Feuerkörper hinweisen. 
So könnte man vermuten, daß der Zierofen 
ursprünglich zu der Einrichtung eines Musik- 
zimmers in dem Nymphenburger Kavalier- 
haus gehörte. Sowohl die Placierung der 
Reliefkartusche auf dem Feuerkörper wie 
auch ihre Puttendarstellung geht zu gleichen 
 
Francois Cuvillies d Ä. Entwurf (gestochen i. 
villiris a. 1.). Put i-Knrtus Detail aus: 
Portion de Plxfonds trvnn PUC 
6 Francois Cuvillies d. A.. Eutwuri fur einen Faycn 
einer allegorischen Darstellung des Feuers (gcsu 
Cliarpclttier): "Dcsscin d'un Pobllc dc tcrre 
en blau: avcc tous sc orncnlclls" (1745-1755) 
coration de Lambris (19c livre T. Nr. 2) (35 x22 
7 Francois Cuvillics d. P... Entwurf fur ciu Komör 
Kassel (llltl 1749). Lingssrlinittjnr-tzil. ot 
56,5 was Cm. Marburg, Staatsarchiv 
8 lgnaz Günther, Putmkntif mit Vase. 
Fayenceofens Ab . 1 
9 Francois Cuv d. A, Entwurf (gestochen i 
koesch). Putto mit Vase. Detail 1u "Morcc. x t 
"a divers usages" (1745-1755) .. livre I). 
 
ui 
 
  
 
Dckrc 
 
  
  
ANMERKUNGEN: 3 - 10 
1 F. Blümel. Vom Fcucrloch zum Kumtnfclt, in: u 
Kälte, Nr. 10, 1961, S. 187W" lICS. S. U19 m. Ab 
l.. Hager, Nymphcnburr s liloli, Park und Burg 
Führer, München rast, s. 
4 Wcinmüllcr, Munchen, Aukr. '11 v. 30. 9.11.12. 
1411.99. Nr. 1434111. Abb. "m. 73. 
S Ein ganz ungewöhnliches fruhcs Beispiel nn die 1 
"Brustfeurruug" oder den "Vorladcr" ist ein 
o. w. von Knnbrlsslnrir (um 4753) cluworfcr 
die Gattung der „Bildhauerdft-n" einzureihendes 
sehr hoher Qualität (warm) inl Muscheliaal v4 
Rheinsberg, das sirli Friedrirh der Große als Krn 
einem älteren Bau unlgestaltrlt lieli. Vgl. k. nnnni 
und Rokoko-Architektur. l. um. Merlin m92, s. zu 
ß Nymphcnburg - Anitlit-nrt Führer, MÜHCllCn 1' 
u. 29130. - Das erwähnte Knva rliaus ht-rzntl s 
im Besitz des Knintnt-rzit-nrnit-s Juliux (icycr. 
1 Als Beispiel außerhalb der lvlutir-lir-nt-r Kunslznl 
weißglasierter, einheitlich kcramisc 'l' lkttktbkoüftttl 
sich um eine Kugel vVitIClCttdUll Drrlcltctl zus ut-ni 
erwähnt, ar-r sich in der Bibliothek des Neuen 
Potsdam befindet. Er ist als ein Entwurf von Hupper 
anzusehen, zu atssni Anfertigung ßlgclli noch t-ln ü! 
aus Dresden stnnnnt-ntlrr Tiipfcr in tn- Dobct 
Vgl. M. Klzt, Zur t -nt- t- d: 
Die Karhcl- und irutvicrkutistnl. n 
s. 16- 22. Zu. nach: K. Strauß, Kalthclu und Ofen 
Brandenburg, .0.. s. 30 uud Abb. LVI, Nr. 20. 
x j. Laran, Cuv . DCSSltmtCHt e! zrrliiir-rtr- (: l_ 
ornelnaniitts), Paris o. ]. (: man), Abb. 14. 
v Europäisches R0kOkO,Mill1(llCHl95H AilssL-Kal 
und n. -- w. Braunfels. F. d. (Üuvilliüx. nirs. 193a 
F. Blcibaum. Johann August Nahl. linden bei Wi 
o. i. t: 1933), s. 135-131 mit Taf. XVH. 
w Das Blatt wurde von rrztit-nls cin-illit-s d. j. in SCll 
werk „Ecolc dc YArchiIccIilrc Bavaroise" vrrnrrti 
er auch als „Vitruvc Davaroisc" bczcichnctc. Vgl 
Schnell. Ein Lt-ltrwerk der Architektur rtii- iliytri 
Cuvillies d. 1.1 Ecolc de YArChiIt-cture Davon 
München 1962 (IIILISClI. Ex.). 
 
 
  
    
 
 

	        
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