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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 93)

menhang mit einer durchschnittlichen 
und im Museum des 20. Jahrhunderts 
kaum angebrachten Ausstellung des 
ungarischen Malers und Graphiker: 
Gyula Derkovits (1894 bis 1934), die 
insofern hochoffiziellen Charakter be- 
saß, als sie voll und ganz den neuerdings 
stark intensivierten kulturellen Kontakt- 
bestrebungen zwischen Österreich und 
Ungarn entsprach und auch dem dies- 
Jährigen Festwochenmotto ..Nachbarn 
an der Donau" ihre Reverenz erwies 
(26. Mai bis 25, Juni). 
Um Derkovits und seine Funktion als 
Künstler sozialer Anklage. als Mahner 
und leidenschaftlicher Teilhaber am 
Leid des Nächsten beurteilen zu können, 
ist es notwendig. sich die wechselvollen 
Verhältnisse, die einander widerspre- 
chenden geistigen und politischen Strö- 
mungen vor Augen zu halten, die in 
Ungarn während jener Jahrzehnte an- 
zutreffen waren und zu Konflikten 
führten, in denen das Werk des Malers 
heranreifte. Der im Katalog abge- 
druckte Essay von Dr. Ludwig Gogoldk 
bot dem Besucher der Ausstellung die 
in diesem Zusammenhang noige in- 
formative Hilfe. 
Derkovits. in Steinamanger an der 
österreichisch-ungarischen Grenze ge- 
baren. wurde durch Schicksalsschläge 
und persönliche Not zu einem über- 
zeugten m zeitweise hindurch illegalen 
7 Verfechter der kommunistischen 
Idee. Das Erstaunliche an seinem Werk 
ist jedoch. daß Derkovits trotz außer- 
künstlerischen. ideologischen Engage- 
ments den dadurch gegebenen Gefähr- 
dungen und Zumutungen auszuweichen 
imstande war und dank seiner schöpfe- 
rischen Potenz seine Bilder vor Banali- 
töten und Plattheiten bewahren konnte. 
Derkovits war weder ein ganz großer 
Maler noch ein ausgesprochener Weg- 
bereiter der Moderne, der in einem 
Museum wie dem des 20. Jahrhunderts 
retrospektiv gezeigt hätte werden müs- 
sen. Seine lokale Bedeutung für den 
ungarischen Raum hingegen war exem- 
plarisch. Die Malerei von Derkovits. 
deren wichtigste Periode in sein letztes 
Lebensjahrzehnt füllt, weist sehr ver- 
schiedenartige. doch vielfach geschickt 
verarbeitete Einflüsse auf. die von 
Cezanne und Ensor über den Kubismus 
und Futurisrnus bis zu George Grosz und 
Otto Dix, den beiden deutschen Sozial- 
kritikern und Satirikern, reichen. 
Wenn Werner Hofmann an anderer 
Stelle ausführt, ,.Der Blick auf Derkovits 
ist der Rückblick auf eine Epoche, deren 
gesellschaftliche Konflikte sich noch 
künstlerisch formulieren ließen", so wird 
diese keineswegs vereinzelt dastehende 
Ansicht durch die Malerei des Ungarn 
auch tatsächlich bestätigt. So wie Grosz 
und Dix, zu denen gewisse thematische 
Ähnlichkeiten bestehen. fand auch 
Derkovits. der sich mitunter als der 
bessere Maler erwies, zu einer weitest- 
gehenden Übereinstimmung von mora- 
lischem Anliegen und künstlerischer 
Lösung. Ein formal beherrschtes, auf- 
schlußreiches Porträt wie das Selbst- 
bildnis aus 1934 oder das 1930 ent- 
standene Bild ..Um Brot-Terror" ver- 
deutlicht ebenso prägnant wie mehrere 
Graphiken und eine 1928129 ent- 
standene, konventionellere Holzschnitt- 
serie. daß „engagierte Kunst" von 
gestern unter der Voraussetzung ent- 
sprechenden Umdenkens auch im Heute 
mit seinen ganz anderen gesellschaft- 
lichen und künstlerischen Problemen 
ihre Funktion zu erfüllen vermag. 
