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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 95)

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Die restlichen Zeichnungen unserer Gruppe 
dürften alle im folgenden Jahre 1909 ent- 
standen sein. Die meisten sind von Schiele 
selbst datiert, und die zeitlich nicht fixierten 
können aus stilistischen Gründen zweifellos 
in den gleichen Zeitraum gesetzt werden. 
Im Gegensatz zu der matronenhaften Dame 
(Abb. 4) strahlt die Studie der sitzenden 
alten Frau (Abb. 7) menschliche Anteil- 
nahme und Wärme aus. Die Frau sitzt, 
von der Arbeit ermüdet, zusammenge- 
sunken, etwas nach vorne geneigt, auf 
einem nur Hüchtig skizzierten Stuhl, von 
dem links im Bilde die Rückenlehne und die 
Senkrechte der Vorderkante und rechts die 
Seitenlehne zu sehen sind. Das Gewand, 
offenbar ein Arbeitskleid mit Schürze und 
Jacke, bedeckt in knittrigen Falten die 
Figur bis zu den Füßen und läßt nur den 
linken Schuh sehen. Die Ärmel sind bis 
an die Ellbogen zurückgeschoben. Die 
Hände, knorrige Arbeitshände, sind auf dem 
linken Knie verschränkt. Der rechte Unter- 
arm ist dadurch viel zu lang geraten und 
wirkt wie ein Riegel, der die Figur in der 
Mitte horizontal unterteilt. Der Blick ist 
etwas träumerisch-ziellos in die Weite ge- 
richtet. Das Haar liegt, mit dem Bleisttift 
als schwarzer Fleck gezeichnet, in einer 
wirren Frisur wie eine vetbeulte Kappe auf 
dem Kopf. Die Zeichnung, die in der ganzen 
Anlage, vor allem aber in der Gewandbe- 
handlung, schon an den reifen Schiele 
erinnert, ist wieder im einfachen, unartin 
kulierten Strich schnell und sicher gesetzt. 
Die kurvig gebrochene, doch keineswegs 
unmelndiöse Linienführung ergibt ein 
bewegtes, fast dekorativ wirkendes Form- 
gebilde. 
Von hohem künstlerischem Reiz ist auch 
das Doppelbildnis zweier Damen (Abb. 8). 
Die eine ist stehend und en face, die 
andere sitzend und im Profil zu sehen. Die 
Stehende blickt heiter und weltoifen auf den 
Betrachter, die Sitzende beschäftigt sich 
introvcrtiert mit ihren Handschuhen. Die 
geöffneten Münder lassen darauf schließen, 
daß sich beide unterhalten. Halskette, 
36 
Ohrgehänge, die langen Handschuhe und 
die Halskrausc sowie die üppigen Frisuren 
weisen sie als Damen der vornehmen Gesell- 
schaft aus. Die Konturen der Gesichter und 
Körper sind mit wenigen Linien ange- 
deutet, nur die Augenlider sind kräftiger 
gezeichnet. Die Haare jedoch sind als 
starke farbige Flächen in bizarren Umrissen 
geformt. Dadurch, daß die der Stehenden 
rot, die der Sitzenden aber violett gefärbt 
und die Frisuren in verschiedenen, kon- 
trastierenden Gebilden gezeichnet sind, 
wird eine Verdeutlichung der Porträtierten 
10 
9 Sitzende Frau. 29 x 19 cm. Signiert: 
Schiele Egon 09 
IO Männlicher Akt im Prolil. 29x 
19 cm. Signiert: Schiele Egon 09 
11 Zurückgclchnt sitzender männ- 
lichcr Akt (Der Ruderer). 2mm 
31,2 cm. Signiert: Schiele ein," ou 
12 Vorgchcugl sitzender männlicher 
Akt. 31.7X31.4 cm. Haare in 
Schwarzer Tusche. Signiert: Schiele 
Egon m 
13 Kauernder männlicher Rücken- 
akr. 3l,4x31,5 nn. Korpt-i ocker 
in Aquarell. Haare in schwarzer 
Tusche. Signiert: Schiele Egon 09 
ll 
über ihre unterschiedlichen Gesichtszüge 
hinaus erreicht. Andererseits ruft diese 
Kolorierung, die ja nicht der natürlichen 
Haarfarbe entspricht, eine dekorative Wir- 
kung hervor. Durch ihre Stellung schließen 
sich die beiden Gestalten zu einer 0rnamen- 
talen Figur zusammen. Auch in diesem 
Blatt ist wiederum das Vorbild Klimts spür- 
bar. Sclion die Porträtierten weisen auf die 
mondäne Welt, aus der Klirnts Frauenbild- 
nisse in erster Linie stammen. Bei ihm finden 
sich auch die Verklammerung der Gestalten 
und die völlige Ornamentalisierung der 
 
 
 
 
 
 

	        
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