Die Medaille hat ihren Weg durch die jahr-
hunderte als Porträtmedaille begonnen.
Ihre Wiege stand in Verona, wo der auch
als Maler hochberühmte Antonio Pisano,
genannt Pisanello, während des Konzils
von Ferrara l438j39 den vorletzten byzan-
tinischen Kaiser johannes VIII. Palaeologus
für eine Medaille modellierte, die man als
die früheste datierbare bezeichnen kann.
Ihr folgten weitere Werke dieses begnadeten
Künstlers, denen sich in Italien alsbald die
Werke anderer Medailleure zugesellten. W0-
durch Pisanello angeregt wurde, sich in
diesem bis dahin unbekannten Kunstzweige
zu betätigen, ja ihn eigentlich zu schaffen,
wissen wir nicht. Gefördert aber wurde die
Medaille jedenfalls durch den Kult der
Persönlichkeit im Zeitalter der Renaissance,
die den Uomo universale anstrebte und in
dem kleinen Medaillenrund ein Mittel sah,
hervorragende Männer und Frauen einem
exklusiven Kreise von Zeitgenossen be-
kannt zu machen und damit ihr Angesicht
für die Nachwelt zu erhalten. Das Material
dieser Bronzegüsse, die nur in einer be-
schränkten Anzahl von Exemplaren her-
gestellt werden konnten, ist ja weit wider-
standsfähiger als alle anderen Stoffe, auf
denen uns Bildnisse überliefert sind.
Um die Wende zum 16. Jahrhundert wurde
die Medaille dann auch in Deutschland
heimisch, auch hier zuerst als Porträt-
medaille. Gepflegt wurde sie zunächst
hauptsächlich in Süddeutschland und da
insbesondere in den reichen Handelsstädten
Augsburg und Nürnberg. In Österreich war
es kein geringerer als Kaiser Maximilian I.,
der den neuen Gedanken aufgriff, weil er
ihm das Fortleben des Andenkens an seine
Person und an das Erzhaus gewährleistete.
Neben dem Hof und dem Adel ließ sich
auch das Bürgertum, besonders das Wiener,
gerne auf einer Medaille porträtieren oder
wenigstens durch sein Wappen verewigen.
Auch in Österreich war es zunächst vor-
wiegend die Gußmedaille, die diese künsta
lerische Aufgabe erfüllte. Aber neben ihr
begann dann alsbald auch die Präge-
medaille eine Rolle zu spielen, die ebenfalls
von Maximilian bewußt gefördert wurde.
In der Münzstätte zu Hall in Tirol ließ er
sogar Schaumünzen in Gold und Silber
herstellen, deren Gewicht dem damals
gangbarer Münzsorten wie Taler in Silber,
Dukaten in Gold entsprachen und als
Mehrfaches dieser Nominale in erster Linie
als Geschenke des Herrschers an seine
Getreuen gedacht waren. Sie konnten zwar
auch als Zahlungsmittel dienen, eine Eigen-
schaft, die der eigentlichen Medaille sonst
abgeht, aber schon ihr prunkvoll und sorg-
fältig ausgeführtes Bild unterscheidet sie
weit von den Kurantmünzen, weshalb man
auch sie der Medaille zurechnet. Die eigent-
liche Kunstmedaille aber bevorzugte noch
viele Jahrzehnte lang die Gußtechnik, die
durch ihre weichen Formen und feinere
Durchmodellierung ganz andere Effekte
erzielen kann, als die weitaus schärfer
konturierte und daher härter wirkende
Prägemedaille.
Deren Herstellung hat schon im 16. jahr-
10
hundert eingesetzt, aber erst von etwa 1620
an wurde durch sie die Gußmedaille immer
mehr und mehr aus ihrer dominierenden
Stellung verdrängt. Ihre leichte und zahlen-
mäßig kaum begrenzte Vervielfältigungs-
möglichkeit hat ihr dann den Weg in
weiteste Kreise geebnet. Das Bildnis ist
nicht mehr ihr eigentlicher Zweck, viel
wichtiger wird seit etwa dem Dreißig-
jährigen Kriege die Festhaltung wichtiger
Ereignisse aller Art. Die Medaille, die als
Produkt des Humanismus entstanden ist,
wird nunmehr zum metallenen Flugblatt
und in ihrer Gesamtheit zu einer Historia
metalliea, deren Qualität durch die Massen-
produktion natürlich leidet.
Solange die Mehrzahl der Kronländer der
ehemaligen Donaumonarchie ihre eigenen
Münzstatten besaßen, haben diese, die eine
mehr, die andere weniger, auch die Me-
daille kultiviert, natürlich vor allem die
Prägemedaille, deren Stempel von den
beamteten Stempelschncidern geschnitten
wurden. Es hat viele sehr tüchtige Leute
unter ihnen gegeben; manchem von ihnen
gebührt der Ehrentitel eines Künstlers.
Aber eine noch größere Anzahl hat es nicht
über den Rang eines tüchtigen Stempel-
schneiders hinaus gebracht. Den größten
Anreiz gab es natürlich dort, wo sich auch
eine mehr oder weniger ständige Residenz
befand: Wien, Prag, Innsbruck und, kürzer
als in den anderen erwähnten Städten, auch
Graz. Aber nicht nur der Herrscher ließ
sich in Medaillen verewigen, sondern auch
sein Hof und das gehobene Bürgertum.
