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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 97)

Hefele erweist sieh somit als vielseitiger 
Künstler: als entwerfender Architekt, als 
Zeichner und Bildhauer. In dieser letzteren 
Eigenschaft hat er mit den in Blei gegosse- 
nen Reliefs am Sockel des Sonntagberger 
Altars und mit den Reliefs der dortigen 
Kanzel weitere Zeugnisse seines Könnens 
als Plastiker geliefert. 7 Bei der Anferti- 
gung sowohl des Altarmodells als auch 
des Holzrahmens dürfte ihm aber Franz 
Ratzespetger, von dem später noch die 
Rede sein wird, behilflich gewesen sein, 
wie aus den Akten in Seitenstetten hervor- 
geht. 
Der Sonntagbcrger Altar wurde im Verlauf 
des jahres 1965 einer durchgreifenden 
Restaurierung unterzogen, wobei auch der 
Silbetrahmcn in seine nahezu zweihundert 
Einzelteile zerlegt, gereinigt und Wieder 
zusammengesetzt wurde. Es konnte fest- 
gestellt werden, daß sich keine gegossenen 
Teile vorfinden, sondern sowohl der eigent- 
liche Rahmen wie die mit Silberlot aufge- 
löteten oder mit Blechschrauben befestigten 
Verzierungen durchwegs getrieben und zise- 
liert sind. Auch die für den Beschauer voll- 
plastisch wirkenden Früchte, Ranken und 
Rocaillen bestehen tatsächlich aus dünnem, 
eingerolltem Silberblech und sind hohlß. 
Das Zerschneiden des Modells, von dem 
in den Akten die Rede ist, geschah also 
nicht, wie man annehmen könnte, zu dem 
Zweck, um Formen für den Guß der 
dekorativen Details anzufertigen, sondern 
um diese leichter und möglichst vorlagen- 
getreu in Silber nachbilden, d. h. treiben 
und ziselieren zu können. - Zur Steigerung 
der Wirkung ist die Oberfläche verschieden 
behandelt; der eigentliche Rahmen mit den 
Voluten ist poliert, die Ornamente hin- 
gegen sind größtenteils ziseliert; doch 
finden sich auch da in vielen Fällen polierte 
Partien, wodurch die reichen plastischen 
Formen noch stärker hervortreten. 7 
Vergleicht man Modell und Ausführung, 
so wird man eine ziemlich genaue Über- 
einstimmung feststellen können. Abge- 
sehen von den gleichfalls in Silber ge- 
arbeiteten großen Blumen, die am Modell 
nicht berücksichtigt werden konnten, sind 
nur die Früchte auf der linken Seite durch 
Blätter ergänzt, und auf der oberen Mittel- 
volute fehlt die aufwättsgebogene Rocaille 
mit Ranken und Blüten. 
Natürlich mußte das Modell bereits ange- 
fertigt und vom Auftraggeber approbiert 
sein, ehe mit der Herstellung des Silber- 
rahmens begonnen werden konnte. Daß 
man aber nahezu zwei Jahre vor dem Ver- 
tragsabschluß mit dem Goldschmied 
(17. Juni 1753) bereits so weit War (laut 
Hefeles Brief vom 20.August 1751), ist 
ungewöhnlich, aber doch nicht verwunder- 
lich für den, der die höchst verwickelte 
Entstehungsgeschichte des Sonntagberger 
Altars kennt. 
Es ist hier nicht der Platz, um ausführlich 
auf diese komplizierten Sachverhalte ein- 
zugehen, die überdies bereits auszugs- 
weise in dieser Zeitschrift zur Sprache ge- 
bracht wurden, soweit sie den Bildhauer 
]. Ch. Schletterer betrafen. 
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Kurz zusammengefaßt nahmen die Ereig- 
nisse folgenden Verlauf: Am 14. April 1751 
kam es in Seitenstetten zum Vertrags- 
abschluß zwischen dem Abt (Dominicus 
Gußmann) und dem Wiener Architekten 
Melchior Hefele „wegen des Gnaden Hoch- 
altar am Sonntagberg"9. Nach Aufzählung 
aller jener Teile, für dcrcn Anfertigung der 
Architekt selbst sich „verobligiert" hatte, 
folgt die für unseren Zusammenhang 
wichtige Bestimmung, daß „alles andere 
aber, was immer von Silber gemacht würd, 
als Tabernacul, die ganze Glori von den 
Gnaden Bild .. . Herr Räzelsperger auf 
sich zu nehmen verbunden" sei. Die 
Stellung dieses Wiener Goldschmiedes, der 
mit vollem Namen Johann Franz de Paula 
Ratzesperger (Rätzelsperger, Rötzesperger 
u. a. m., die Schreibweise differiert) hieß, 
ist bisher noch nicht völlig geklärt. Soviel 
ist sicher, daß er es wohl verstand, das Ver- 
trauen des Abtes zu gewinnen und diesen 
Umstand zum eigenen Vorteil auszunutzen. 
Dabei machte er sich schwerster Kompe- 
tenzüberschreitungen schuldig. Der ehr- 
geizige Mann hatte es scheinbar darauf 
angelegt, den Architekten zu verdrängen. 
Tatsächlich hatte er mit seinen Intrigen 
Erfolg, denn er brachte schließlich den 
Abt so weit, daß dieser Hefele mißtraute 
und an dessen Fähigkeiten zu zweifeln 
begann. Solcherart Verdächtigungen konnte 
der Künstler nicht auf sich beruhen lassen, 
und so kam es zum Prozeß. Aber die Ge- 
richte entschieden zugunsten Hefeles, und 
als es vor den Experten der kaiserlichen 
Akademie in Wien, die in diesem Fall zu 
Rate gezogen worden waren, am 29. Mai 
1752 zum Abschluß eines Vergleichs kam, 
wurde Hefele völlig rehabilitiert, Ratzes- 
perger aber von der weiteren Mitarbeit 
ausgeschlossen. 
