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Susan Miller, Hand Grenadas (Handgranaten), 
1969-72, Asche der Hand Paintings 
(Handmalereien), einer Folge von 12 gemeinschaft 
lichen Gruppenarbeiten, 1969 
meiner Meinung nach noch immer nicht genügend gew/ürdigt 
wird. 
Die Erinnerung an Alberto Greco sollte auf die eine oder 
andere Art am Leben erhalten werden. Die Objekte, die er hin 
terlassen hat, können dies nicht wirklich leisten, da er vor 
allem durch sein lebendiges Beispiel wirkte: ein ewiger Rebell 
gegen formalisierende und institutionalisierende Kunst 
tendenzen. Er wurde 1931 in Buenos Aires geboren und 
beging im Alter von 34 Jahren in Barcelona Selbstmord. 
Zwischen Argentinien, Paris und Madrid pendelnd, war er bei 
Yves Kleins Events im Rahmen einer Ausstellung mit dem 
Namen »Antagonism 2: the Object« im Musee des Arts 
Decoratifs in Paris im März 1962 anwesend. Er erschien als 
Sandwich-Mann, und auf den Tafeln, die er trug, stand 
»Alberto Greco, oeuvre d’Art hors catalogue«. Bei gleicher 
Gelegenheit kreierte er als eifrige Hommage an den französi 
schen Künstler erstmals sein Vivo Dito, sein »Abenteuer in der 
Wirklichkeit«. Er ging auf die Straße, zog einfach einen 
Kreidestrich um etwas oder jemanden und signierte es oder 
ihn. »Vivo« leitete sich von vivenda (Lebenserfahrung) ab, 
»Dito« von dedo, der Finger, der Tätigkeit des Deutens oder 
Signalisierens. »Zwar sucht Live-Kunst ihr Objekt«, schrieb er, 
»wenn jedoch das Objekt einmal gefunden ist, beläßt sie es 
an seinem Platz; weder verändert sie es, noch trägt sie es in 
eine Kunstgalerie.«* Grecos Leben und die Mahnmale, die er, 
angetrieben von einer ruhelosen Sehnsucht nach Kommuni 
kation, schuf, setzten die ältesten Dilemmata zwischen 
Wirklichkeit und Darstellung, Aktion und Kontemplation in 
Szene. »Warum können wir nicht gleichzeitig schauen und 
leben?-' fragte Jane Harrison eindringlich in ihrem Buch über 
die Art, wie die antike Kunst sich ursprünglich vom Ritual 
gelöst hatte.^ Doch in gewisser Weise tun wir es, und das 
gesuchte Objekt ist niemals neutral. 
4 Zitiert in: Jorge Glusberg, Art in Argentina, Mailand 1986, S. 69. 
5 Jane Harrison, Ancient Art and Ritual, London 1913, S. 133. 
Susan Hillers Hand Paintings, die entstanden, kurz nachdem 
die Künstlerin 1969 aus den Vereinigten Staaten nach England 
umgezogen war, zeigen Anklänge an Yves Klein, doch voll 
ziehen sie eine gänzlich andere Umwandlung der Malerei. 
Teilnehmer wurden eingeladen, ihre Handabdrücke auf einer 
öffentlichen Leinwand zu hinterlassen. So wurde eine Atmos 
phäre beschworen, wie sie »der frühesten und am weitesten 
verbreiteten (universellen) Kunstform« entspricht, »dem Hand 
abdruck als «meinem« Zeichen: archetypisch, zeremoniell, 
magisch, grundlegend«'. Die Werke wurden in dieser Form bis 
1972 aufbewahrt, dann verbrannte die Künstlerin beim 
Verlassen ihres Ateliers einige der Bilder feierlich. Sie sam 
melte die Asche in Glasflaschen, die mit den Titeln der 
einzelnen Bilder versehen waren. Diese wurden wie ein 
Stilleben in einer Glasschüssel angeordnet und erhielten den 
Sammeltitel Hand Grenadas. Ironie überall. Der scheinbare 
Tod der Gemälde - dieser Lebensspuren - war kein echter 
Tod, wie sie ihn vielleicht eingeschlossen in einem Museum 
erlitten hätten, sondern in Wirklichkeit ihre Transformation in 
einen anderen Zustand: Asche. Und diese »archivierten« toten 
Dinge besaßen implizit die (durch den Titel ausgelöste) 
Fähigkeit, zu neuem Leben zu explodieren. Hiller sagte viel 
später selbst, daß eine der Ideen hinter ihrem Werk ihr 
Wunsch gewesen sei, daß »alles so betrachtet werden sollte, 
als habe es das gleiche Erkenntnispotential«, und daß die 
Glasgranaten ebenso »interessant anzusehen und zu erfahren 
sind wie die Gemälde«.' Wer könnte behaupten, daß wir hier 
nicht Bilder ansehen? Wir können darin auch eine unbe 
absichtigte, listige Allegorie auf die Dilemmata dieser 
Ausstellung selbst sehen. Kann die Asche der Live-Kunst 
durch irgendeinen poetischen Prozeß der Re-Präsentation zu 
neuem Leben explodieren? 
Diese Rolle, die der lebende Körper bei der Transformation 
von Gemälden erfüllt, kann er ebenso bei Skulpturen über- 
6 Susan Hiller, unveröffentlichte Notizen, Abdruck mit freundlicher 
Genehmigung der Künstlerin. 
7 Stuart Morgan, »Beyond Control: An Interview with Susan Hiller«, 
in: Susan Hiller, Liverpool 1996, S. 35.
	        
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