Wien als Metropole war natürlich der
Mittel- und Ausstrahlungspunkt der höfl-
schen Medaille, die gleichzeitig auch ein
Teil der erwähnten Historia metallica war.
In Wien und Prag waren es die Kaiser, hier
besonders der kunstsinnige Rudolf II., in
Innsbruck Erzherzog Ferdinand und in
Graz sein Bruder Erzherzog Karl und dessen
Sohn, der als Ferdinand II. dann auch die
Kaiserkrone trug.
Die etwa mehr als fünfzig jahre (1564 bis
1619), da Graz eine Residenz war, fallen
kunstgesehiehtlich betrachtet in die Zeit
der Spätrenaissance oder des ebenfalls aus
Italien gekommenen Manierismus, der auch
in den in Graz entstandenen Medaillen
deutlich zum Ausdruck kommt. Erzherzog
Karl war zwar nicht von jener außergewöhn-
lichen Kunstbegeisterung erfüllt wie sein
Bruder, der Ambraser Ferdinand und sein
Neffe Kaiser Rudolf lI., aber auch er ist an
der Medaille nicht teilnahmslos vorüber-
gegangen, zumal es damals gleichsam zur
hölischen Etikette gehörte, sich in einer
Medaille verewigen zu lassen. Von einigen
aus seiner jugendzcit stammenden Stücken
abgesehen, hat er sich dann als regierender
Herr von einer ganzen Reihe großer
Medaillenkünstler verewigen lassen, von
Pastorino und von dem wichtigsten Ver-
treter des Italianismus in Österreich, dem
Trientiner Antonio Abondio. Auch der
Grazer Münzeisenschneider Hans Zwigott
hat eine Medaille auf ihn geschaffen, die
aber künstlerisch auf einer tieferen Ebene
steht als die Werke der beiden Italiener.
Ebenso besitzen wir Medaillenporträts von
Karls Gemahlin Maria von Bayern von der
Hand des berühmten Amsterdamer Bronze-
bildners Hubert Gerhard, der vorzugsweise
in München und Innsbruck tätig war. Von
ihm stammt u. a. auch das Grabmahl des
Hoch- und Deutschmcisters Erzherzog
Maximilian in der jakobskirche zu Inns-
bruck.
Aber erst unter Karls Sohn Ferdinand
kommt es in der Steiermark selbst, und
zwar in Graz, zu einer allerdings rasch
wiederum verwelkendcn Medaillenblüte.
Der Künstler, der sie schafft, ist der aus
Lodi im Mailändischen stammende Gio-
vanni Pietro de Pomis (geb. um 1565,
gest. 1633). Vor Graz war er in Innsbruck
bei Erzherzog Ferdinand tätig gewesen,
wo er sowohl mit Hubert Gerhard wie auch
mit dem niederländischen Bildhauer Alex-
ander Colin, dem Schöpfer der Grabmäler
Ferdinands und der Philippine Welser in
der Silbernen Kapelle zu Innsbruck, in
freundschaftlichem Verkehr stand. Sowohl
Gerhard wie auch Colin waren auch als
Medailleure tätig, was sicher auf ihren
Freund Pomis abfärbte.
Pomis aber war nicht nur Medailleur; er
war auch Architekt, Festungsingenieur und
Maler von hohen Qualitäten. Das Grazer
Mausoleum, dessen ersten, nicht zur Gänze
in dieser Form ausgeführten Entwurf er
ebenfalls in einer Medaille, vielleicht seiner
schönsten, festgehalten hat, ist ebenso sein
Werk wie die Fassade der Kirche des vom
Fürsten Eggenberg erbauten Minoriten-
klosters, die auch den Leichnam des Künst-
lers beherbergt. Das Hochaltarbild dieser
Kirche gilt als seine reifste Schöpfung auf
malerischem Gebiete.
Ferdinand II. war ihm ein verständnisvoller
Förderer und Gönner, sowohl als Regent
von Innerösterreich als dann später als
Kaiser. Aber ungleich seinem Urahn Kaiser
Maximilian I., der in der Medaille, wie an-
gedeutet, eines der Mittel sah, sich selbst
und damit auch seinem Hause ein Denkmal
zu setzen, betrachtete Ferdinand die Me-
daille als ein Zeugnis seiner gegenrefor-
rnatorischen Bestrebungen. Pomis beschritt
denn auch diesen ihm olfenbar vorge-
schriebenen Weg. Nicht nur, daß er seinen
Herrscher auf den Rückseiten einiger
Medaillen symbolisch als Bezwinger der
Häresie feierte, verewigte er auch die beiden
Hauptvertreter dieses Gedankens, den Seek-
auer Bischof Martin Brenner, den „Ketzer-
hammer", und den Admonter Abt Johannes
Hofmann in großartigen Bildnismedaillen.
Überdies schuf er für einige neugeschai-fene
Institutionen, die gleichfalls der Gegen-
reformation dienten, Grundsteinrnedaillen,
so für das Kapuzinerkloster in Radkersburg
(1618), für die jesuitenkirche in Bruek an
der Mur (1608) und die Grazer Universität
(1607). Während seine sonstigen Medaillen
- durchwegs Güsse - ein ziemlich flaches
Relief, eine sorgfältige Durchmedajllierung
der Körperformen, Verzicht auf allzu große
Detaillierung zugunsten stärkerer plasti-
scher Wirkung zeigen, sind diese Grund-
steinmedaillen ihrem Zwecke entsprechend