und entspannt. Mit wenigen Andeutungen
ist der körperliche Zustand erfaßt: der
hängende Bauch, die lahme Rückenpartie,
der schlaffe Oberschenkel, die Nackcnfalte
und die Glatze charakterisieren den Alten.
Der Bleistiftstrich ist gelegentlich nachge-
zogen, um die anatomische Form zu
korrigieren. Obwohl die Zeichnung das
Voluminöse der Körperlichkeit einfängt,
ist sie doch überwiegend linear und flächen-
wirksam.
Das gleiche Modell erscheint auch noch
auf einem zweiten Blatt (Abb. 3), das
zwar nicht datiert, aber der soeben be-
sprochenen Zeichnung zeitlich unmittelbar
zuzuordnen ist. Die wenigen Veränderun-
gen, das Anziehen des rechten Beines und
die Rückwärtsdrehung des Oberkörpers,
genügen, um den Charakter der Kompo-
sition völlig zu verändern. Die Figuration
hat nun etwas Labiles, Schwankendes. Es
scheint, als 0b die Bewegung der Gestalt
noch zusätzlich durch mehrere parallele
Konturen angedeutet werden sollte.
Aufder Rückseite des alten Mannes (Abbl)
Endet sich die Zeichnung einer sitzenden alten
Dame (Abb. 4). Die Frau, die mit einem bis
über die Füße reichenden Gewand bekleidet
ist, trägt eine hohe, turbanartige Kopfbe-
deckung oder Frisur und hat die Hände vor
dem Leib verschränkt. Die streng frontal
und etwas in Untersicht gegebene Gestalt
wirkt nicht nur durch ihre strengen Ge-
sichtszüge und den starren Blick erhaben
und unnahbar. Dic Großflächigkeit der
Zeichnung, die beruhigte und schwung-
volle Linienführung, der sicher gezogene
Strich und die klare und überschaubare
Form, die überall, in der Binnenzeichnung
und im äußeren Kontur erreicht ist, unter-
streichen das Hoheitsvolle und menschlich
Entrückte der Figur.
Von gleicher Qualität und von ähnlicher
künstlerischer Ahsieht getragen ist das
„Mädchen mit Katze" (Abb. S). Im
selben Jahr entstanden, ist es ein kleines
Meisterwerk in der Eleganz des Linien-
flusscs, der Sparsamkeit und Treffsicherheit
des Striches und in der träumerischen
Idylle des Ausdrucks. Die Beruhigtheit der
Komposition und das Romantische in der
Aussage der Zweisamkeit von sinnendem
Mädchen und verschlafener Katze unter
einer verbindenden Linie zeigen einen Zug
von Anmut, der sich später nur noch selten
in den Arbeiten des Künstlers findet.
Durch die Kolorierung der Lippen des
Mädchens in einem hellen Rot, während
die übrige Zeichnung im Grau des Blei-
stiftes verbleibt, erhält das Ganze eine
höchst aparte und reizvolle Note.
Die Technik der Strichführung und die Art
des flächigen Zusammenschlusses erinnern,
vor allem in den beiden letzten Blättern,
stark an Klimts Zcichenstil (Abb. 6). Es
besteht kein Zweifel, daß Klimt für Schiele
in dieser Phase seiner künstlerischen Ent-
wicklung bestimmend war. jedoch wirken
die Zeichnungen des ]üngeren sicherer und
einheitlicher. Bei Schiele ist der Sinn für
die tektonische Flächeristruktur ausge-
prägter.