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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 98)

machten Besuche bis um fünf; es kamen 
immer einige Personen zu uns zum Diner 
und danach gingen alle zusammen zu den 
Musikdarbietungen. Dort lud meine Groß- 
mutter immer noch jemanden zu einer 
Tasse Tee ein. Auf diese Weise waren wir 
am Ende des Tages stets 15-20 Personen. 
Das Landleben hatte den Vorteil, daß es 
leichter war, Menschen um sich zu ver- 
sammeln; man brauchte sich bloß an einen 
gut besuchten Ort zu begeben, um seinen 
Salon ganz nach Belieben bevölkern zu 
können. Auch hier hatte meine Großmutter 
oft die lihre, Mitglieder des kaiserlichen 
Hauses bei sich zu sehen." 
Fast noch deutlicher sprechen die Bilder. 
Auf den Aquarellen Endet man manche 
Bestätigung der schriftlichen Zeugnisse und 
vieles, was sich ergänzt. S0 können wir 
aus dem Porträt (Abb. 1) der Gräßn Leon 
ihre Lebensfreude, ihr Vergnügen an auf- 
fallenden Kleidern und ihr aus dem üb- 
lichen Rahmen fallendes Wesen erkennen, 
denn 1835, als sie sich von Kriehuber in 
einem weißen Kleid mit hellblauer Schärpe 
und großem blauen Federhut malen ließ, 
war sie 63 Jahre alt. Ihre Wohnungen 
müssen für Feste und geselliges Beisammen- 
sein wie geschaffen gewesen sein; es gibt 
elegante Salons und kleine, intime „Cabi- 
nette", in denen sich das alltägliche Leben 
abspielte. Das Pariser Palais Larochefou- 
eauld dürfte etwas älter gewesen sein; die 
Räume tragen deutliche stilistische Merk- 
male des Louis XVI., während das Peters- 
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burger Haus in dem für Rußland typischen 
Empirestil erbaut war, wie aus den Säulen 
im Schlafzimmer, aber auch aus den Decken 
zu erkennen ist. Die Möbel sind nicht 
einheitlich, besonders im Pariser blauen 
Salon Findet man alle Stile durcheinander: 
im Vordergrund Empiremöbel mit blauem 
Überzug, dahinter ein Louis-Philippe- 
Kanapee, links ein Klavier aus der Restau- 
ratinn, Vorhänge in klassizistischer Dra- 
pierung, auf dem Kamin Empirebronzen, 
ostasiatische Vasen unter Glasstürzen 7 
ein buntes Gemisch. Von den Möbeln in 
den Petersburger Salons fallen einige 
schöne Stücke auf: Boulle-Möbel im roten 
Kabinett, ein Konndent im gelben Salon, 
im blauen Salon im Vordergrund ein 
Spieltisch mit italienischen Sesseln, die die 
Gräfin aller Wahrscheinlichkeit nach von 
ihren Reisen mitgebracht hat. Das sind aber 
nicht die einzigen Erinnerungsstücke aus 
dem Ausland: die gleichen zu Lampen 
umgearbeiteten blauen Sevres-Vasen im 
Louis-Philippe-Stil, die im Pariser Kabinett 
auf einem Tisch im Hintergrund stehen, 
entdecken wir auf dem Knnsoltisch des 
roten Kabinetts in Petersburg, die Fmpirc- 
bronzen aus Paris zieren in Petersburg den 
gelben Salon, in dem als einziges Bild ein 
großes Porträt des Kaisers Nikolaus l. 
hängt. Dafür gibt es im Kabinett des 
Palais Larochefuucauld so viele Bilder, die 
ursprünglich nicht dort waren, daß nicht 
alle ordentlich aufgehängt werden konnten; 
ein großes Bild des Zaren Alexander mit 
S 
L. Premazzi. Schlafzimmer in sr. Petersburg. Aquarell. 
signiert und datiert 1x47. 25x35 cm
	        
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