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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 79)

Die Einstellung der adeligen Auftraggeber zu 
jenen historischen Stilen, die sie für die Aus- 
stattung ihrer Bauten als geeignet erachteten, 
im wesentlichen romantisch und un- 
duktrinär. Ganz anderer Art waren dagegen 
die Voraussetzungen, aus denen sich der 
große Aufschwung aller dekorativen Künste 
in den folgenden Jahrzehnten ergab. 
Die Forderung, mit wissenschaftlichen Metho- 
den den zeitgemäßen Stil zu linden, führte im 
Jahre 1851 zur Gründung des South Ken- 
sington Museum, des heutigen Victoria ancl 
Albert Museum in London, nach dessen Vur- 
bild im Jahre 1864 das Österreichische Museum 
für Kunst und lndustrie in Wien eröffnet 
wurde. Der Bildungsarbeit, die von diesem 
lnstitut und von der ihm (1867jl68) ange- 
schlossenen Kunstgewerbeschtile geleistet 
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Gegensatz zur vorangehenden Epoche, deren 
Werke vielfach auch auf dem Lande anzue 
treflen sind, ausschließlich in der Stadt. G0 
tragen wird die Kultur dieser Epoche in 
erster Linie vom Großbürgertum, jener breiten 
Schicht der durch den industriellen Fortschritt 
zu Vermögen und Reichtum gelangten Unter- 
nehmer, Fabrikanten und Bankiers. Diesem 
neu erworbenen Reichtum folgten „Luxus, 
Wunsch und Bedürfnis nach einer besseren 
Ausstattung. nach einer schöneren Umge- 
bungf". Um dem zu entsprechen, entstanden 
nun die großstädtischen Wohnhäuser und 
Paläste der I-"inanzaristokratie. Dabei vertrat 
man die Ansicht, daß für die künstlerische 
Gestaltung dieser Bauwerke „nur die aus dem 
röntischen Weltstil erwachsene italienische 
Renaissance mit ihrem wohlgeglierlerten. 
(ieschichteml. Aus diesen Worten spricht der 
ganze Optimismus jener fortschrittsfreudigen 
und auf ihre Leistungen so stolzen Zeit. 
Richtungweisend für die weitere Entwicklung 
des Wohnungswesens und der lnnendekoration 
wurden zwei Bauwerke, die damals auf der 
Ringstraße entstanden: der Heinrichshof von 
Theophil Hansen und die Oper von Siccards- 
hurg und Van der Nüll. Mit dem lleinrichshof 
war erstmals für Wien der Typus des groß- 
städtischen Zinshauses oder „Zinspalastes", 
wie man damals sagte, mit seinen herrschaftv 
lichen Wohnungen geschaHen worden. Bei 
der Ausstattung der Oper, die die höchsten 
Ans rüche kaiserlicher Repräsentation zu 
erfüllen hatte, fand Van der Nülls dekora- 
tive Begabung ein reiches Betätigungsfeld. 
Die praktische Durchführung dieses großen 
Auftrages wurde zur Hohen Schule aller daran 
beteiligten Künstler und Handwerker. Sehr 
mit Recht konnte Van der Nüll als der „Re- 
generatorml des Wiener Kunstgewerlies be- 
zeichnet werden. Sein Schiller Josef Storck 
wurde darin sein würdiger Nachfolger, als er 
die beim Bau der Oper gemachten Erfahrungen 
anschließend während einer langen und äußerst 
fruchtbaren Lehrtätigkeit als Leiter der Kunst- 
gewerheschule verwertete. Eine Vielzahl 
kunstrewerhlicher Erzeu nisse von hoher 
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Qualität, die sich in den Sammlungen des 
Österreichischen Museums erhalten hat, geht 
auf einen Entwurf zurück. 
Wie sich die leitenden Männer an Museum 
und Schule die zeitgemäße Gestaltung des 
Mobiliars dachten, zeigt wohl am besten der 
mit kaiserlicher Subvention für die Eröffnungs- 
ausstellung (1871) des neuen Hauses am 
Stubenring ausgeführte Schmuckschrank. Von 
Storek im Renaissancestil entworfen, die Aus- 
führung der Tischlerarbeit von F. Michel, die 
Gemälde von F. Laufberger, wurden hier 
Anregungen der deutschen und italienischen 
Kunst des 16. Jahrhunderts miteinander ver- 
bunden und so eine völlig neuartige Gesamt- 
wirkung erreicht. Damit erweist sich dieses 
Werk als ein vorbildliches Beispiel der als 
„Wiener Stil im Kunstgewerbe" bezeichneten 
Richtung, denn „es ist speziell die italieni- 
sche Renaissance mit ihrem feineren Schön- 
hcitsgefühl ., welche in Wien gepflegt 
w'tirtle"1(l. 
Auf dem Gebiet der Mobelktinst bildet ohne 
Zweifel der Aquarellenschrank, der dem öster- 
reichischen Kronprinzenpaar von den Wiener 
Industriellen und der Kaufmannschaft zum 
Geschenk gemacht wurde (anläßlich der 
llnchzeit, 1881), eine kaum mehr zu über- 
bietende Leistung. Mit seinen Gemälden von 
H. Canon, den Schnitzereien von H. Klotz, den 
in Silber gegossenen Figuren und den aus 
dem QlelChCn Material verfertivten Reliefs und 

	        
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