Peter Baum 
52 
ZENTRALS PARKASSE 
Giselbert Hoke 
Mit einem Aufwand, wie er einem einzelnen 
Künstler in Österreich nach 1945 noch nicht 
beschieden war. der dafur iedoch inter- 
nationalen Vergleichen ohne weiteres stand- 
hdlt, setzt sich die Zentralsparkasse der 
Gemeinde Wien für den aus Nordbohmen 
stammenden Karntner Maler Giselbert Hoke 
Gift. dem im Hauptgebäude des mazenattsch 
gesinnten Instituts eine nicht nur van der Art 
und Eleganz ihrer Aufmachung her als var- 
biidlich zu bezeichnende, sondern auch 
hinsichtlich der für sie gemachten Werbung 
und publizistischen Betreuung imponierende 
Ausstellung eingeräumt wurde. Neben einem 
großformatigen Katalog. um den sich jedes 
unserer bescheiden dotierten Museen reißen 
wurde, erschien im Salzburger Residenz- 
Verlag auch noch eine von der Zentral- 
Sparkasse subventionierte ausfuhrlichd Mono- 
graphie uber den Künstler. deren TCXt von 
Zaran Krzisnik. einem der führenden kunst- 
schriftsteller Jugoslawiens. stammt. 
Glselbert Hoke. Jahrgang 1927, nach der 
Matura Andersen-Schuler an der Wiener 
Akademie der bildenden Künste, stellte über- 
huupt zum erstenmctl in Wien aus. Schon 
relativ fruh sorgte er für Berühml- und 
Beruchtigtheit mit den von ihm ciusgefuhrten 
Fresken für den Klagenfurter Bahnhof. die 
anlaßiich der Eröffnung einen Skandal aus- 
lösten. Seit 1956 beschäftigte sich Hoke vor- 
wiegend mit größeren Auftragsarbeiten, dar- 
unter mit Glasfenstern fur die van Rudolf 
Schwarz entworfene, dach leider nicht mehr 
van ihm fertiggestellte Kirche zu St, Flarian 
in Wien. Neben Zeichnungen und Litho- 
grdphlen umfalite die Kollektivschau 44 Ol- 
bilder und Gouachen. Das gesamte, auf 
Arbeiten der letzten sieben Jahre beschrankte 
Material wurde klug aufeinander abgestimmt 
und mit Bedacht auf Qualital gesichtet. 
Hokes kunst ist schöpferische Synthese. Seine 
Bilder und Graphiken. die bei aller Moderni- 
tdt und angestrebten Zeitnahe ihren Hang 
zum Klassischen. zu augenfalliger Reife und 
Perfektion, zu Harmonie und herber Schan- 
heit nicht leugnen können. lassen eine Vielzahl 
von Einflüssen erkennen. deren Besonderheit 
darin liegt, daß keiner von ihnen domi- 
nierend nachteilige Wirkung erreicht, lrn 
gleichen Mali, in dem Hoke seine malerischen 
und kompositorischen Fahigkaiian unter 
Beweis stellt, versteht er es. Gelerntes und 
Erschautes. Fremdes und Eigenes in ungemein 
geschickter Weise zu verbinden und seinem 
schöpferischen Willen nutzbar zu machen. 
Originares Ernpnnden. eigenständige Um- 
setzung und spekulative Entlehnung finden 
sich in Hakcs kräftigen, stimmungsvollen 
Malereien oftmals sa eng benachbart, daß nur 
im Einzelfall ein kritisches Werturteil ge- 
sprochen werden kann. Man soltte Hokes 
Bilder nicht mit Pauschalurteilen abtun, 
Ebenso falsch wäre es ffElllCtl auch. sie als 
unproblematisch hinzustellen, ihre Proble- 
matik zeigt sich vielmehr gerade darin, dali 
dieser kraftvolle. mit vollem Einsatz ans Werk 
gehende Künstler beinahe zu begabt ist und 
deshalb seine eigentlichen Möglichkeiten 
noch nicht restlos entdeckt hat, Statt der 
Vielfalt - durchwegs vertretbarer Wege t- 
rnimte signifikante Ausschticlilichkcii ange- 
strebt werden -- zumindest fur einige Zelt 
Hokes vitalitai, seine Freude am Ekprassianis- 
mus und Kubismus, an der Unerschopflichkeil 
eines Genies wie Picasso, mit dessen Werk er 
sich während eines longeren Paris-Aufent- 
haltes lrttEriSlV auseinandergesetzt hat, aber 
auch an den Eigenheiten der Ikonen des 
Ostens bewirken in seinem Werk ein an- 
dauerndes Entweder-Oder, ein permantcs 
Pro und Kontra. dem sich der Künstler wie 
der Betrachter kanfrdnticrt sehen. 
