Monogramm H. K. versehene Kacheln
schon aus dem Jahre 1532 kennt, so ist
es sicher, daß Hans Kraut im Verlaufe von
40 Jahren außer zahlreichen Kachelöfen
auch noch beachtliche Mittclkacheln und
freistehende Reliefs geschaffen hat. Eine so
bedeutende Werkstätte hat zweifellos auch
viele Einzelstücke auf Bestellung geliefert.
Interessant an dem sogenannten Nörd-
linger Relief ist noch die Anbringung
einer kleinen gelbglasierten „Schüsse1-
kache" (.9), die an einem Baum rechts
aufgehängt ist. Man könnte sie auch als
einen Konvexspicgcl sehen, aber dann
hatte man sie eher weiß glasiert. Die kleine
Kachel könnte als ein Zeichen gedeutet
werden, womit der Meister dieses schönen
Reliefs auf seinen l-lafnerberuf anspielen
wollte. Obwohl im 16. _]ahrhundcrt in
Nördlingen bedeutende Hafner 10 ansässig
waren, sind doch keinerlei bedeutende
Arbeiten mehr vorhanden. Man muß daher
annehmen, daß dieses Relief seinerzeit auf
Bestellung als Einzelstück angefertigt und
dorthin geliefert worden ist.
Eine andere Arbeit, die ich dem Hafner
Hans Kraut zuschreiben möchte, ist ein
buntglasiertes Schreibzeug im Bayerischen
Nationalmuseum in München (Abb. 578).
Über seine Herkunft ist so gut wie nichts
bekannt. Das Stück ragt aber weit über die
uns bisher bekannten Schreibzeugmodelle
hinaus. Es zeigt in fein durchgeführter
Kleinplastik einen liegenden Ritter, der
sich auf einen Arm stützt, sein Kopf ist
etwas zurückgenommen, der Mund ist wie
bei einem Abgeschiedenen geöl-fnet. Der
bartlose Krieger trägt ein kostbares Wams
und viele Schmuckketten. Zu seinen Füßen
kniet eine Frau mit zum Gebet gefalteten
Händen in der reichen Tracht der Renais-
sancezeit. Die Szene spielt vor einem
Brunnen mit einem großen Baum daneben.
Dieser Darstellung liegt die Legende von
Pyramus und Thisbe zugrunde". Seitlich
an dem Schreibzeug sind kleine Schilder
angebracht, die wohl einst in kalter Be-
malung die Wappen trugen. Der hohe
Sockel zeigt zwei Ausbuchtungen mit
Löwenköpfen auf der Vorderseite, schmalen
Pilastern und Kariathyden. Dazwischen ist
eine viereckige Öffnung zur Aufnahme des
Tintenfasses. Die Rückseite zeigt ein vor-
gesetztes Rechteck mit seitlichen plastischen
Delphinen und auf der Innenseite eine
Sauhatz mit Reitern und einem jäger. Die
schmale Abschlußleiste vorn ist mit einem
freihändig modellierten Blattornament der
Frührenaissance geschmückt. Dieses Stück
dürfte auf besondere Bestellung angefertigt
worden sein. Es ist 20,5cm hoch, 25 cm breit,
ca. 20 cm tief, und die Brcnnfarbe ist hellgelb.
Die Farben sind Grün, Hellgelb, Karminrot,
ein stumpfes Blau, ein tiefdunkles Mangan,
fast schwarz wirkend, und dazu ein Gold.
Die Verwendung von kalter Goldbemalung,
bei den deutschen Hafnerarbeiten äußerst
selten, ist bei den Arbeiten von Hans
Kraut, wie wir sahen, öfter anzutreffen.
Zu erwähnen ist noch, daß auf dem Boden
der rückseitig vorgesetzten Schale, die zur
Aufnahme der Federhalter diente, ein
Rankenmuster in Blau auf dunkelblauem
Grunde gemalt ist. Es handelt sich um eine
Malart, die sehr selten vorkommt. Die
Figuren sind außerordentlich fein ausge-
führt und nachbossiert, Wobei Haare mit
einem Holz gestrichelt wurden. Die Ge-
sichtet und Hände blieben unglasiert, um
eine größere Schärfe zu erzielen. Diese
Technik ist, wie schon erwähnt, für Hans
Kraut charakteristisch. Vielleicht waren
auch sie früher mit einer fleischfarbenen
kalten Bemalung versehen. Der Kopftypus
ist ähnlich Wie auf dem Nördlinger Modell,
der Mund ist geöffnet wie dort. Der plumpe
Baumstamm trägt einige aufgelegte Blätter
in der Krone. Die Art, wie der Krieger
liegt und wie Kopf und Rüstung durch-
modelliert sind, zeigt Übereinstimmungen
mit bezeichneten Arbeiten Hans Krauts.
Man vergleiche die Blätterkronen auf
anderen Reliefs! Somit erfahren wir, daß
Hans Kraut außer großen Hafnerreliefs
und Kacheln für Öfen auch andere Arbeiten,
zum Beispiel Schreibzeuge, in seiner Werk-
statt gefertigt hat.
Eine weitere Arbeit, die der Werkstatt des
Hans Kraut nahesteht, ist ein Tonrelief,
ehemals in der Sammlung Hans Schwarz 11
in Wien, jetzt im Bayerischen National-
museum in München. In dem Katalog war
es wie folgt beschrieben: „Tonrelief, farbig
glasiert und gemalt, die Enthauptung Jo-
hannes des Täufers (Abb. 9).
