Kurt Woisetschlager
DER UNBILKANNTE
STAMMEL
l josef Thaddäus Stummel. H1. Antonius v. Pariua in der
Pfarrkirchc von Palfziu
ANMERKUNGEN lfäi
1 Elnl! ZLISLIIHHICIISIClIUHg der biShCrigEn SlaXnmCl-Lilcrrllur
finde! sich im Katalog der Summelausslcllung der AllCn
Galerie am joanueum, November 1965 bis jimicr 1'166.
1 jakob Wicluicr. Geschichte des Bencdiktincrstiftcs Admunt,
4. 1311., 1880. S. 358.
3 Beide Statuen Holz, ältere Fassung, hl. Antonius 100 cm
hoch. hl. ]oh:inncs von Ncp. 80 cm hoch.
4 lÄUCllllS Külilblüll. Sie-irische Bildhauer, ü. j. (1954,),
s. 2s7r. (H!!! Ami).
1 Wichner. op. cit. (siehe Fußnote 2).
6 Holz. neuere Fassung, H. 181 cm.
7 Etwa: Russnitz bei Knirrolfcld. von B. Prandtslüttcr,
2. V. iß.]ii., oder eiii zweiter Christus im Kerker iii der
Kiliwilhgt"! Pfarrkirchc; vgl. auch den 1706 geschanbiirri
SCHHNKZCIISIIIJIIII von M. Guggenbichlcr in St. Wolfgang
(Heinrich llcckrr. M. Gllggtnblthltl", 1949, Fzirbl. n
und Abb. 52 lllld 53).
l Abb. bei Kohlbach. op.cii., Tafel 132.
Bei Josef Thaddäus Stammel, dessen Werk
seit langem Besitz der Kunstforschung
scheint, erwartet man füglich nicht, auf
unbekannte Werke seiner Hand zu stoßen.
Es war daher für alle überraschend, daß
bei den Vorbereitungsarbeiten zur Stam-
mel-Ausstellung der Alten Galerie am
steiermärkischen Landesmuseum JOAN-
NEUM 4 die mit Bcreisungen eines
Großteiles der Admonter Pfarren verbun-
den waren i eine Reihe von Arbeiten
Stammels bzw. seiner Schule gefunden
wurden, die in der Literaturl bisher nir-
gends Erwähnung fanden und die hiemit
erstmals vorgestellt werden.
Bei der künstlerischen und zeitlichen Ein-
gliederung der Neufunrle ergab sich die
Notwendigkeit, XVerkstattbeteiligung und
Nachfolge aufzuzeigen. Endlich war im
XVerke Stammels ein nicht durch Werk-
stattbeteiligung allein erklärbares Chan-
gieren in verschiedenen „Stilhöhen" fest-
stellbar, ein Phänomen, das auch bei
manchen anderen in den österreichischen
Alpenländern wirkenden Barockplastikern
zu beobachten ist.
Diese drei Punkte: Vorstellung unbe-
kannter Werke; Werkstätte und Nachfolge
sowie die unterschiedliche Stilhöhe seiner
Arbeiten sollen daher im folgenden be-
handelt werden.
In der 1733-1735 erweiterten und ver-
größerten Pfarrkirche von Palfaul stehen
an den Langhauswänden auf Konsolen die
Statuen der Heiligen Antonius (Abb. 1)
und Johannes von Nepomuk, in denen wir
die Hand Stammels erkennen können3.
Ein weiteres Werk des Meisters, der
plastische Schmuck des Hochaltares, ist
schon von Kohlbach als Arbeit Stammels
erkannt und publiziert worden4. Dieser
Altar entstand gleichzeitig mit dem Kirchen-
bau, also um 17355. Das Körperhaft-
Voluminöse dieser relativ frühen Werke
Stammels wird auch bei unseren Neu-
funden spürbar; der Faltenstil aber ist
ihnen gegenüber verhärtet und weist, wie
wir glauben, schon auf die mittlere Periode
seines Schaffens hin. Wir werden daher
nicht fehlgehen, diese beiden Heiligen,
die ja an sich nicht zu den bedeutendsten
Schöpfungen unseres Meisters zählen, in
die vierziger Jahre zu setzen - nach dem
Hochaltar von St. Martin bei Graz, aber
vor die nach 1750 bezeugten Arbeiten für
Kallwang.
Ein weiteres vorzügliches, bisher unbe-
achtetes Werk Stammels steht in der
Turmhalle von Kallwang, der reichlich
lebensgroße Christus im Kerker (Abb. 2) 6.
Sein kräftiger, anatomisch genau durch-
modellierter Körper ist - im Gegensatz
zu vielen zeitgenössischen Christus-im-
Kerker-Darstellungen unserer engeren
Heimat - fast herkulisch gebaut; der
Gesichtsausdruck nicht leidend, sondern
von fast kühler, hoheitsvoller Zurück-
haltung. Besonders auffallend erscheint," da-i}
der geschnitzte Körper völlig unversehrt
ist - die Wundmale sind nur in die neuere
Fassung gemalt; ganz im Gegensatz zur
sonstigen alpenlandischen Auffassung7. All
das beweist, claß die Vorbilder für dieses
Werk nicht bei heimischer, sondern bei
italienischer Kunst zu suchen sind - dort
weniger bei der barocken als bei der
Renaissanceskulptur. Diese „klassische"
Auffassung - die übrigens auch im son-
stigen Werk Stammels kaum Entsprechun-
gen hat - scheint uns schon anzuklingen
in Verrocchios Christus mit dem un-
gläubigen Thomas am Or San Michele in
Florenz, während die bei heimischen Schnitz-
werken unübliche Haltung der Hände etwa
bei Danese Cattenos Auferstandenem von
St. Anastasia in Verona eine Parallele
findet. Zeitlich glauben wir dieses Werk
ebenfalls in die vierziger Jahre einordnen
zu können. Der Kopf Christi ist verwandt
mit jenem des Saulus von St. Martinß,
wobei die für Stammel so charakteristische
Bildung der Brauen- und Stirnwiilste wie
auch das an den Mundwinkeln in kühnem
Schwung her-abgezogene Bärtchen beson-
ders typisch erscheint. Daß der Kallwanger
Christus und die beiden vorher besproche-
27