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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 97)

Monogramm H. K. versehene Kacheln 
schon aus dem Jahre 1532 kennt, so ist 
es sicher, daß Hans Kraut im Verlaufe von 
40 Jahren außer zahlreichen Kachelöfen 
auch noch beachtliche Mittclkacheln und 
freistehende Reliefs geschaffen hat. Eine so 
bedeutende Werkstätte hat zweifellos auch 
viele Einzelstücke auf Bestellung geliefert. 
Interessant an dem sogenannten Nörd- 
linger Relief ist noch die Anbringung 
einer kleinen gelbglasierten „Schüsse1- 
kache" (.9), die an einem Baum rechts 
aufgehängt ist. Man könnte sie auch als 
einen Konvexspicgcl sehen, aber dann 
hatte man sie eher weiß glasiert. Die kleine 
Kachel könnte als ein Zeichen gedeutet 
werden, womit der Meister dieses schönen 
Reliefs auf seinen l-lafnerberuf anspielen 
wollte. Obwohl im 16. _]ahrhundcrt in 
Nördlingen bedeutende Hafner 10 ansässig 
waren, sind doch keinerlei bedeutende 
Arbeiten mehr vorhanden. Man muß daher 
annehmen, daß dieses Relief seinerzeit auf 
Bestellung als Einzelstück angefertigt und 
dorthin geliefert worden ist. 
Eine andere Arbeit, die ich dem Hafner 
Hans Kraut zuschreiben möchte, ist ein 
buntglasiertes Schreibzeug im Bayerischen 
Nationalmuseum in München (Abb. 578). 
Über seine Herkunft ist so gut wie nichts 
bekannt. Das Stück ragt aber weit über die 
uns bisher bekannten Schreibzeugmodelle 
hinaus. Es zeigt in fein durchgeführter 
Kleinplastik einen liegenden Ritter, der 
sich auf einen Arm stützt, sein Kopf ist 
etwas zurückgenommen, der Mund ist wie 
bei einem Abgeschiedenen geöl-fnet. Der 
bartlose Krieger trägt ein kostbares Wams 
und viele Schmuckketten. Zu seinen Füßen 
kniet eine Frau mit zum Gebet gefalteten 
Händen in der reichen Tracht der Renais- 
sancezeit. Die Szene spielt vor einem 
Brunnen mit einem großen Baum daneben. 
Dieser Darstellung liegt die Legende von 
Pyramus und Thisbe zugrunde". Seitlich 
an dem Schreibzeug sind kleine Schilder 
angebracht, die wohl einst in kalter Be- 
malung die Wappen trugen. Der hohe 
Sockel zeigt zwei Ausbuchtungen mit 
Löwenköpfen auf der Vorderseite, schmalen 
Pilastern und Kariathyden. Dazwischen ist 
eine viereckige Öffnung zur Aufnahme des 
Tintenfasses. Die Rückseite zeigt ein vor- 
gesetztes Rechteck mit seitlichen plastischen 
Delphinen und auf der Innenseite eine 
Sauhatz mit Reitern und einem jäger. Die 
schmale Abschlußleiste vorn ist mit einem 
freihändig modellierten Blattornament der 
Frührenaissance geschmückt. Dieses Stück 
dürfte auf besondere Bestellung angefertigt 
worden sein. Es ist 20,5cm hoch, 25 cm breit, 
ca. 20 cm tief, und die Brcnnfarbe ist hellgelb. 
Die Farben sind Grün, Hellgelb, Karminrot, 
ein stumpfes Blau, ein tiefdunkles Mangan, 
fast schwarz wirkend, und dazu ein Gold. 
Die Verwendung von kalter Goldbemalung, 
bei den deutschen Hafnerarbeiten äußerst 
selten, ist bei den Arbeiten von Hans 
Kraut, wie wir sahen, öfter anzutreffen. 