Es war nur zu verständlich, daß derart 
gespannte Verhältnisse zwischen Auftrag- 
geber und Architekt für den Fortgang der 
Arbeit nicht zuträglich waren. Das wirkte 
sich eben dahingehend aus, daß der Vertrag 
über die Anfertigung des Silberrahmens 
erst im Juni 1753 beschlossen werden 
konnte. Den Auftrag erhielt nun an Stelle 
Ratzespergers der Goldschmied j. W. Riedl. 
Doch hatte Ratzesperger, wie aus dem 
letzten Abschnitt des Vertrages mit Riedl 
hervorgeht, bereits Engelsköpfe und 
Wolken, also Cherubsköpfchen, in Silber 
ausgeführt, die nach Hefeles Entwurf auf 
den vergoldeten Strahlen um das Gnaden- 
bild angeordnet werden sollten. Sie sind 
heute nicht mehr vorhanden. Der Tradition 
nach wurden sie in den napoleonischen 
Kriegen entfernt. 
Die Stilanalyse des Rahmens, der das 
wichtigste dekorative Element an Hefeles 
erstem selbständigem Werk darstellt, wirft 
folgerichtig die Frage nach den künstle- 
rischen Anfängen des Architekten auf. Aber 
darüber gibt die vorliegende Literaturlß 
nur lückenhaft Auskunft. Bloß soviel ist 
bekannt, daß der am 11.]anuar 1716 in 
Kaltenbrunn in Tirol geborene Sohn des 
Maurermeisters Michael Hefele zunächst 
zu einem Tischler in die Lehre gegeben 
wurde und sich dann in den dreißiger 
Jahren in Würzburg niederließ. Über die 
dazwischen liegende Zeit fehlt bisher noch 
jede Nachricht. - Hefele kam selbst einmal 
auf seine Ausbildung zum Handwerker zu 
sprechen und versäumte dabei nicht, mit 
Stolz auf seine später hinzuerworbenen 
künstlerischen Fähigkeiten zu verweisen. 
Anläßlich des Sonntagberger Prozesses 
schreibt er in einem Memorandum vom 
14. Mai 1752: „. . . Wann ich auch anfäng- 
lich nur ein Tischler sollte gewesen sein . . . 
dieserwegen meine nachhin so statlich . . . 
erworbene Kunst gleichwohl ihren wohl- 
verdienten Preyß verdienet . . ." 11. 
In Würzburg war I-Icfele nicht nur für den 
berühmten Kunstschmied und Hofschlosser 
Johann Georg Oegg als Zeichner tätig, 
sondern leitete selbst eine Handwerks- 
zeichenschule (Rcißschule). 
Oegg war ein Landsmann Hefeles und 
stammte aus Silz im Oberinntal (geb. 1703, 
gest. um 1780 in Würzburg). Er hatte in 
Wien unter I-lildebrandt für den Prinzen 
Eugen gearbeitet; die Parktore in Schloßhof 
sind sein Werk. Auf Veranlassung des 
Reichsvizekanzlers und Fürstbischofs von 
Würzburg und Bamberg, des Grafen 
Friedrich Carl von Schönborn, wurde er 
1733[34 für den Neubau der Würzburger 
Residenz gewonnen, wo er bis zu seinem 
Lebenscnde die prächtigen Gitter und 
andere kunstvolle Schlosserarbeiten aus- 
führte. 
In die Werkstatt dieses vielbeschäftigten 
Mannes trat also Hefele ein. Das Jahr 
steht nicht fest. Guby nimmt „um 1734" 
an, Brenner „etwa 1737 oder 1738". Auch 
die Dauer seines Aufenthaltes in Würzburg 
ist ungewiß. Erst für das Jahr 1742 besitzen 
wir eine archivalisch verbürgte Nachricht. 
Am 9. November dieses Jahres erhielt 
Hefele in der Wiener „Kaiserlichen Hof- 
Academie" mit zweiunddreißig Stimmen 
den ersten Architekturpreis, die Gold- 
medajlle, zugesprochen. Das Thema, wor- 
über die Architekten in diesem Jahr um 
die „aus Allerhöchsten Kais: Königl: 
Gnaden ausgesetzte Praemia" zu „cer- 
tieren" hatten, war „ein um und um frei- 
stehender Brunnen" 12. Hier tritt also 
Hefele das erstemal als Architekt in Er- 
scheinung, und drei Jahre später steht sein 
Name auf einer „Liste des academiciens 
presentee (1) au marcchal de Cour". Die 
Vorstellung der sechs Architekten, unter 
denen Hefclc an vierter Stelle genannt 
wird, erfolgte am 26. August 174513. - 
Setzte aber die Bezeichnung „acadernicien" 
nicht auch eine Ausbildung an der Akade- 
mie voraus? Könntc vielleicht daraus 
geschlossen werden, daß Hefele doch vor 
seinem Würzburger Aufenthalt ein Schüler 
der Wiener Akademie gewesen war, wo 
er im Zeichnen ausgebildet wurde? Daß 
sein Name in den Matriken der Akademie 
fehlt, kann nicht als Gegenbeweis gelten, 
da die frühen Schülerverzeichnisse er- 
wiesenermaßen unvollständig sind. In Wien 
hätte Hefele leicht Gelegenheit finden 
können, mit Oegg in Verbindung zu
	        
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