Porlrats, Akte und Landschaften. "eine Welt 
des Wohllautes und schonen Anschelns, aber 
auch der heiligen Ordnung" (Otto Breicha) 
sind t-lokes bevorzugte Themen. Seine Bilder. 
unter denen eine fast rein graphische Selbst- 
darstellung aus dem Jahre 1965 ganz be- 
Senders hervarragt. an die der Kunstler 
stärker anknüpfen sollte, sind alles eher denn 
Stereotyp. Sie veranschaulichen. was durch 
Offenheit und Verzicht aufdie billige Mascha 
erreicht werden kann. verlangen aber auch 
- erst dann wird man Hoke zur ersten 
Garnitur unserer Maler rechnen können - 
stärkere Reduktion. wesensgemäßere Ver- 
dichtung irn Hinblick auf eine zukunfiigr. 
originäre Steigerung (Abb. 11. 12). 
BILDTEXTE 10-21 
10 Herwig Zens Demagoge".1964. Fedor- 
Zeichnung, 3 22 cm. Zusammen mii 
dreißig anderen Zeichnungen war diescs 
Blatt in einer Ausstellung der adicrib 
Willy Verkauf zu sehen 
11 Blick in die Ausstellung Giselbert Hoke 
in der Zentralsparkasse der Gemeinde 
Wien 
tz Glselbert Hoke, Llegender Akt, t9s2. 
Gouache auf Papier, 47x75 cm (Abb 
13. 14 aus der Ausstellung des Künstlers 
in der Zentralspcirkclsse der Gemeinde 
wian) 
12 .,Silberner Berg". lautet der Titel dlCSCr 
ausgewogenen Farbradierung tur die 
der Jugoslawe Dzevad Hozo mit dem 
ersten Preis der V. internationalen 
Graphikausstellung des Europahctuscs. 
Wien. ausgezeichnet wurde 
14 . Gedicht über die Apostel", Lithographie 
von Gabor Pctsztor, Der ungarische 
Künstler erhielt für diese interessante 
druckgraphische Arbeit den zweiten 
Preis 
 
EUROPAHAUS WIEN 
Panorama moderner Graphik aus neun 
Staaten 
Den freien Meinungsaustausch zwischen Ost 
und West, der im Mittelpunkt der politischen 
Bestrebungen aller Eurapahauser steht, auch 
aufdcm Sektorderbildenden Kunst zu pflegeni 
ist Ziel einer vom Maler Professor Josef 
Buttinger organisierten Ausstellungsserie des 
Europahauscs in Wien-t-ltltteldorf, die vor 
funf Jahren begann und heuer mit ner von 
neun Nationen beschickten Graphik-Schau 
ihrcn bisherigen kunstlerischen Höhepunkt 
verzeichnete. 
Aus mehreren hundert eingereichten Arbeiten 
wählte die aus den Herren Dr, Walter 
Koschatzky. Dr. Ruediger Engerth und Joset 
Buttinger gebildete Jury sechzig fur die in 
drei tiauman untergebrachte Graphik-Expo- 
sitian aus, Die vom Europohaus gestifteten 
Preise gingen an den Jugaslaweri Dzevad 
Hazd. den Ungarn Gabor Pasztor und an den 
Tschechen Oldrich Kulhanek. 
Die prächtige. .,Silberner Berg" betitelte 
Farbradierung des Erstnlacierten, die zu- 
sammen mit weiteren funf drucktechnisch 
hervorragenden strukturell-abstrakten Blät- 
tern des Jugoslawen zu sehen war. repräsen- 
tierte den hohen Standard der Graphik 
unseres südöstlichen Nachbarlandes. die in 
der Ausstellung diesmal uberhaupt domi- 
nierlc. 
