Konrad Strauß
EIN NEUENTDECKTES
RELIEF UND ANDERE
ARBEITEN DES HAFNERS
HANS KIUXUT ZU VILLINGEN
ANMERKUNGEN 1 -8
l Konrad Srrauß. Die Kadzelkunst des 15. und 16. Jahr-
hundcrrs. Straßburg 1966, S. 104i.
1 Rcdcr. Christian. Zur Ixbensgeschichte und Würdigung
des Hafnerx Hans Kraut von Villingen. Zeitschrift der
gäzichte des Oberrheins, N.F. Bd. XXII, H. 3, 5.
3K0mhas, Wann ist Hans Kraut. der bedeutende Kunst-
töpfer, geboren und wann gatorben? "Heimat und
Handwerk". Karlsruhe 1927, Nr. 6, S. 251". - Dem.
Hans Kraur als Tö fer Keramische Rundschau und
Kunstkeramik, 19Q7. . , Nr. 50, S. 4 und S. 349i". -
Dm" Einiges über Hans Kraut und seine Werke. Kera-
mische Rundsdiau 1926, 34. ]g., Nr. 29, S. 47711
4Rzvellio, Beiträge zur Geschichte der Stadt Villingen.
Villingen 1964, S. 226d". mit diversen Abbildungen.
iKomhu, Einiges über Haus Kraut und seine Werke.
Keramische Rundschau 192a, 34. ]g., Nr. 29, s. 47m.
5 Walcher-Mollheiu, "Kunst und Kunsthandwerk", Xll. ]g.,
1909. S. 302. Abb. 66.
VAuGrnhmc und nähere Angaben verdanke ich Herrn
Direkrur Dr. Mrazek in Wien. Danach war der Vor-
lxzilzer um M. Soyrer in Augsburg. Das Relief u:
abgebildet im „Museum Soylerianum", u. AuH. Augsburg
1874, Tafel 44 und in „Azipar Müväszel Könyrc". Buda-
est 1905, 2. Bd., Farbtafel LXVIII.
l cnrad Strauß, Der Kunsrhafner Hans Kraut in Villingcn
und seine Werke, S. 2751". und Altes Kunsthandwerk,
Wien 1928. - B. Walcher-Moithein. Beiträge zur Wür-
digung 4.1 Hafners Kraut und seiner Werke. a. a. 0., s. 219.
In meinem im vorigen Jahr erschienenen
Buch über Kachelkunst des 15. und 16.
Jahrhunderts hatte ich mich mit dem
Meister Hans Krautl und seinen Werken -
meist buntglasierten Kachelöfen f, aus-
einandergesetzt. Beim Studium der Arbeiten
des Hans Kraut kam ich zu dcr Überzeu-
gung, daß auch ein großes Relief im Mu-
seum für angewandte Kunst in Wien von
ihm stammen müßte. Für diejenigen, die
nicht mit der Lebensgeschichte des Hans
Kraut vertraut sind und sich die schwer
zugängliche Literatur nicht besorgen kön-
nen, lasse ich kurz die wichtigsten Lebens-
daten des Hafncrmeisters folgen.
Durch die Forschungen von Roderl und
Kornhas3 sind wir einigermaßen über das
Leben des Meisters unterrichtet, das heißt,
soweit überhaupt die wenigen vorhandenen
Urkunden uns Auskunft gegeben haben.
Danach ist Hans Kraut nicht in Villingen -
es gibt dort keine Familiennamen Kraut -,
sondern wohl in dem benachbarten Spai-
chingen geboren, das ebenso wie Villingen
früher bis zum Jahre 1805 zu den vorder-
österreichischen Besitzungen gehörte. Es
sind in Spaichingen zahlreiche Familien-
namen Kraut nachweisbar. Das Geburtsjahr
von Hans Kraut ist noch umstritten, doch
dürfte Kornhas recht haben, wenn er die
Geburt etwa um das Jahr 1512 ansetzt.
Damit dürfte dann die Kachel, die Roder
mit der Jahreszahl 1532 als Geburtsjahr
annahrn, als sein Gescllenstück anzusehen
sein. Sein Todesjahr dürfte 1592 sein,
denn man hat einen primitiven Grabstein
auf dem Friedhof gefunden mit dem Mono-
gramm H. K. und der Jahreszahl 1592,
wohl ohne Zweifel für Hans Kraut zu
deuten. Außerdem hörten wir, daß der
Graf Fürstenberg im Jahre 1593 einen
Ofen bei Jacob Kraut, dem Sohn und
Nachfolger, bestellt hat, auch wird dieser
als Nachfolger in der Hafncrwerkstatt in
den Jahren 1596 erwähnt. Jacob Kraut
war weniger berühmt, bisher sind Arbeiten
von ihm kaum bekannt. Leider ist er,
obwohl Bürger und Ratsherr, ein Opfer
der schrecklichen Hexenprozesse geworden
und 1641 hingerichtet worden.
