dung mit Dnnaukunst konfrontiert. Aber
auch er wollte Wesentliches nicht ver-
stehen: Er begriff nicht, daß das luftige
Hängen der in Untersicht gesehenen Zweige
als ein Mittel zur räumlichen Ausweitung
der Landschaft, zur phantastischen Auf-
hebung der an der Erde haftenden Körper-
lichkeit und zum Einfangen eines diffusen,
beschwingenden Lichtes entwickelt worden
war. Der (von ltalien hergeleitete) tiefe
Horizont blieb ihm innerlich fremd. Mit
ihm wäre ihm das Handgreifliche zu sehr
entschwunden, an dem er als Schweizer
hing und von dem er sich auch wegen
seiner dürerischen Grundorientierung nicht
lösen konnte. Leu hat ebensowenig wie
Baldung jemals seine „Diirer-Brille" ab-
gelegt, als er sich der neuen Bilderwelt
Altdorfers näherte. In einer Dürer ge-
mäßen Verarbeitung ist Donaustilistisches
- Formen der beiden Altdorfer, nicht
Hubers i nach dem Oberrhein und der
Schweiz gelangt.
Für die Hauptmeister der damaligen Schwei-
zer Kunst, Urs Graf und Niklaus Manuel,
ist die überragende Kunst Baldungs maß-
geblich gewesen. Dazu kamen wohl Aus-
einandersetzungen mit Grünewald (dessen
Antonius-Paulus-Bild des lsenheimer Altars
und dessen Kreidezeichnungen freilich auch
nicht ohne Baldung denkbar wären) und
immer erneute Riickgriffe auf Diirers
Graphik, der Grundlage für alle Malerei
und Zeichenkunst des frühen 16. jahr-
hunderts, auch für den Donaustil. Die
Einwirkung Leus blieb anscheinend sekun-
där. Immerhin können die „Haarschopf-
Birken", die Niklaus Manuel etwa in seinen
Antonius-Tafeln von 1520 anbringt, wohl
nur von Leu her stammen. Leus Donau-
schul-Modernität, von der man gewiß
wußte, daß sie Maximilian genehm war,
ist mit seinen Holzschnitten von 1516
publik geworden (Abb. 7). Urs Graf wurde
davon kaum berührt. Donaustil-Reminiszen-
zen bei Ambrosius Holbein 1518 in Basel
sind vielleicht zum Teil direkt von Augs-
burg mitgebracht worden - wiederum im
Bewußtsein, daß es eine maximilianische
Kunstweise war. Augsburg, die von Kaiser
Maximilian bevorzugte Reichsstadt, stand
mit den Donauwerkstätten in Wechsel-
beziehung. Dabei wirkte sich besonders
klar die ideelle Bedeutung Maximilians
und seiner humanistischen Vertrauten aus.
Von besonderem Interesse wäre hier der
Holzschnitt der „Utopien"-Schlacht von
Nic. Hogenberg, der 1522 von dem (im
selben Jahr nach Basel ziehenden) Form-
schneider Hans Lützelburger, einem Mit-
arbeiter bei den Augsburger Holzschnitten
für Maximilian, geschnitten worden istl" .
Für Ambrosius Holbein scheint auch der
Baldung-Nachfolger HF von Bedeutung
gewesen zu sein. Von diesem beachtlichen
Monogrammisten, den man mit dem 1522
verstorbenen Basler Hans Franck identi-
fiziert hat15, sind außer der abgebildeten
Zeichnung von 1515 (Abb. 9) eine eben-
falls 1515 datierte Hexen-Zeichnung von
Baldungs Artlö, schillernde Kreidezeich-
nungen von 1517 in Basel aus dem alten
12
Amerbach-Kabinett 17 und Buchholzschnitte
erhalten, die 1519 in Basel gedruckt worden
sind. Parker hat ihm eines der schönsten
namenlosen Bilder der Basler Kunstsamm-
lung zugeschrieben: den 1515 datierten
„S. Hieronymus bettend ein einer wildnus"
aus dem Amerbach-Kabinett (Abb. l1)23.
Das Gemälde ist gleich wenig späteren
Werken von Niklaus Manuel und Hans Leu
auf Leinwandtuch gemalt. Die Anregung
zu dieser Technik, die eine freie Pinsel-
zeichnung ermöglichte, brachte der Meister
vermutlich aus Oberitalien 29 vom Feldzug
nach Novara heim, an dem er zusammen
mit seinem Basler Kollegen Urs Graf und
Anthoni Glaser teilgenommen hatte (im
selben Jahr 1515, da der Basler Rat ihn
mit umfangreichen Arbeiten im Rathaus
beauftragte).
Zwei Probleme sollen in diesem Expose
beiseite bleiben, weil sie nach unserer
Meinung nicht zur speziellen Fragestellung
gehören. Das erste betrifft die Ausbildung
Wolf Hubers. Falls es mit der ganz hypo-
thetisch angenommenen Lehrzeit Hubers
am Oberrhein etwas auf sich haben sollte 30,
so würde diese in die Zeit vor Hubers
Wetteifer mit Altdorfers Kunst und vor
Baldungs und Leus Interesse für Alt-
dorferischen Zeichnungsstil fallen. Das
einzige von Hubers Graphik beeinHußte
Werk am Oberrhein scheint das Basler Lein-
wandbild mit Cephalus und Procris zu sein,
das unter dem Namen Leus zu segeln
pflegt 31. Das zweite ausgeklammerte Pro-
blem ist die Tätigkeit des Monogrammisten
HL, des Meisters des Breisacher Altars,
am Oberrhein. Der Meister ist als Schnitzer
vor allem bemerkenswert; bei den Kupfer-
stichen, deren frühester 1511 datiert ist,
hat die Landschaftsdarstellung so wenig
Gewicht, daß der Vergleich mit den hier
11
12
Monogramlnist HF (a), Büßendcr m, 1
1515. Tcmpcr "nlf Leinwand. Base-l. ömnn
sammlung. so. uns Cm
Monogramlnist CA. H1. Hieronymus oder
1519. Tcmpcra auf Lcinwand. Basel. 0mm
Sammlung. 51 x au cm
Tmymus.
w: Kunst-
wphrius-
xc Kunst-