Zu erwähnen ist noch, daß auf dem Boden 
der rückseitig vorgesetzten Schale, die zur 
Aufnahme der Federhalter diente, ein 
Rankenmuster in Blau auf dunkelblauem 
Grunde gemalt ist. Es handelt sich um eine 
Malart, die sehr selten vorkommt. Die 
Figuren sind außerordentlich fein ausge- 
führt und nachbossiert, Wobei Haare mit 
einem Holz gestrichelt wurden. Die Ge- 
sichtet und Hände blieben unglasiert, um 
eine größere Schärfe zu erzielen. Diese 
Technik ist, wie schon erwähnt, für Hans 
Kraut charakteristisch. Vielleicht waren 
auch sie früher mit einer fleischfarbenen 
kalten Bemalung versehen. Der Kopftypus 
ist ähnlich Wie auf dem Nördlinger Modell, 
der Mund ist geöffnet wie dort. Der plumpe 
Baumstamm trägt einige aufgelegte Blätter 
in der Krone. Die Art, wie der Krieger 
liegt und wie Kopf und Rüstung durch- 
modelliert sind, zeigt Übereinstimmungen 
mit bezeichneten Arbeiten Hans Krauts. 
Man vergleiche die Blätterkronen auf 
anderen Reliefs! Somit erfahren wir, daß 
Hans Kraut außer großen Hafnerreliefs 
und Kacheln für Öfen auch andere Arbeiten, 
zum Beispiel Schreibzeuge, in seiner Werk- 
statt gefertigt hat. 
Eine weitere Arbeit, die der Werkstatt des 
Hans Kraut nahesteht, ist ein Tonrelief, 
ehemals in der Sammlung Hans Schwarz 11 
in Wien, jetzt im Bayerischen National- 
museum in München. In dem Katalog war 
es wie folgt beschrieben: „Tonrelief, farbig 
glasiert und gemalt, die Enthauptung Jo- 
hannes des Täufers (Abb. 9). 
Im Vordergrund eines Burghofes, der durch 
eine Zinnenmauer gegen den Hintergrund 
abgeschlossen ist und rechts von einem 
mit roten Ziegeln bedeckten Turm flankiert 
wird, liegt der Leichnam des Täufets, dem 
das Haupt bereits abgeschlagen ist, links 
steht der Henker im Begriff, das Schwert 
in die Scheide zu stecken. Rechts von dem 
Leichnam stehen zwei Edelleute, einer mit 
einem roten, der andere mit einem ge- 
schlitzten Wams, als Zuschauer der Szene. 
Auf der linken Seite führen mehere Stufen, 
auf denen der rote Mantel und der Hut des 
Henkers liegen, zu einem Turm, dessen 
eiserne Türe geöffnet ist, offenbar das 
Gefängnis des Johannes. Im Hintergrund 
(farbig glasiert) Landschaft mit Ansicht 
einer Burg und bewaldeten Höhen. Die 
Figuren sämtlich meisterhaft modelliert 
und vollrund. Über dem Portal zu dem 
Gefängnis eine (weiße) Tafel mit der 
Jahreszahl 1540 _ die zweite Hälfte nicht 
deutlich sichtbar. Schweiz, erste Hälfte 
16. Jahrhundert. Im Holzrahmen. Höhe 
40 cm, Breite 46 cm." 
Dazu möchte ich sagen, daß dieses Relief 
schon an Hand der Kostüme gegen die 
Mitte des 16. Jahrhunderts zu setzen wäre; 
die Zuweisung zu einer Schweizer Werk- 
statt ist jedoch abwegig. Durch manche 
Übereinstimmungen mit den Hans Krauf- 
sehen Arbeiten möchte ich dieses Relief 
eher seiner Werkstatt zuschreiben. 