Im Vordergrund eines Burghofes, der durch
eine Zinnenmauer gegen den Hintergrund
abgeschlossen ist und rechts von einem
mit roten Ziegeln bedeckten Turm flankiert
wird, liegt der Leichnam des Täufets, dem
das Haupt bereits abgeschlagen ist, links
steht der Henker im Begriff, das Schwert
in die Scheide zu stecken. Rechts von dem
Leichnam stehen zwei Edelleute, einer mit
einem roten, der andere mit einem ge-
schlitzten Wams, als Zuschauer der Szene.
Auf der linken Seite führen mehere Stufen,
auf denen der rote Mantel und der Hut des
Henkers liegen, zu einem Turm, dessen
eiserne Türe geöffnet ist, offenbar das
Gefängnis des Johannes. Im Hintergrund
(farbig glasiert) Landschaft mit Ansicht
einer Burg und bewaldeten Höhen. Die
Figuren sämtlich meisterhaft modelliert
und vollrund. Über dem Portal zu dem
Gefängnis eine (weiße) Tafel mit der
Jahreszahl 1540 _ die zweite Hälfte nicht
deutlich sichtbar. Schweiz, erste Hälfte
16. Jahrhundert. Im Holzrahmen. Höhe
40 cm, Breite 46 cm."
Dazu möchte ich sagen, daß dieses Relief
schon an Hand der Kostüme gegen die
Mitte des 16. Jahrhunderts zu setzen wäre;
die Zuweisung zu einer Schweizer Werk-
statt ist jedoch abwegig. Durch manche
Übereinstimmungen mit den Hans Krauf-
sehen Arbeiten möchte ich dieses Relief
eher seiner Werkstatt zuschreiben.
Das Relief dürfte wohl als Mittelteil für
einen Ofen gedacht gewesen sein. Es liegt
vertieft, hat hinten eine geschlossene Wand
und die Seiten sind ca. 8 cm tief. S0 konnte
es leicht wie eine große Kachel in die
Wand des Ofens eingebaut werden. Die
Brennfarbe ist hellbraun. Die einzelnen
Figuren sind fast vollplastisch und überaus
fein modelliert und nach Fertigstellung in
die Wand des Reliefs eingeschlickert wor-
den. Das erkennt man noch daran, daß
sich an einigen Stellen kleine Risse nach
dem Brand gezeigt haben, was besagt, daß
sie nur leicht aufgesetzt waren. Die linke
Figur, der Henker, ist fast völlig frei-
stehend, und nur am Rücken hat sie eine
Stütze, die sie mit dem Hintergrund ver-
bindet. Mit viel Liebe hat der Meister die
Details der kostbaren Trachten modelliert,
ebenso die charaktervollen Köpfe. Aber
auch andere Einzelheiten, wie die Schmuck-
ketten und der große Dolch, sind überaus
fein gebildet. Im Typ erinnert besonders
der bärtige Ritter rechts an ähnliche Köpfe
auf Hans Krauts Kacheln. Sowohl das
Format der Figuren als auch die Be-
handlung der Köpfc und Kostüme weisen
auf andere Hans-Kraut-Kacheln hin. An
Farben sind für den Himmel ein Weiß
(aus Zinnoxyd), das starke Krakeluren
aufweist, dazu ein Kobaltblau, ein etwas
zerflossenes Grasgrün, ein blasses Gelb,
ein tiefdunkles Braun mit Mangan gefärbt,
dazu ein stumpfes Krapprot gewählt wor-
den. Die Gesichter sind dünn und matt in
Fleischtönen, mit wenig Rosa auf den
Wangen bemalt. Die Architektur ist grau-
schwarz glasiert und matt. Die Jahreszahl
1540 über dem Portal ist schwarz aufgemalt
und eingebrannt. Die Bäume sind nur
wenig plastisch im Hintergrund angedeutet
und teilweise durch Strichelung markiert.
Der Boden soll durch grüne Glasur und
Einstiche zum Teil Gras vortäuschen. Es
befinden sich dort Einritzungen, die offen-
bar mit einem dünnen Holz gemacht
wurden, wie man sie auch an Holzreliefs,
durch Einkerbung mit dem Messer ent-
ANMERKUNGEN 10- 12
10 Vergleiche Kunstdcnkmältr der Sind! Nönllingcn, 1.940.
München. Fcslschriff "Ndrdliugen", Porträt einer Stadt.
S. 94. Ofenmodell, I6. jallrhundvrt.
U D: zu der Darstellung noch der Löwe fehlt. ist anzu-
nehmen, daß dieser hinten am Baum lag. wo
stellen sein früheres Vorhandcnsein bezeugen,
20
Legende von Pyramus und Thisbe war im 1a. jahrhun-
dtrt in der Kunst ein beliebrcs Motiv.
Die freundliche Anfertigung der Fotos des SChreibzßugcs
verdanke ich Herrn Hauprkonscrvaror am Bayerischen
Nalionalxuuseum in München Dr. Rainer Rüdcen (HIV.-
Nr. 10. Ker. 508).
I1 Sammlung Hans Schwarz, Wicn, Rudolph Lepkes
Kunsr-Auktionshaus. Berlin, Nr. 279, Abb. 23. Ver-
steigerung 8. November 1910.
Hans Kraut, Bumglasicrrcs Schreibzeug mit Pyramus
und Thisbc. Vunlvransichl. ljayerischesNarionahnuseum,
München
Hans Kraut. Schreibzeug, Rückansicht Abb. s. Baye-
risches Natinnahuuscnnm, München
Hans 1mm, jagdfrics vum Schreibzeug Abb, s. Baye-
risches Natiunnllnusculn, Munchcn
Hans Kraut. Enden] des Schreibzcuges Abb. 5 mit blau
gemalten Ranken auf blauem Grund. Bayerischu
Natiounlmuscxun, MünChLTl
Hans Kram, Tonrclief mit der Euthauplung Johannes
des Tüufcxs. 0mm 1540. Bayerisches Nationalmuseum,
München