II.
DAS FREIHALTEN DER MITTE.
F ast alle Aufstellung-en von Brunnen oder Monumenten,
wie sie die Alten durchgeführt haben, sind lehrreich
in bezug auf Ausnützung der gegebenen Verhältnisse. So
klar wie in der Antike liegen die Grundsätze in Mittel-
alter und Renaissance aber auch hier wieder nicht zutage.
Beim römischen Forum ist die Freihaltung der Mitte so
zusagen handgreiflich. Wer das nicht merkt, der merkt
überhaupt nichts. Sogar im Vitruv kann man es lesen, daß
die Mitte nicht den Statuen, sondern den Gladiatoren ge
hörte. Verwickelter wird die Frage in jüngerer Zeit. Ab
gesehen davon, daß sich die Fälle von Aufstellungen in
der Mitte der Plätze mehr und mehr häufen, je mehr
die Entwicklung sich unserer Zeit nähert, so scheint
die Wahl der Aufstellungsorte von Brunnen oder Stand
bildern in vielen Fällen jeder Definition zu spotten. Ge
radezu unbegreifliche Orte kommen vor, und doch muß
man sich gestehen, daß, wie beim David des Michelangelo,
ein feines Gefühl dennoch die Wahl leitete, denn alles
stimmt zum besten. So stehen wir vor einem Rätsel —
dem Rätsel des natürlichen unbewußten Kunstgefühles,
das bei den alten Meistern sichtbar Wunder wirkte ohne
Asthetikparagraphen- und Regelkram; während wir mit
Reißschiene und Zirkel hinterher gelaufen kommen und so
feine Fragen der Empfindung mit plumper Geometrie zu
lösen vermeinen.