Von Hans Kraut wissen wir, daß er wahr-
scheinlich 1566 nach Villingen gekommen
und dort verhältnismäßig spät Bürger
geworden ist. Das Bürgerrecht war stets
mit Hausbesitz verbunden, so wurde Kraut
nach urkundlichen Nachrichten im Jahre
1585 Bürger der Stadt. Auch erhielt Johann
Kraut, Bürger und Rat zu Villingen, vom
Erzherzog Ferdinand am 2. Oktober 1590
einen zu Innsbruck datierten Wappenbrief,
da er damals im Kollegium des Stadtrates H
wahrscheinlich als Vertreter seiner Zunft -
zu den angesehensten Bürgern der Stadt
gezählt hat. Die Jahreszahl 1592 auf dem
Grabstein dürfte stimmen, denn nachher
wird der Meister nicht mehr erwähnt, und
sein Sohn Jacob führte die Werkstatt
weiter. Inzwischen ist in einem Buch der
Geschichte der Stadt Villingen4 nochmals
eine kurze Zusammenfassung des Lebens
und der Werke von Hans Kraut erschienen;
danach soll das Sterbejahr des Meisters
1592 oder 1596 gewesen sein. Es sind in
dem Buch auch viele Kacheln und Kachel-
fragmente abgebildet, die bisher in der
Literatur unbekannt waren.
Von Hans Kraut sind verschiedene Signa-
turen5 an seinen Öfen und Kacheln vor-
handen, so daß diesbezüglich einige Ar-
beiten gesichert sind. Außer Kacheln für
Öfen hat er in früherer Zeit auch Reliefs
gefertigt, und diese Arbeiten sind öfters
beschrieben worden. Hier soll uns ein
Relief interessieren, das nicht signiert, aber
in jeder Beziehung bei einem Vergleich
mit Arbeiten von Hans Kraut sich als ein
Werk dieses Künstlers erweisen dürfte.
Ein Meister wie Hans Kraut, dessen
Schaffenszeit etwa 70 Jahre dauerte, hat
weit mehr als die uns verbliebenen vier
Kachelöfen gefertigt. Sicher ist ein größerer
Teil seiner Arbeiten im Laufe der jahrhun-
dertezerstörtwordenundverlorengegangen;
es sind daher bestimmt noch Reliefs und
Kacheln in Sammlungen vorhanden, die
man bisher nicht seiner Werkstatt zugea
schrieben hat. Die Schöpfungen eines
Hafnermeisters, der mit solch ausgezeich-
netem Sinn für plastisches Schaffen begabt
war, sollten leicht an ähnlichen, bisher
anonymen Arbeiten zu erkennen sein.
Gab es doch nur wenige Werkstätten in
Süddeutschland, die so hervorragende Haf-
nerarbeiten erzeugt haben.
Auf der Suche nach solchen Arbeiten stieß
ich auf das große, prachtvoll buntglasierte
Tonrelief, 35 cm hoch (Abb. 1), mit der
Darstellung des barmherzigen Samariters
im Österreichischen Museum für ange-
wandte Kunst in Wien. Dieses Relief
befand sich früher in der Sammlung Figdor
in Wien und stammte angeblich aus dem
Rathaus zu Nördlingcn. Walcherö hatte es
bereits beschrieben und abgebildet, ohne
aber dieses Stück einer bestimmten Werk-
statt zuzuschreiben. Bei dieser Gruppe
handelt es sich um eine Szene aus der
Legende des Wilhelm von Albonac und
des Königs Alfred III. von Mercien. Den
Mittelpunkt beherrscht die kniende Figur
des Samariters. Er trägt einen kurzen
Vollbart, auf dem Haupte eine modische
große Schirmmütze, angetan mit einer
pelzverbrämten Schaube. Seine linke Hand
ist auf den Arm des Ritters gelegt. Der
Ritter liegt langgestreckt auf dem Boden.
Die rechte Hand stützt seinen Kopf, der
Helm ist abgenommen und liegt daneben.
Mit besonderer Liebe und Sorgfalt sind
die Details an der Rüstung wie an der
Kleidung modelliert. Den Hintergrund
bilden drei hohe Bäume, die symmetrisch
angeordnet sind. Etwas von der felsigen
Landschaft ist zu sehen.
Das Relief war stets eine Einzelarbeit7
und nicht als Mittelstück für einen großen
Ofen gedacht. Die Brennfarbe des Tones
ist Rotbraun, wie die meisten Kacheln
von Hans Kraut. Nach der Mitte zu steigt
das Relief etwas an, so daß es an den Seiten
eine Tiefe von 8,5 cm, in der Mitte jedoch
eine solche von 13 cm aufweist. Vergleicht
man nun die großen Mittelreliefs am
Londonerß, Wiener und Karlsruher Ofen,
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