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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 64 und 65)

S Alexander Silveri. Krippe 1944 Wachs. H. 1.04 m. Original: Otto Miillcr Verlag. Salzburg 
6 Alexander Silveri. Tor des Todes. Detail aus dem Tor der Kirche zur Heiligen Familie 
in Gra:-Andrilz1960. Eisengiifl, 1.10X2,3O in (ganzer Torflugel ein (siillstiick) 
5 terialien, die sowohl ihrer Substanz als 
auch in ihrer Bearbeitung 7 gingen 
sie doch durch den Feuerofen e für 
diese Aufgabe weit mehr prädestiniert 
sind als der der Erde und der 
Schwere verbundene Stein. 
1957 wurde in der Grazer Franziskaner- 
kirche ein 2,20 Meter hoher, in Eisen 
gegossener Kruzifixus aufgestellt. in 
ihm sehen wir einen besonderen Höhe- 
punkt der geschilderten Entwicklung: 
Christus der junge Gott. der schöne 
Gott, der Gott des Lichtes, Apollo. Auf 
dem Schnittpunkt der zwei Kreuzes- 
balken, des Gewesenen und des Kom- 
menden. das ewig Seiende! 
Eine andere Erkenntnis hat in Silveris 
Frauengestalten Ausdruck gefunden. Ist 
der Mann das Opfer. so ist die Frau die 
Opfernde. 
immer wieder wird sie aufgerufen, alles 
hinzugeben und immer wieder ist sie 
dazu bereit. Selbst dort noch. wo sie 
schirmend zu bewahren sucht, ist es 
eine Hingabe. Hier, im Bereich des 
Weiblichen, ist der Künstler noch am 
weitesten den Formen seiner früheren 
Schaffensperioden treu geblieben. 0b- 
wohl sie viel stärker und ausdrucks- 
kräftiger geworden sind. 
Meist zeigen diese Gestalten. zum Unter- 
schied von den nach oben geöffneten 
männlichen Bildnissen, eine dahin ge- 
schlossene Form. Oft leicht gebeugt, als 
schlossen sie sich um einen festen Kern. 
sind sie in ihren Bewegungen verhalten. 
fast scheu. Nur eine Neigung des Kär- 
pers. ein leichtes Anheben der Hände 
künden von ihrer Bereitschaft. 
Für diesen Themenkreis Gnden wir. 
neben dem glatten Metall. das in der 
Oberfläche dem zarten Schimmer 
weiblichen Wesens nahekommt. Holz 
und Wachs als Material der meisten 
Werke. 
Sehr selten finden wir die Frau allein, 
meist mit dem Kind. oft auch mit dem 
Mann und dem Kind. Eine dieser 
Gruppen. ein Eisengufl. zeigt uns die 
in ein langes, vom Kopf bis zum Boden 
fallendes Kleid gehüllte Gestalt der 
Frau, aufrecht, leicht zurückgeneigt, 
wie sie dem Manne. der ihr gegenüber- 
steht. das Kind. über das er seinen 
Kopf neigt, darbringt. Die Beine des 
Mannes sind leicht gegrätscht. Die Fi- 
guren sind ein Linien- und Kräfte- 
diagramm. In den begegnenden Händen 
vereinigen sie sich. Bei den Füllen und, 
durch die Kopfneigung des Mannes 
bedingt, bei den Stirnen. nähern sie 
sich. Während des Mannes Schwer- 
gewicht in der oberen Körperhälfte zu 
finden ist. wirkt der unten in ein 
langes, in parallele Falten fallendes 
Tuch gehüllte Frauenkörper wie ein 
Turm, der mit seinem Unterbau fest 
6 auf der Erde steht. 
Eine Synthese dieser beiden von dem 
Künstler immer wieder in neuen Varia- 
tionen, Versuchen und ringenden Be- 
mühungen geformten Grundfiguren. des 
Opfers und der Opfernden. wird in 
der großen Altargruppe von Deutsch- 
Wugram angestrebt. Christus das Opfer, 
und Maria die Opfernde. 
Bei dem Fleiß des Schaffenden ist es 
selbstverständlich, dafi der nun fünfzig- 
iährige Meister viele Aufgaben löste. 
Eine lange Liste seiner Werke könnte 
man anführen, den Racheengel aus 
dem Jahre 1947, der 1955 anlüfllich 
der Biennale in Sao Paulo ausgestellt 
war, Isuias, Apostel und eine 
Grabplatte, die in den Jahren 1945,65 
entstanden sind, der Prophet aus dem 
Jahre 1959. seien. um nur einige Titel 
zu nennen. hervorgehoben. Wer Sil- 
veris frühe mit den letzten Arbeiten 
vergleicht. wird den Weg ermessen 
können, den hier ein zäh ringender, 
immer vom Geiste erfüllter Mann. zu 
seinem eigenen. ausgeprägten Stil ge- 
gangen ist. Es ist ein den einfachen 
Linien des Leibes nachgehender Stil. 
der alles nicht zum Thema Gehörende 
als überflüssig ausschaltet, abstrahiert, 
aber im Menschenbild doch nie das 
Menschenbild verleugnet. 
Das kann sehr weit. bis zu den knorri- 
gen, wurzelähnlichen Gestalten führen. 
wie sie der Entwurf für den Altar von 
Wenigzell zeigt oder zu den Relief- 
platten auf der Kirclientür zu Andritz. 
die zu den schönsten van ganz Öster- 
reich zu zählen sind und die der Künst- 
ler 1960 geschaffen hat. Hier spüren 
wir die Kraft ieder Linie und sagen uns: 
der Schöpfer dieser Platten müßte auch 
ein starkes graphisches Werk aufzu- 
weisen haben. Eine Schwäche und ge- 
wiß eine Versuchung des ewig regen 
lntellektes ist vielleicht der Hang zum 
Literarischen. Wo SlCh der Künstler 
davon frei macht. wie in seinen besten 
Werken. in vielen Christusplastiken 
oder etwa in dem prachtvollen Mann 
mit Sonnen. einer 1958 gegossenen 
Figur, gewinnt er iene Größe. die ihn 
gerechterweise schon weit über die 
Grenzen seiner Heimat bekannt ge- 
macht hat. 
Für die Stadt Graz hat Silveri 1961 
die Gestaltung eines Mahnmales durch- 
geführt. Die eindrucksvollen Reliefs 
haben zusammen ein Ausmaß von 
2,80x12,50 Meter. Nicht zu Unrecht 
hatte man gerade diesen Künstler mit 
der Arbeit betraut. Er ist ein Mahner. 
unbequem wie ieder Mahner, aber 
ehrlich. 
Er stellt den Menschen vor uns und 
allein sein Da-Sein und sein So-Sein 
ist die Aussage. Ein Ebenbild Gottes. 
Der Mensch als Koordinatenkreuz des 
Endlichen und des Unendlichen,
	        
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