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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 1)

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r8. Jahrhunderts zu bezeichnen. Selbst auf das allezeit zierlustige Ober- 
italien darf diese Bezeichnung ihre Anwendung finden; aber keineswegs 
auf Rom und Toscana. In Rom und Florenz ist die Renaissance abge- 
schlossen spätestens mit der Mitte des 16. Jahrhunderts, darauf folgt der 
Barockstil. In Deutschland und Oesterreich gibt es dagegen, mit höchst 
seltenen Ausnahmen, überhaupt keinen strengen Barockstil nach römischer 
Art; es gibt hier nur einen Mischstil, der zwar einige Grundzüge der 
barocken großen Formengebung adoptirt hat, aber im Uebrigen ganz 
von dem decorativen Geiste der Renaissance erfüllt ist. 
Im Anschlusse daran möchte ich Ihre Aufmerksamkeit gleich auf 
eine Erscheinung in der modernen Kunst lenken, die gerade durch das 
eben Gesagte ihre richtige Beleuchtung und Erklärung findet. In der 
modernen Architektur begegnen Sie kaum einem Bau, im modernen 
Kunstgewerbe kaum einem Gegenstande, der rein im Geiste des strengen, 
typischen Barockstils erfunden wäre. Entweder sind diese Dinge der 
Spätrenaissance nachempfunden, oder sie sind überhaupt unverfälschte 
Renaissance-Sprösslinge, die nur unter angenommener barocker Flagge 
gehen. Man glaubt gar nicht, wie viel wAltdeutschesu in unseren mo- 
dernen Barockarbeiten enthalten ist. 
Wir sind bisher zu dem Ergebnisse gelangt, dass im reinen ty- 
pischen Barockstil das Decorative zurückgedrängt erscheint. Von Rom 
und Florenz hatte die decorative Kunst in jener Zeit keine entscheidenden 
Anregungen zu erwarten; die moderne Architektur und das moderne 
Kunstgewerbe wird daher von dieser Seite her auch nichts mehr erwarten 
dürfen. Nun sind wir zu dieser ganzen Untersuchung angeregt worden 
durch die Beobachtung, dass die Malerei jener Zeit sich für unsere mo- 
derne Malerei so überaus fruchtbar erwiesen hat. Es drängt sich die 
Frage auf, wie sich denn Italien, die Wiege des architektonischen Barock- 
stils, zur Blüthe der Malerei im Barockzeitalter verhalten hat. Da wird 
uns die überraschende Antwort, dass gerade an demjenigen, was den 
specilischen Charakter der Malerei des 17. Jahrhunderts ausmacht, die 
italienischen Schulen nur einen mehr oder minder untergeordneten An- 
theil gehabt haben. Die Gipfelhöhen der Malerei des r7. Jahrhunderts 
bezeichnen wir mit den Namen Rubens, Rembrandt, Velasquez. Davon 
ist einer ein Flamänder, der zweite ein Holländer, der dritte ein Spanier. 
Die großen, für die moderne Kunst so bedeutsamen Erfolge der Malerei 
des l7.J8lll'hl1l1dBl'IS wurden gar nicht in jenen Ländern erstritten, deren 
Barockstil wir bisher untersucht haben: nicht in Italien, der Heimat des 
Barockstils, aber auch nicht in Wien, Oesterreich, Deutschland, die wir 
zum zweiten Beispiele gewählt hatten. Wir werden uns daher nun in 
jenen anderen Ländern umsehen müssen, in denen die großen Maler 
jener Zeit gehaust und geschalfen haben. Wir werden fragen müssen: 
wie hat sich _der Barockstil in Spanien, in Flandern, in Holland geäußert? 
(Schluss folgt.)
	        
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