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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 80)

dürfen, daß Ostendorfer, der um 1519 noch 
mehrere Aufträge für die Wallfahrt zur 
Schönen Maria übernommen hatte, schwerlich 
zwei Altäre im selben Jahre vollenden konnte. 
Das andere signierte Werk, der Schmerzens- 
mann des Neuburger Heimatmuseums, ent- 
stand gleichfalls 1520 (Abb. 4). „Mit dem 
Christuskopf auf dem Schweißtuche von 1520 
gehen nur überein Augenschnitt und Dornen- 
krone. Alles andere ist locker gemalt, die 
llaarbehandlung eine gänzlich andere. . ."9. 
Mag die Beurteilung des Bildes durch seinen 
schlechten Zustand erschwert sein, so zeigt 
sich in ihm doch ganz deutlich ein mehr 
volkstümlich expressives Temperament, das 
der vom Schweißtuch-Bildfragment allzu ein- 
seitig geprägten Vorstellung von der „stillen 
und beseelten" Art des „vornehm gesinnten 
Kleinmeisters" nicht entsprichtlo. Dagegen 
bestehen wiederum enge Beziehungen zu der 
lebhaften und derberen, in gleichem Maß zur 
Verzerrung neigenden Darstellungsweise der 
ljligius-Bilder. Neben dem kennzeichnenden 
Augenschnitt gibt es noch die auffällig ge- 
spannt vortretenden und spitz zusammen- 
laufenden Halsmuskeln, wie sie im Bild der 
Heilung eines Lahmen an dessen Halse 
wieder in Erscheinung treten. Sollte hier auch 
die gleiche Form des weiten Halsausschnit- 
tes eine zufällige Übereinstimmung sein? 
Sollten sich die historischen Nachrichten und 
die ikonographische Bestimmung als zu- 
treffend erweisen, woran schwerlich zu zwei- 
feln ist, so wäre in diesen verhältnismäßig 
sehr gut erhaltenen Gemälden ein Hauptwerk 
Michael Ostendorfers wiedergewonnen, an 
dem sich unsere Vorstellung vom bisher 
schwer faßbaren Frühstil des Meisters nun 
auf einer unerwartet breiten Grundlage orien- 
tieren könnte. Deutlich ließe sich feststellen, 
welches spezifische Mischungsverhältnis sich 
aus der Bindung an Altdorfer und dem 
eigenen, weniger hochgespannten Ausdrucks- 
vermögen ergeben hat. In der Erörterung der 
Beziehungen zwischen den Eligius-Tafeln und 
den beiden einzigen gesicherten Frühwerken 
ging es in erster Linie um den Nachweis des 
Gemeinsamen in der Handschrift, seiner 
Manier. Im Folgenden sind die vorliegenden 
Äußerungen zum Stil des Monogrammisten I 
kurz zusammengefaßt (soweit auf die Nürn- 
berger Tafeln bezogen) und als vorläunge 
Kennzeichnung des frühen Ostendorfer zu 
dessen späterem Schaffen in Verbindung ge- 
setztll. Die Abhängigkeit von seinem mut- 
maßlichen Lehrer ist evident, er muß Werke 
wie dessen St. Florianer Altar genau gekannt 
haben. Der Künstler wiederholt den Typen- 
schatz nicht schülerhaft, sondern besitzt ein 
ganz eigenes Erzählertalent und eine be- 
sondere Farbenauffassung. Das Schulgut er- 
fährt bei ihm eine Umsetzung ins Volkstüm- 
liche, Anspruchslosere, und diese Tendenz 
zum Einfachen, oft vierschrötig Derben 
nimmt in seiner über drei Jahrzehnte währen- 
den Tätigkeit zu. Ostendorfer war mit einem 
starken und ursprünglichen Farbensinn begabt. 
In der kräftigen, kontrastbetonten Farbgebung 
bevorzugt er in der Frühzeit neben grellen, 
braunen und blauen Tönen vor allem Rot 
und Grün in den verschiedensten Schat- 
tierungen. Später verstärkt sich die Neigung 
zu einem gedämpften, dunklen und stellen- 
weise branstigen Kolorit. Der Auftrag der 
Farben ist fest, oft körnig. Gelegentlich wird 
die Farbe aufgespritzt und dann mit dem 
Pinselstiel bearbeitet, ein Verfahren, das 
ebenfalls im Spätwerk zu beobachten ist. - 
An den Nürnberger Tafeln Hel stets das 
eigenwüchsige Erzählertalent auf. Hier kann 
an die etwa gleichzeitige, höchst anschauliche 
Schilderung der Wallfahrt zur Schönen Maria 
in Ostendorfers bekanntem Holzschnitt er- 
innert werden. Später kommt ihm diese 
Begabung in mannigfachen Arbeiten für die 
Buchillustration zugute, doch belebt sie auch 
noch den Schematismus seines späten Re- 
formationsaltares von 1553-1555. Ä Im künst- 
lerischen Aufbau fehlt ihm „jegliche vom 
Sinn der Bilder ablenkende dramatische (d. h. 
