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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 79)

und die Bildung der Arme und Hände. Der 
mit einem Palmzweig herabschwebende Engel 
trägt auf den Faltenkanten dieselbe leuchtende 
Zeichnung wie die Heerscharen des Engels- 
sturzes. Die kleineren Engel sind durch die- 
selben Strukturen angedeutet wie vergleich- 
bare Partien des großen Bozzettos. Auch in 
Nebenzonen, wie am Erdboden, sind Farben- 
skala und Strukturen auffallend gleich. Ihre 
Pastosität, ihr Farbenspiel und ihre Ober- 
flächenbildung sind besondere Merkmale einer 
einzigen Persönlichkeit, die über die Möglich- 
keit jedes Schulzusammenhanges hinausgehen. 
Die Hubertusskizze festigt weiter die Ein- 
ordnung des großen Engelssturzes. Als Datie- 
rung wird das letzte Jahrzehnt des 17. jahr- 
hunderts vorgeschlagen. Wir haben eine 
Farbenskala vor uns, wie sie in den Altarbildern 
des Passauer Domes vorliegt, die erst im 
Tittmoninger Michael durch eine neue Tonart 
abgelöst wird. 
Mit den bisher bekannten drei Skizzen aus 
Karlsruhe und der Sammlung Reuschl zeigen 
uns die hier veröffentlichten fünf unbekannten 
Werke den Künstler in einer neuen, intimeren 
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Sicht. Wir erhalten dabei auch neue Gesichts- 
punkte zur Beurteilung seiner Arbeitsweise. 
In einer Serie von Bleistift-, Rötel- und Feder- 
zeichnungen sind uns seine zeichnerischen 
Wcrkvorbereitungen vertraut. Sie reichen bis 
zum fertig ausgereiften Entwurfin Form einer 
farbig aquarellierten Federzeichnung. ln diesem 
Falle ist wohl kein farbiger Öl-Bozzetto mehr 
notwendig gewesen. Wir kennen mehrere 
solche Aquarellskizzen, wie beispielsweise den 
genannten Entwurf für die Se-johannis- 
Spitals-Kirche. 
Die andere Möglichkeit der Entwicklung war 
der Persönlichkeit Rottmayrs noch angemes- 
sener, und sie war wohl in seiner früheren Zeit 
auch der häuügere Vorgang. Sie verlief über 
verschiedene zeichnerische Vorstufen bis zu 
einem ersten Abschluß in Form einer Feder- 
oder Rötelzeichnung, die nur einfarbig laviert 
war. Damit war der Kompositionsentwurf ab- 
geschlossen. Durch eine Quadrierun g in Bleistift 
erlaubte die Federzeichnung die maßstäbliche 
Übertragung auf Leinwand für weitere Arbeits- 
vorgänge ebenso wie für die große Ausführung. 
Nun konnte die Fixierung der koloristischen 
Vorstellungen in einem polychromen Bozzettc 
erfolgen. 
Mit den Grundlagen der Federzeichnung und 
des Bozzettos oder mit der farbig aquarellierten 
Federzeichnung allein waren alle nötigen Werk- 
vorbereitungen gegeben. Daß Rottmayr gerne 
den komplizierteren Weg, Zeichnung plus 
Öl-Bozzeto, gewählt hat, entspricht seinem 
Temperament, das zur Afanbia neigte. 
Die existierenden voll ausgeführten Modelle 
sind nur aus dem Bedürfnis der Auftraggeber 
zu verstehen. Hier beginnt künstlerisch be- 
reits der ermüdende reproduzierende Vorgang, 
der gerade bei Rottmayr dann in der groß- 
formatigen Ausführung oft zu einem Nach- 
lassen der Qualität führte. 
Im Konzentrat des kleinen Bozzettos, der 
Vollendung im scheinbar Unvollendeten, liegt 
seine Stärke. Die kleinen Meisterwerke zeigen 
den stürmischen Atem des Barockkünstlers, 
der die Flächen der Kuppeln und Altäre mit 
seinen Visionen füllen will. Es wird eine 
schöne Aufgabe der Forschung sein, den 
Bozzetto der Großmaler des Barock weiter 
zu erforschen.
	        
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