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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 95)

dessen Schulter. Ihr Kopf ruht schmachtend 
auf dem des Geliebten. Er erhebt ebenso 
schniachtentl zu ihr sein Gesicht. Die beiden 
Figuren bilden ein Rechteck. Die Schulter 
des Älädchens ist die fast waagrechte obere 
Abschlußlinie, während ihre Körperlinie 
links, das herabfallcnde Haar, ihr linker 
Arm und der Körper des lNlannes rechts die 
Längsseiten des Vicrecks darstellen. Unten 
lauft die Komposition ohne festen Abschluß 
vor dem Blattrand aus. Die Haare des Nan- 
ncs sind schwarz in Bleistift gezeichnet, die 
Haupt- und Schamhaare der Frau rot und 
ihre Strümpfe grün in Farbstift koloriert. 
Durch diese Farbigkeit wird die Llnruhe 
der Zeichnung und das Äufreizentle ihres 
unterstrichen. Hier kündigt 
der oft ans Erotisch-Porno? 
Ausdruckes 
sich schon 
graphische grenzende spätere Schiele an. 
Die Komposition ist sicherlich durch Klii-nt 
angeregt, an dessen „Kuß" von 1908 (Abb. 
ZU) sie erinnert. ie greift auch das Senti- 
mentale des Vorhildes auf. In der Zeichnung 
lehnt sie sich jedoch nicht an das Gesehmei? 
dige, Schonftirmige Klirnts an, sondern ist 
drahtiger und tirien Ton schriller. 
liin anderes Blatt behandelt das gleiche 
Thema (Abb. Zl). Die beiden Figua 
ren sind im Vollprofil gegenübergestellt. 
Der Mann kniet vor dem Mädchen, sein 
Kopf ruht auf ihren Knien, seine Arme 
liegen verschränkt auf ihren Schenkeln und 
seine Knie berühren ihre Füßc. Das Xliitl- 
chen sitzt mit xorgelveugtem Oberkörper 
und geneigtem Kopf. Beide halten die Äu- 
gen geschlossen. Die sehr sorgsam kon- 
struierte Komposition ist in erster Linie 
Hächig ausgerichtet. Als Kompositionsachse 
dienen das senkrecht stehende Bein des 
Mädchens, der Kopf des Mannes und die 
roten, spiralig dekorierten Haare der Frau, 
die sich ineinanderschieben und wie eine 
Säule die Iiiguratitm stabilisieren. Darum 
herum ordnen sich diagonal die eingeknick- 
tcn Leiber. In der Kalligraphie der Linie 
und der ornamentalcn Flächenxvirkung ist 
dieses Blatt ein Musterbeispiel für die 
Jugendstilphase im Frühwerk Schieles. 
Die Zeichnung eines Mädchenkopfes ist 
das letzte Blatt unserer Reihe (Abb. 22). 
Der Kopf ist im verlorenen Profil gegeben. 
Nur ein Teil des Gesichtes ist sichtbar, das 
übrige des Kopfes wird von einer rotfarbi- 
gen Haarperückc bedeckt. Schulter und 
Oberarm skizziert eine einzige Linie, die 
unvermittelt abbricht. In diesem Blatt 
dominiert die Farbe. Die roten Haare füllen 
den größten Teil der Zeichnung, und die 
Bleistiftkonttiren rahnien nur die farbige 
Fläche. Aber die Perücke ist nicht einheitlich 
eingefärbt, wie etwa die Haare im Bildnis 
der beiden Damen (Abb. 8). Die Farbe ist 
verschieden intensiv aufgetragen und die 
Oberfläche durch ornamentale Binnen- 
zeichnung rerlebendigt und strukturiert. 
Dieses Blatt ist in der Prägnanz und Frische 
ein vorzügliches Beispiel der elcktrisierena 
den Zeichenkunst Schieles. 
In den hier vorgeführten Blättern, die der 
junge Schiele als 18- und 19jähriger Akade- 
miestudent zxusgeführt hat, stellt er sich uns 
bereits als bravouröscr Zeichner vor. l"'.r 
16 
ANMERKUNGEN 5, n 
t Kullir, a. a. 0., Nr. 92. 
ß Max Eisler, Gustav Kliml. Wien 
1'120. Abb. 24 a. 
H 
1-. 
16 
17 
 
Vorwcielum zur "Danae". w - 31.5 tm. in. 
xchivarvrr m. Tuch rot in Äquarrll. wir 
stnit-it- Lgtm o9 
cm. Schiele, Daune. 1909. s. u. (I. Puppe. llamlv 
Liegentler Nllltllillkjhükl (Danac m 31.; n". m 
xchwarzer Taische. Brustw hellrot m Aql 
Strumpfhantl grun in Aquarell. Signit hit-Ie er 
(Iustav Khmt. Daune. Srurimlung Hedi Bock, Gnu 
 
 
 

	        
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