leidenschaftlich überspitzte) Gestaltung. Es 
wird nur erzählt. Die einzelnen Tafeln finden 
eben in ihrer Sachlichkeit ihre Erfüllung und 
in dem, wie alles aneinandergereiht ist, nicht 
im genauen Bildnis, im Abbild eines Kopfes 
oder in der sauberen Malerei einer Örtlich- 
keit" 12. Dieses Urteil über den Reformations- 
altar könnte schon für den sachlich handfesten 
Vortrag des Nürnberger Zyklus stehen, auch 
wenn diesen noch eine lebhaftere Nuancierung 
auszeichnet. Gelegentlich ist dem Maler eine 
absonderliche, oft zuchtlose Formphantasie 
vorgeworfen worden. Bei seinen Figuren 
fallen besonders seltsame Schädelbildungen 
und übertrieben langgezogene Beine auf. Die 
eigentümliche Augenbildung wurde bereits 
erwähnt. Der Adam des Regensburger Sün- 
denfall-Bildes von 1539 könnte in seiner 
merkwürdig abgewinkelten Haltung noch auf 
ganz ähnlich verrenkte Stellungen des Lahmen 
und des Gefesselten im Bilde der Heilung 
des Besessenen zurückweisen. „Ostendorfer 
versetzt seine Themen möglichst in eine 
Landschaft, die im Sinne einer Raumsphäre 
keine echte Landschaftsdarstellung ist, son- 
dern nur als Beiwerk zur Erweiterung der 
Bühne einer menschlichen Szene zu betrachten 
ist. Das Figürliche herrscht immer vor."13 
Sinngemäß gilt das gleiche für die Innenraum- 
darstellungen. Seit etwa 1530 geht diese 
gegenüber Altdorfer ohnehin reduzierte Be- 
deutung des Raumes in immer stärker wer- 
dendem Maße zurück. Seinem robusteren 
Charakter entsprechend bevorzugt der Maler 
gedrungene, massige Bildarchitekturen mit 
starken Mauerzügen und schweren Gewölben. 
In der früheren Zeit gelangen hierfür oft 
romanisch geformte Elemente, später renais- 
sancemäßige zur Anwendung. Die Vorliebe 
für wuchtige Formen äußert sich im Detail 
beispielsweise im Taufbecken der Nürnberger 
Taufdarstellung und in seiner sehr ähnlichen 
Wiederbenutzung im Taufbild des Refor- 
mationsaltares. 
Wenn mit den Nürnberger Tafeln nicht nur 
das namengebende, sondern vor allem das 
stilistisch zentrale Werk aus dem Oeuvre des 
Monogrammisten I ausscheidet, wird zu prüfen 
sein, ob noch andere ihm zugeschriebene 
Gemälde nun ebenfalls für Ostendorfer in 
Betracht gezogen werden können. Über- 
zeugende Homogenität hat die Werkgruppe 
um diesen Monogrammisten von Anfang an 
nicht ausgezeichnet. Seit E. H. Zimmermann 
werden die vier kleinen Marienbilder mit der 
Heimsuchung (Cleveland), dem Tempelgang 
und Tod (Privatbesitz) sowie der Himmel- 
fahrt (früher Colnaghi, London) als Spätwerke 
hinzugezählt. Zuletzt hat A. Stange in diesem 
Sinne neben der ungewöhnlichen Vehemenz 
des Pinselstriches die Reduktion der Körper- 
lichkeit und das Graziöse der Figuren, die 
Raumweite und insbesondere die kühne Farb- 
komposition wie auch die nervöse, durch- 
lichtete Konturzeichnung hervorgehoben - 
also alles Eigenschaften, die den viel weniger 
dilferenzierten Nürnberger Tafeln und erst 
recht dem Spätwerk Ostendorfers durchaus 
abgehen". Man wird doch eher F. Win- 
zinger zustimmen, wenn er auf Grund der bei 
beiden Zyklen so grundverschiedenen Auf- 
fassungen ihre Zusammengehörigkeit ablehnt, 
es sei denn, eine noch frühere Phase von 
Ostendorfers Schaffen würde greifbar, in der 
eine entsprechend stärkere Bindung an Alt- 
dorfers Art - wie etwa bei diesen Tafeln - 
in Erscheinung träte15. 
