Buch über die ungarische Tafelmalerei hin-
gewiesen hat.
Das bedeutendste Werk, in dem sich die neue
Richtung dokumentiert, ist der Altar von
Banskä Stiavnica (Schemnitz) in Oberungarn,
im heutigen slowakischen Raum. Von den
sechs Tafeln, die den Hauptaltar der Kirche
schmückten, sind vier im Christlichen Museum
in Esztergom, eine im Nationalmuseum in
Budapest und nur eine verblieb in Szentantal,
in einem kleinen Nachbardorf, wohin der
Altar einst gelangte. Die Einordnung dieses
Werkes ist immer noch nicht geklärt. Die
Auferstehungstafel trägt das Monogramm M. S.
und die Datierung 1506. Ein 1507 in Selmec-
banya (Banska Stiavnica u Schemnitz) ver-
storbener Meister Sebestyen könnte, wenn die
Identifizierung zutrifft, die Erklärung geben,
wieso man kaum Nachwirkungen dieser be-
deutenden Tafeln feststellen kann. Ursprüng-
lich war dieses Werk mit der Richtung Jörg
Breus in Verbindung gebracht. Es fehlen jedoch
die derbe, bäuerliche Gedrungenheit der
Figuren, die schweren, vom Wind gebauschten
Faltenbahnen, die Plastizität und Räumlichkeit
der dargestellten Gegenstände. Beim Meister
M.S. herrscht noch der feingliedrige nieder-
ländische Realismus vor, die zarte Ausführung
der Details, die sich um eine bildhaft anmutige
Wirkung bemühten. ln diesem Sinne konser-
vativ wirken bei der Begegnung Mariens mit
Elisabeth der modische Kopfputz, die goldenen
Schärpen und Ärmel, die Blumen und die
detaillierte Stadtdarstellung. Und doch, im
Naturgefühl, in der Einbettung der Figuren
in die Natur, in dem schwungvoll in die Tiefe
führenden Weg rechts, in dem Wald links
mit dem knorrigen Ast und nicht zuletzt in
der Farbwahl der blaßvioletten Felsen liegt
so vieles, das wir auch aus den Tafeln der
Donauschule kennen. Das Tragisch-Schmerz-
liche kündigt sich in der Ölbergszene an, die
Kreuztragung steigert die Dramatik des
Geschehens viel mehr im Sinne Dürers, ohne
die Übertreibung Jörg Breus. lm Antlitz des
sterbenden Christus scheint die eigene Note
des Künstlers am deutlichsten ausgeprägt,
während die mit wenigen Strichen gemalte
Kreuzabnahme im Hintergrund der Auf-
erstehungsszene ganz an die Hüchtigen, nahezu
barocken Skizzen der Donauschule erinnert.
In den Tafeln des Meisters M.S. sehen wir
verschiedene stilistische Einflüsse zusammen-
strömen, die von einem eigenen verschlos-
senen, tragisch-lyrischen Ausdruck beherrscht
werden. Das Wesen der Donauschule liegt nicht
so sehr in Details, sondern in dem (iesamt-
ausdruck, der sich in den Tafeln deutlich
abzeichnet.
jene lokale Wandlung ist auch in den anderen
Tafeln hervorzuheben, die in der St. Florianer
Ausstellung zur Diskussion gestellt werden.
Sogar in der „Heiligen Sippe" aus Dubravica
(nach 1510) in der Slowakei, die einem süd-
deutschen Maler zugeordnet werden könnte,
ist jene passive Schwermut im Ausdruck der
Gesichter zu erkennen. Die starken Bewegungs-
akzente in der Gruppenanordnung, die schwin-
genden Faltenbahnen, die das Tafelbild in
Girlanden durchziehen, lassen ebensowenig
wie die leuchtenden bunten Farben einen
Zweifel darüber, daß wir es hier mit den
typischen Eigenheiten des Donaustiles zu tun
haben. Selbst Dürers Holzschnitte, die in
Ungarn eine genaue Wiederholung erfuhren,
werden im Sinne der neuen Auffassung inter-
pretiert. Dies zeigen die beiden Tafeln aus
Szentbenedek in Siebenbürgen (um 1515) mit
den apokalyptischen Szenen. Die Vision des
heiligen Johannes wirkt plumper, bäuerlicher
als auf dem Holzschnitt Dürers, der als eine
der wichtigsten lnspirationsquellen des Donau-
stiles angesehen werden kann. Man merkt an
den ungarischen Tafelbildern eine gewisse
Freude am lnfernalischen, die Farbe schmückt
vor allem die Drachendarstellung aus. Die
verschlungenen Wolken, das auf Tüchern
gehaltene Christuskincl sind zwar Dürer:
Vorbild nachgeformt, aber in ihrer Derhheit
so von barocker Vitalität erfüllt, daß wir den
Vergleich mit Werken der Donauschule ohne
weiteres ziehen können. Das gleiche trifft für
die sehr provinziellen Tafeln aus liethars
(um 1510) in der Nordslowakei zu. In den
Passionsszenen, vor allem in der Ecce-h0m0-
Darstellung und in der Kreuzabnahme leuchten
Dürers Vorlagen durch, einige Kopftypen sind
direkt übernommen. Die Plumpheit zeigt eine
solche Versunkenheit in der urtümlichen
Natur, daß wir auch hier entfernte Nach-
wirkungen jener Geisteshaltung linden, die
im Donaustil eine bestimmende Komponente
war. Auf dem Balkon des Pilatuspalastes sehen
wir Figuren mit den charakteristischen Falten-
röcken, die ein modisches Attribut jener Zeit
waren. Die sehr beschädigten Tafeln aus
Krasznahorka (um 1520) in der Slowakei
zeigen uns diese Details noch deutlicher. Der
Scherge mit dem Federhut in der Kreuz-
tragungstafel könnte ebenso in einer donau-
ländischen Tafel vorkommen. Die Figur ist
steifer, herber, der Gesichtsausdruck lokal
geprägt. An diesen Tafeln fällt die gedrängte
szenische Anordnung auf und die Einfügung
in eine phantastische Landschaft. Die Särge
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