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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 87)

märchenhaft blühende, erregt schäu- 
de Kolorit wetteifert also ständig mit 
Sach- und Handlungsgehalt der Szenen. 
ntmaterialisiert sie sozusagen und be- 
t, daß sie den Charakter einer Fabel- 
annehmen, die aus einer strahlenden, 
h Licht und Atmosphäre potenzierteir 
materie gewoben zu sein scheint, einer 
', die trotz ihrer illusionistischen Ver- 
nwärtigung etwas Flüchtiges, märchen- 
Unwirkliches in sich birgt. Der grund- 
ide Widerspruch des barocken Illu- 
smus (Illusion-Fiktion) ist in Maul- 
uchs Fresko wohl auf eine sehr heraus- 
zrnde Art zur Geltung gebracht. 
rönnte also der Anschein entstehen, 
der junge Maler, in dessen Hände der 
mof eine politisch gewichtige Aufgabe 
gt hatte, das ihm auferlegte Thema 
Lich eigenwillig behandelte und es als 
en Vorwand zu eigenmächtiger Ent- 
ng der koloristischen Mittel, zur 
zng der eigenen koloristischen Leiden- 
:'t benützt hat. Und trotzdem kann man 
n sagen, daß er dadurch seiner Aufgabe 
zu geworden wäre, wenigstens nicht 
dem Maßstab der damaligen Zeit, der 
lingenden Epoche der Aristokratie. 
nern wir uns in diesem Zusammenhang 
in charakteristisches Erlebnis j. W. 
521, des großen Zeugen dieser Über- 
szeit zweier Epochen. In „Dichtung 
Wahrheit" erzählt er von der Ankunft 
e-Antoinettes in Straßburg. Zur Be- 
ung der jungen Erzherzogin, die als 
t Ludwigs XVI. nach Frankreich reiste, 
le in Straßburg ein prachtvolles, mit 
wichen und Gobelins ausgeschmücktes 
errichtet. Die Teppiche des Haupt- 
; schilderten die Geschichte von 
2a, jason und Kreusa, nach Goethes 
:ht die „gräßlichste Hochzeit, die 
richt jemals vollzogen worden". Nach- 
sie der junge Dichter gesehen hatte, 
ie er fast fassungslos darüber, wie es 
ich war, daß man keine Rücksicht 
as Motiv der Szenen genommen hatte, 
en Dekor des Festsaales bildeten, den 
rönigliche Braut zu passieren hatte. 
eblich versicherten ihm seine Freunde, 
kaum jemand die Bedeutung der 
nldeten Szenen wahrnehmen und ihrem 
: nachgehen werde. 
dor Hetzeri sieht die erwähnte Epi- 
aus Goethes Jugend mit Recht als 
kteristischen Ausdruck einer Begeg- 
der alten und der neuen Zeit. Der 
: Goethe, ein Angehöriger der neuen, 
udal orientierten aufklalrerisch-klassi- 
:hen Generation, konnte gegenüber 
iujetseite der Kunst nicht so gleich- 
; sein wie das damals ausklingende 
:kzeitalter, das kein großes Verständnis 
hatte, war ein Bildwerk darstellt, 
las an der bildenden Kunst in erster 
 
Linie ihre sinnliche Wirkung einschätzte. 
Der Verfechter neuer Ansichten konnte 
schwerlich die Tatsache begreifen, daß der 
reinen Dekoration, der pomphaften Ent- 
faltung einer feierlichen Stimmung zwar 
der „Inhalt" fehlt, daß sie aber dafür etwas 
anderes besitzt, nämlich einen eigenartigen, 
spezifischen Zauber und eine ebenso eigen- 
artige Lebendigkeit. Er konnte nicht mehr 
begreifen, welches Vergnügen die Kunst 
als dekoratives Spiel von Farben und For- 
men der aristokratischen Gesellschaft bot. 
Das Formenspiel in der Barock- und 
Rokokokunst des 18. Jahrhunderts war 
wirklich mit dem Lebensstil der damaligen 
Aristokratie innerlich verwandt. Freilich 
konnte ihr Zeremoniell und ein gewisser 
Formalismus ihrer Lebensweise vom auf- 
kommenden Bürgertum nicht akzeptiert 
werden, für das an Stelle des Sensualismus 
die inhaltliche Ausgeprägtheit kennzeich- 
nend ist, und dem entsprach auch seine 
Forderung nach einer neuen gesellschaft- 
lichen Funktion der Kunst. Ein Werk, das 
eine derart zugespitzte Spannung zwischen 
mitteilender und rein künstlerischer Seite 
beinhaltet, wie es auf dem Fresko in 
Kremsier der Fall ist, war in den Intentionen 
des aufkommenden Klassizismus überhaupt 
nicht mehr möglich. Nur in der Zeit des 
ausgehenden Baroeks konnte der Fall ein- 
treten, daß eine autonome Kunstform 
dermaßen mit der Grundidee wetteifern 
konnte, die dem Auftraggeber vorge- 
schwebt war, wie im Fresko von Kremsier. 
In diesem großen Werk des erlöschenden 
barock-feudalen Zeitalters kämpfte die 
Form n1it der Idee dermaßen, daß sie die 
letztere eigentlich überschattete. Denni 
war der Auftraggeber, der feine Km 
kenner Bischof Leopold Graf Egkh, 
Maulhertschs Werk höchst zufrieden. K 
nach Beendigung der malerischen A 
schmückung des Lehenssaales schloß 
nämlich einen weiteren Kontrakt mit c 
Künstler, den Vertrag über die Ausrnali 
des geräumigsten Saales der bischöflici 
Residenz, des sogenannten Großen Saa 
Die Realisation dieses Vorhabens ist jedi 
wegen des jähen Ablebens des Bisch 
nicht erfolgt. 
]Il. 
Das besondere Verhältnis zwischen 
Form und dem Inhalt von Maulberts 
Fresko hatte also auch seine historisi 
Begründung. Versuchen wir diese his 
rische Bedingtheit durch eine Charakteri: 
des Bildlichtes zu Ende zu zeichnen. 
der Einführung wurde bereits erwähnt, r 
es sich um farbiges Licht handelt, d: 
wurden vor allem die spezifischen Eig 
schaften seiner Farbkomponente verfo] 
Nun heißt es vor allem seinen Lichtaspt 
zu behandeln. 
Das Licht durchtränkt im Kremsie 
Fresko restlos die ganze Gemäldefläc 
Es ist sogar in den Schatten mitenthalt 
die im Vergleich mit dem 17. Jahrhund 
ihre Undurchdringlichkeit eingebüßt 
ben. Besonders zwingend läßt sich 
Inältration des Lichts in den mäl 
beschatteten Stellen feststellen, die gleii 
sam durchleuchtet erscheinen, so daß 1 
BegriE „Helldunkel" hier tatsächlich a.n_.
	        
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