Von den Erörterungen weiterer Zuschreibun- 
gen darf in diesem Beitrag Abstand genommen 
werden. Sie sind für die Klärung des Haupt- 
problems, der Gleichsetzung des Monogram- 
misten I mit dem frühen Michael Ostendorfer, 
von geringerer Bedeutung, wenn sie auch so 
gewichtige Fragen wie die nach den Be- 
ziehungen zum sogenannten Fronleichnams- 
altar von 1517 in Regensburg berühren. Die 
Ausstellung in St. Florian wird, so darf man 
hoffen, Gelegenheit bieten, die künstlerische 
Seite des Problems in all seinen Aspekten zu 
diskutieren. 
ANMERKUNGEN 1- 15 
l Vgl. zuletzt Amiilr wyimi, Michael OSlCndOffCf. Phil. Dias. 
Freiburg i. m. 1961. 
1 Das sChwtißlurh der heiligen Veronika, lszo. n: CHSblllg, 
StidtiiChts Musltum. f Dcr SCIIIIICIKIISIHIHKI. 15 . Neu- 
lJUtg i. a. Donau. HCÜIJAIIIIHSCUHI. 
Fnnlcs monastcrii s. Emmctalni Ratisboncnnis. htarb. von 
Max. Picndl. in: Quellen und Fnrschungrn zur Geschichte 
des ehemaligcn llcichssliflts St. Emmetnm in Rc ensburg. 
Thum- und- Taxi Studien l. Kallmünl 1961, Nr. 474. 
4 Vgl. WYIICII, np. cit.. s. 36m 
ß m: Gemälde des u. bis 1a. Iälhthlllldtfß, min. von E. Lutzc 
und E. Wiegand, Leipzig 1937, m. als-m. - E. u. Zim- 
mßfltlälün, LIS Altdorfers Umkreis. In: Anzeiger dzs Ger- 
22 
manischen Nationalmuseums, Jg. 1932133, S. 11911". - 
Katalog der Ausstellung "Albnch: Altdorfer und sein Kreis", 
München 1933, Nr. 686i693. - Die Tafeln sind im Ver- 
zeichnis des Nachlmcs von Furstabl Coclcslin Slciglehncr 
von 1819 untcr dcn Nr. 1439771442 aufgcßihrt. An der 
Identität kann nach den Bildbcschtribungcn des Verzeich- 
nisscs kein Zweifel bestehen. W BIYCI. Staatsarchiv Ambcrg. 
Landgericht Regensburg. Zug. 154. Nr. 7. 7 Hcrm Archiv- 
dircktor Dr. Heribert Sturm hahe ich für freundliche Hilfe 
bei der Einsichtnahme in die Akten zu danken. 
Vgl. zuletzt A. Stangc, Mzlcrci dct Dolaausrhulc. Münchm 
1964, S. 92h, 144i". 
A. Slangc, op. cic. s. 145. - um" Prof. Dr. Alfred Stange 
bin ich fit die bereitwilligc Überlastung du brieflichen 
Mitteilung von Herrn Dr. Hans Aurmhammcr zu bcsondcrezn 
Dank verpßichrer. 
I Der Heiligen Leben und Leiden, Bd. 1 (Wintcrreil), Leipzig 
1913, s. 185. - ZU! lkonographic dcs hl. Eligius vgl. (ßmer 
Feln-ie, Die Eligiussage, Fienlmiee 1940. V x. v. Etzdorf, 
Der hl. Eligius und die Typen scinn Darstellung als Patron 
der Goldsdlmiede und sdnniede, m1. Diss. München 195a. e 
n. A. sueeiedovee de „Vita lgü" In: Bijdragm tot de 
ene, Bd. s, l956.S.90R'.,1601T-.22lli 
 
gcschicdcnis. s. 
v A. wynen, o . s. a9. 
w A.Stang:,0p.cit 5.94. 
H Im fol enden xi d zum Teil wörtliche zime zu: den in 
Anrncr ung s gcnanntcn Arbeiten enthalten. 
i: A. Wyncn. Op. ein. s. 11. 
I1 A.Wyncn.op.cil., S.196f. 
H A. Srangelo .e-n.. 5.92. 
ß Walter Boll an die Maxienlzfcln Sei: langem für ganz frühe 
Werke Michael Ostendotfeß. 
 

	        
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