Das Relief dürfte wohl als Mittelteil für 
einen Ofen gedacht gewesen sein. Es liegt 
vertieft, hat hinten eine geschlossene Wand 
und die Seiten sind ca. 8 cm tief. S0 konnte 
es leicht wie eine große Kachel in die 
Wand des Ofens eingebaut werden. Die 
Brennfarbe ist hellbraun. Die einzelnen 
Figuren sind fast vollplastisch und überaus 
fein modelliert und nach Fertigstellung in 
die Wand des Reliefs eingeschlickert wor- 
den. Das erkennt man noch daran, daß 
sich an einigen Stellen kleine Risse nach 
dem Brand gezeigt haben, was besagt, daß 
sie nur leicht aufgesetzt waren. Die linke 
Figur, der Henker, ist fast völlig frei- 
stehend, und nur am Rücken hat sie eine 
Stütze, die sie mit dem Hintergrund ver- 
bindet. Mit viel Liebe hat der Meister die 
Details der kostbaren Trachten modelliert, 
ebenso die charaktervollen Köpfe. Aber 
auch andere Einzelheiten, wie die Schmuck- 
ketten und der große Dolch, sind überaus 
fein gebildet. Im Typ erinnert besonders 
der bärtige Ritter rechts an ähnliche Köpfe 
auf Hans Krauts Kacheln. Sowohl das 
Format der Figuren als auch die Be- 
handlung der Köpfc und Kostüme weisen 
auf andere Hans-Kraut-Kacheln hin. An 
Farben sind für den Himmel ein Weiß 
(aus Zinnoxyd), das starke Krakeluren 
aufweist, dazu ein Kobaltblau, ein etwas 
zerflossenes Grasgrün, ein blasses Gelb, 
ein tiefdunkles Braun mit Mangan gefärbt, 
dazu ein stumpfes Krapprot gewählt wor- 
den. Die Gesichter sind dünn und matt in 
Fleischtönen, mit wenig Rosa auf den 
Wangen bemalt. Die Architektur ist grau- 
schwarz glasiert und matt. Die Jahreszahl 
1540 über dem Portal ist schwarz aufgemalt 
und eingebrannt. Die Bäume sind nur 
wenig plastisch im Hintergrund angedeutet 
und teilweise durch Strichelung markiert. 
Der Boden soll durch grüne Glasur und 
Einstiche zum Teil Gras vortäuschen. Es 
befinden sich dort Einritzungen, die offen- 
bar mit einem dünnen Holz gemacht 
wurden, wie man sie auch an Holzreliefs, 
durch Einkerbung mit dem Messer ent- 
ANMERKUNGEN 10- 12 
10 Vergleiche Kunstdcnkmältr der Sind! Nönllingcn, 1.940. 
München. Fcslschriff "Ndrdliugen", Porträt einer Stadt. 
S. 94. Ofenmodell, I6. jallrhundvrt. 
U D: zu der Darstellung noch der Löwe fehlt. ist anzu- 
nehmen, daß dieser hinten am Baum lag. wo 
stellen sein früheres Vorhandcnsein bezeugen, 
20 
 
Legende von Pyramus und Thisbe war im 1a. jahrhun- 
dtrt in der Kunst ein beliebrcs Motiv. 
Die freundliche Anfertigung der Fotos des SChreibzßugcs 
verdanke ich Herrn Hauprkonscrvaror am Bayerischen 
Nalionalxuuseum in München Dr. Rainer Rüdcen (HIV.- 
Nr. 10. Ker. 508). 
I1 Sammlung Hans Schwarz, Wicn, Rudolph Lepkes 
Kunsr-Auktionshaus. Berlin, Nr. 279, Abb. 23. Ver- 
steigerung 8. November 1910. 
Hans Kraut, Bumglasicrrcs Schreibzeug mit Pyramus 
und Thisbc. Vunlvransichl. ljayerischesNarionahnuseum, 
München 
Hans Kraut. Schreibzeug, Rückansicht Abb. s. Baye- 
risches Natinnahuuscnnm, München 
Hans 1mm, jagdfrics vum Schreibzeug Abb, s. Baye- 
risches Natiunnllnusculn, Munchcn 
Hans Kraut. Enden] des Schreibzcuges Abb. 5 mit blau 
gemalten Ranken auf blauem Grund. Bayerischu 
Natiounlmuscxun, MünChLTl 
Hans Kram, Tonrclief mit der Euthauplung Johannes 
des Tüufcxs. 0mm 1540. Bayerisches Nationalmuseum, 
München
	        
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