Vorn Thematischen und Technischen her als 
interessant lassen sich auch die Blätter von 
Gabor Pastor bezeichnen, die man als Neuen 
Realismus charakterisieren könnte. der - in 
seiner zum Nachdenken anregenden. vielfach 
reliqios und zeitkritisch ausgerichteten Grund- 
tendenz - sogar Elemente der Pop-Art in 
die Gestaltung mitetnbezleht. Die an CltE 
Wiener Schule des phantastischen Realismus 
erinnernden Lithographien des Drittplazierten 
Kulhanek allerdings sind trotz handwerk- 
lichen Kannens zu manlriert und epigonal und 
hätten durch einen Preis nicht gesondert 
hervorgehoben werden rnussdn. Sein Lands- 
mann Anderle. der Jugoslawe Jemec Oder 
der Italiener Piero Copertini, von dem leider 
nur eine einzige vehement gefertigte Zeich- 
nung zu sehen war, hätten statt ihm bei der 
Preisvergabe nicht übergangen werden 
dürfen. 
Sieht man von Ostdeutschland und der Sowjet- 
union ab (beide beteiligten sich nicht an dieser 
Ausstellung). die dem Künstler nach wie vor 
zu wenig echte Freiheit gewahren und statt 
dessen auf einem staalspolitischen Opportu- 
nismus beharren. so kann auf Grund des 
gezeigten Materials verallgemeinernd fest- 
gestellt werden. daß die bildenden Kunstler 
der Oststaaten ihren westlichen Kollegen um 
nichts mehr nachstehen. Die Problemei mit 
denen sich der einzelne auseinandersetzt. 
sind hier wie dort ahnlich, oft sogar die 
gleichen. Daß die in diesem Zusammenhang 
haufiq zitierte lnterriationalität der bildenden 
Kunst allerdings nicht als Nivellierung auf- 
aefaßt werden darf, was nicht bloß von 
Gegnern der Moderne ins Treffen geführt 
wird, sondern eine logische Folge heutiger 
Kommunikationsmoglichkeiten und uber- 
cinstimmender Ansichten ist, wurde von 
Dr. Walter Koschatzky, dem Direktor der 
Graphischen Sammlung Albertina. anläßlict" 
der Eroffnung dieser Ausstellung mit Nach- 
druck betont. 
Enttauschend wirkte in seiner Gesamtheit der 
österreichische Beitrag (sieben Künstler mit 
te ein bis zwei Arbeiten). was in erster LthlE 
in organisatorischen Mangcln begrundet lag 
Nrbcn den Blatlern der Preisträger zahlten 
sonst noch zum Besten die feinnervigen, 
dynamischen Fcderl ichnungen der Belglerln 
Franclsde Rolle. die pentblen Druckgraphiken 
des Deutschen Reiner SchwarLdiean Wunder- 
lich und Janssen erinnern, Blatter der Jugo- 
slawen Kuduz. Makes und Sirbegovlc sowie 
Gifte Aqucttntcl von Franrirle Simonin 
(Schweiz) und die varhin angefuhrten 
Ogurativ-surrealen Darstellungen des 193a 
geborenen Pragers iiri Anderle. 
Anlalllichder Eroftriungdieserverdienstvollen 
Ausstellung. ctie bis 11. Juni 1967 dauerte. 
wurde unter der Leitung von Monsignore 
Otto Mauer und dem Direktor des Europa- 
hauses, Dr. Josef Varga, ein Symposien 
abgehalten, an dem auch zahlreiche aus- 
ldndische Graphiker, vor allem Jugoslawen 
und Schweizer, teilnahmen (Abb. 13415). 
Peter Baum 
 
15 Van dem Deutschen Reiner Schwarz 
stammt dieses Blatt, das ebenso in der 
Zeichenkunst eines Dürer wie in der 
drucktechnischen ttoünesse eines Paul 
Wunderlich beheimatet scheint (Abb. 15 
bls17ausderV.internationalen Graphik- 
ausstellung des Europahauses Wien 
16 Fria Elfen. Maidruck (aus der Ausstellung 
der Kunstlcrin in Bad Tatzmannsdorf 
17 Gunther Baszel, Bronzerelief von Prof. 
Reininger. 1967. Ehrenhof der Universi- 
tät Wien 
18 Günther Baszel, Rom, Blick über den 
Tiber. Tempera 
19 Blick in die Ausstellung Fritz Riedl uric 
Sepp Schrnolzer in den Raumen de: 
Osierreichischen Kulturinstitutes in New 
York 
20 Bitdteppich von Fritz Riedl 
21 Goldene Halskette mit Perlen (Mittelteit) 
von Sepp Schmölzer (Abb. 21-23 aus 
der Ausstellung der beiden Kunstter irr 
Österreichischen Kulturinstitut in New 
York)
	        
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